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Und dann sehe ich sie, wie sie hinter einem anderen Wrackteil weiter vorne versteckt sind, keine zehn Meter entfernt und mich starr beobachten. Tomis und Daren stehen beide dort, angespannt und bedeuten mir mich klein zu machen. Daren zeigt immerzu zwei Finger hoch und sie wirken erleichtert, dass ich sie endlich wahrgenommen habe. Beinahe hätte ich aufgeseufzt, froh dass es beiden gut geht, erinnere mich zu gut an unser erstes Treffen, nur dass es dieses Mal nicht so glimpflich ausgehen wird.
Tomis zeigt auf den Schläger am Boden, dann auf mich, tut, als würde er ihn aufheben und dann... gegen das Metall schlagen.

Entgeistert sehe ich ihn an, schüttle den Kopf, woraufhin beide hektisch nicken und Daren wieder die zwei Finger hoch zeigt, einmal direkt vor meiner Tür und anscheinend noch etwas weiter hinten. Ich halte die Luft an, schließe die Augen und versuche zu begreifen, zu verstehen, wieso ich das tun sollte. Ein Ablenkungsmanöver, ziemlich offensichtlich und erneut sehe ich mich um, obwohl meine Situation sich in den letzten Sekunden nicht gebessert hat und ich nach wie vor eingesperrt bin.
Schlussendlich und mit aufsteigenden Tränen, zitternden Händen und zusammengekniffenen Lippen bücke ich mich, hebe lautlos und wie in Zeitlupe den Schläger auf, um ihn unschlüssig in der Hand zu halten.

Ein Schritt, ich drehe den Schläger, zweiter Schritt, ich sehe auf, dritter Schritt, ich halte die Luft an, und als der nächste Schritt folgen sollte, schlage ich zu, ohne die Jungs noch einmal anzusehen. Vertrauen, ich bin darin wirklich schlecht. „Hei, warst du das", kommt es von weiter hinten, andere Schritte nähern sich, zwei Paar Füße, die nun direkt auf mich zu steuern, ich panisch zu Daren und Tomis sehe, welche mir bedeuten nach hinten und in die Hocke zu gehen. Eine Position in welcher ich einfach nur abgemetzelt werde, völlig schutzlos bin.
Unfähig etwas zu tun, klar zu denken, taumle ich zurück, lasse aus Schreck den Schläger fallen, über meine eigene Dummheit und bleibe am hinteren Rand, dicht in den Schatten gedrückt stehen.

Zwei Schatten tauchen auf dem Boden auf, kommen näher und treten schließlich um die Wand herum, um mich direkt anzusehen. Sie sind ausgezehrt, haben gelbe, dreckige Zähne, als sie anfangen zu grinsen, verschmierte Gesichter und wirken bösartig, wirklich bösartig. „Wen haben wir denn da", meint der eine, kehlig, aber etwas schief, sodass seine Stimme wie ein falsch gestimmtes Instrument wirkt.
Ich bekomme keine Luft, umfasse den Schläger fester, bin aber nicht dazu fähig zuzuschlagen, mich zu wehren, als sei ich in eine Schockstarre gefallen. Ich blinzle, diese zwei flackernden Schatten vor mir, unterdrücktes Keuchen und beide gehen ohne großen Lärm zu Boden.
Einer wehrt sich, einen anderen Leib auf sich, der seinen Hals umfasst und drückt, so lange zu, bis er sich nicht mehr rührt.

„Komm schon, komm schon, komm schon", dringt es irgendwie bis zu mir durch, als ich quasi hoch gezogen werde, mich etwas zusammen geduckt habe und nun mit gezogen werde. Hastig stolpern wir die wenigen Meter bis zur Gasse, noch scheint uns keiner bemerkt zu haben und nur langsam beruhige ich mich, realisiere, dass Daren mich an der Hand genommen hat und so sicherstellt, dass ich mitkomme. Dieser bleibt plötzlich stehen, bringt auch Tomis zum stehen und flüstert aufgeregt: "Ich lass ihn sicher nicht bei denen oder sonst wo. Wenn sie... ." Ach ja, fällt mir der eigentliche Grund wieder ein, weswegen sie überhaupt hier sind. "Jack ist im Haus", bringe ich atemlos heraus. Beide sehen mich skeptisch an. "Vertraut mir, er erklärts euch am Besten nachher selber", und das scheint beide tatsächlich etwas zu überzeugen, auch wenn man Daren die Zweifel ansieht.
Eben diesem entziehe ich vielleicht etwas zu wirsch meine Hand, vermisse die Wärme, habe dafür dieses komische Kribbeln in den Fingern, kaum dass die kalte Luft sie wieder in Beschlag nimmt.

Ihm werfe ich einen entschuldigenden Blick zu, als ich dann doch versuche das Tempo zu beschleunigen, bis eben soweit abgelenkt war, dass ich nicht einmal den stechenden Schmerz bemerkt habe, welcher meinen verletzten Fuß durchfährt.
Es ist schlimmer, viel schlimmer als zuvor und ich humple stärker, folge dicht auf, Tomis vor mir und hinter uns werden Stimmen lauter. So schnell wie nur möglich geht es durch die Gassen, zurück über den Hof, den kleinen Weg entlang und vor allem der Hang hat es in sich. Mir bricht der Schweiß aus, die Mischung aus Todesangst und Schmerz ist nicht gut für meinen Kreislauf und mir ist ganz schwindelig, so hart die Zähne zusammen beißend, dass mein Kiefer weh tut.

Kratzen am HimmelsrandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt