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Das Feuer konnten wir nur klein halten, auch das Essen ist sehr spärlich ausgefallen und nun, den Kleinen dicht an mich heran gekuschelt, in der absoluten Stille der Nacht, welche nur von dem unterdrückten Schnarchen und scheinbar schmerzvollem Ächzen unterbrochen wird, bin ich entschlossen es zu versuchen.
Der Große hält Wache, das habe ich bereits realisiert. Anfangs war es der Kleine, mit welchem ich nicht reden möchte, aber der Große scheint wirklich ok und hat ja zuvor eindeutig versucht ein Gespräch zu starten.

Langsam löse ich mich von dem kleinen Bündel, befreie mich aus dem Schlafsack und lege diesen über ihn. Er wird sie beide bekommen, und die extra Socken, die Mütze, das Essen und meinen Schal. Der Fuß sieht schlimm aus, ist angeschwollen und auf jeden Fall heftig verstaucht, wenn nicht sogar angebrochen. Ich kann die Zehen noch bewegen, aber Gewicht darauf verlagern geht gar nicht.
Er lehnt an einem Baum, behält die Umgebung im Blick und jetzt, kurz bevor es dämmert, werde ich einfach mein Glück versuchen.

Es sind keine schlechten Menschen, das konnte ich aus ihren Gesprächen erfahren. Dieser Dar, oder wie auch immer er heißt, scheint sehr angespannt und das wegen der dritten Person. Als er alleine Wache gehalten hat und wohl annahm, dass ihn niemand hört, hat er sogar leise geweint. Das ist nicht ungewöhnlich in dieser Zeit, mir ist jeden Tag nach heulen, jede Stunde. Sie haben darüber diskutiert welche Straße sie als nächstes nehmen, was sicherer ist und verstecken sich ebenfalls. Außerdem essen sie Dosenfrüchte und kalte Ravioli, die noch nicht ganz abgelaufen und schlecht sind, was schon Mal etwas Positives hat. Scheinbar sind es keine Kannibalen.

Dass diese drei, wobei ich den Dritten noch nicht zu Gesicht bekommen habe, auch in den Süden wollen, scheint doch ein Wink des Schicksals, den ich nutzen muss. So leise es geht stehe ich auf, stemme mich mit einem Fuß ab und halte das Gleichgewicht an dem Baumstamm. Leise knistert die Plastikfolie, als ich unbeholfen auf dem einen Fuß hüpfe, mich dabei an den abgestorbenen Baumstämmen festhalte und diesem Tomis nähere. Er zuckt bereits zusammen, als ich noch einige Meter entfernt bin, dreht sich um und in dem bereits heller werdenden Dämmerlicht erkenne ich die Überraschung.

„Kann ich kurz mit dir reden?", frage ich einfach direkt, als wollte ich eine Audienz in seinem Büro. Er nickt, was mich erleichtert aufseufzen lässt und ich hüpfe ungeschickt weiter, zucke vor seiner Hand zurück, welche er mir sogar helfend hin hebt und er sie augenblicklich wieder sinken lässt, als er meine Reaktion bemerkt.
Es tut mir ja Leid, er scheint wirklich ein netter Kerl zu sein, aber ich lasse mich in dieser Zeit nur ungern von Männer berühren, das endet nicht gut. Das Misstrauen sitzt zu tief.

„Hast du dir den Fuß gebrochen?", fragt er gerade heraus und ich lehne mich gegen den Stamm, um mit den Schultern zu zucken.
„Ich weiß es nicht und deswegen...", beginne ich, werde aber von ihm einfach unterbrochen.
„Ich bin Tomis", wir sind gerade beim Weltuntergang live mit dabei und er hält sich noch an alte Floskeln, beinahe hätte ich aufgelacht, schüttle den Kopf und kann es nicht ganz fassen.
„Ich weiß", ist alles was ich dazu sage, räuspere mich, um einfach dieses leidige Thema zu überspringen und meine Bitte hervor zu bringen.

„Normalerweise stellt man sich dann auch vor", meinte er, wirkt dabei etwas trübsinnig und kratzt sich am Nacken. „Aber es ist schon lange nichts mehr normal", erklärt er es sich selbst, scheint deswegen bedrückt und sieht starr geradeaus, zwischen den toten Stämmen hindurch, zur verlassenen Straße.
„Könnt ihr den Kleinen mitnehmen?", platze ich heraus, wollte es ursprünglich etwas anders verpacken, aber ich glaube, dass er bereits bevor ich es gesagt habe, wusste, was ich will.
Er sieht weiter geradeaus und erwidert eine Weile gar nichts, atmet nur ein und aus, während es immer heller wird.

„Ob wir dein Kind mitnehmen können?", fragt er nun nach und ist natürlich nicht sonderlich begeistert. Wer will sich in solchen Zeiten auch um ein Kind kümmern?
„Ich weiß was du denkst und... es tut mir Leid. Ich wollte euch nicht bedrohen, also... doch, wollte ich. Ja, aber das wirst du wahrscheinlich verstehen. Es tut mir Leid, was mit euren Freunden passiert ist und eurem Kumpel.... Also...", rede ich drauf los und sehe ihn dabei flehend an. Dass sie anscheinend noch vor wenigen Tagen zu sechst waren, habe ich nur am Rande mitbekommen und will darauf nicht weiter herum reiten.

Kratzen am HimmelsrandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt