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Alle schlafen, selbst Daren ist schnell weg, was er allen durch sein Schnarchen mitteilen muss. Ein Wunder, dass er bis jetzt überlebt hat und auch sein Bruder, die Leiche, schlägt sich wacker. Er atmet, was heißt, dass er lebt. Bei ihm eine Glanzleistung.
Kaum dass es hell genug wird um die ersten Schemen zu erkennen überkommt mich die Neugier und das was ich nachts nur erahnt habe, dagegen stoßend, nimmt immer mehr Form an. Wir sind nicht im Wohn- sondern im Esszimmer gelandet, an der Wand steht ein langer Tisch, die Stühle wurden säuberlich hoch gestuhlt und dieses Bild der Ordnung hat beinahe etwas Tröstliches.

Tomis regt sich als erstes, streckt sich, gerade als ich beschließe mich etwas umzusehen und kriecht aus seinem Schlafsack. Gähnend schleicht er über die anderen hinweg und gesellt sich müde zu mir. Lediglich den Schal zieht er von seinem Mund und der dunkle Strubbelbart kommt zum Vorschein.
„Du siehst aus wie ein Taliban", ziehe ich ihn auf und er grinst, seine Zähne schimmern im herein fallenden, trüben Licht.
Vorsichtig schleichen wir los, es ist die ganze Nacht still gewesen, weswegen wir auch annehmen, dass jetzt nichts plötzlich passieren wird. Trotz allem sind wir wachsam, durchqueren das Esszimmer, um durch den Durchgang rechts in die Küche zu gelangen.

Mir verschlägt es etwas die Sprache und auch Tomis bleibt baff stehen. Es ist keine ultra moderne Küche, aber sie ist ganz, also, da steht ein Kühlschrank und eine Mikrowelle, ein Herd, die Schränke sind alle gut gepflegt und geschlossen, was wir natürlich als aller erstes ändern, nachdem wir uns von unserem Schock erholt haben, ändern. Auf allem liegt eine feine Staubschicht.
Augenblicklich fangen wir an nach etwas Essbarem zu suchen, die drei haben genau so wenig wie wir, was heißt, dass wir dringend Nahrung brauchen.

Teller, Tassen, Gläser, Besteck, Schüsseln, Unterteller und als ich Eierbecher finde muss ich doch lachen. Das ist alles so surreal und vor allem wir beide wirken völlig falsch in dieser Umgebung. „Nichts", stelle ich dann doch ernüchtert fest und auch Tomis seufzt, nachdem er die letzte Schranktür geöffnet hat. Selbst im Kühlschrank findet sich Luft im Übermaß und lediglich Gewürze wurden hinterlassen, zusammen gepfercht in einer Schublade.
Entschlossen beugt er sich darüber, kramt zwischen den Tüten herum und hält dann plötzlich strahlend ein Päckchen hoch. „Tomatensuppe", lese ich laut.

„Immerhin etwas", zieht Tomis die fünf weiteren Tüten hervor und ich humple voraus zurück ins Esszimmer. Er legt seine Beute auf den Esstisch, wir steigen über die noch Schlafenden hinweg und machen uns gerade auf zurück in den Gang zu laufen, um dort die anschließenden Zimmer zu erkunden, als sich eine der Gestalten regt.
Es ist die Leiche, dieser wimmert leise, versucht sich irgendwie hoch zu stemmen und Tomis ist augenblicklich bei ihm. „Bleib liegen J., ja, ist ok.", beruhigt er ihn und drückt ihn entschlossen zurück auf den Boden. Der Arme hat die Augen weit aufgerissen, sieht sich panisch um und schnauft viel zu schnell. Kaum dass er aber seine Umgebung realisiert wird er wieder ruhiger. Mein Taliban schließt wieder zu mir auf, reibt sich besorgt den Nacken und flüstert dann entschuldigend: „Alptraum."
Das haben wir wohl alle, da ist er nicht allein.

Der Gang läuft schmal zu, uns gegenüber liegt eine weitere Tür, hinter der ich einfach stark das Wohnzimmer vermute, eine Treppe führt nach oben und kurz davor ist noch eine Tür, die nur angelehnt ist. Das muss dann die Kellertür sein, durch welche der Knirps gekommen ist. Entschlossen öffne ich die Tür direkt vor mir, spähe vorsichtig und dabei die Luft anhaltend hinein, um wesentlich beruhigter in das großzügige Wohnzimmer einzutreten.
„Wir hätten eine bequemere Nacht haben können", ist das erste was Tomis sagt und ich kann ihm da nur zustimmen.

Unfähig wirklich etwas zu sagen sehe ich die Sofas an, die zusammen gefalteten Decken und vor allem den Kamin in der Ecke. Ein Kamin, ein echter Kamin, damit es einem warm wird und auch er ringt mit der Fassung, seine Augen glänzen.
„Lass uns weiter gehen", bringe ich heraus, nehme ihn entschlossen an der Hand, eigentlich um mich auf ihn zu stützen und meinen Fuß zu entlasten, und humple durch den Raum zur nächsten Tür. Sie ist schmaler, unscheinbar und überzeugt so etwas wie eine Toilette oder ähnliches zu finden, drücke ich die Klinke nach unten.

Kratzen am HimmelsrandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt