Prolog

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Liz war nicht eine dieser typischen Bitches, die heutzutage mit einer Tonne Schminke in der Fresse die Straßen mit den Billigdönerläden hinabstöckelten und laut kaugummischmatzend auf dem neuesten iPhone rumhackten. Sie mussten ja immer so fürchterlich laut das Handy bearbeiten; wozu hatten sie sonst die pinkfarbenen Monsternägel?

Sie war auch nicht eine Abwandlung dieser Spezies, ein Mädchen-Mädchen. Diese Art von junger Mensch verabscheute sie mehr als alle anderen Arten. Die Mädchen-Mädchen, auch gerne als Tumblr-Mädchen bezeichnet, liefen mit einem Pokerface durch die Gegend und stürzten sich zu Hause sofort ans Handy, um mit dem gleichen Pokerface ein "Heeey, meine Pupspandabäreinhöööörner, wie geeeehts euch Kjuties denn an diesem pizzaingz deeej? Haha, bin heute kräjzi af draaauf, brauche dringend Nutellabæ" auf Instagram hochzuladen.

Eine andere Sorte von Mädchen waren die Grunge-Mädchen, Liz ging ihnen am Liebsten aus dem Weg. Gut, manche hatten Ähnlichkeiten mit den Mädchen-Mädchen [Pokerface, andere Sorte von Bild mit anderer Sorte von tiefgründigem Text], doch die 'Möchtegern-depressiven Grunges' konnten sogar noch anstrengender sein. Sie hatten meist ein so unglaublich schreckliches Leben, dass die ganze Welt davon erfahren musste. Natürlich anonym im Netz, versteht sich, niemand von ihren Fake-Freunden sollte davon Wind bekommen. Davon abgesehen würden sie ja sowieso nie bemerken, wie schlimm es ihnen ging. Heul, heul.

Nein, Liz war keine Vertreterin dieser typischen Mädchen-Spezies. Sie war ein Mädchen, das es in der Generation YouTube und Internet kaum noch gab.

Liz war eine Rebellin.

Sie hatte eine Abneigung gegen alle möglichen Arten von Störungsfaktoren, sie war stets misstrauisch und darauf erpicht, nicht zu schnell Vertrauen zu schenken. Freunde fand sie überflüssig; die Menschen, die sich Freunde nannten, blieben sowieso nicht für immer. Bei jeder Art von Mädchen redeten sogenannte Freunde schlecht hinter seinem Rücken. Es gibt immer etwas auszusetzen, das war Liz klar. Und darum hatte sie es sich zu ihrem Motto gemacht.

Wenn an einem Tag plötzlich Weltfrieden, Gesundheit und keine Hungersnot herrschen würde, würden die Menschen spätestens bis zum Abend einen neuen Grund zum Streiten gefunden haben.

Liz hatte keine Freunde. Aber es gab einen Menschen, der sie so akzeptierte, wie sie war; ihr Vater Henry, den sie regelmäßig mit ihrem Dickkopf zur Verzweiflung brachte. Liz' Mutter war gestorben, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie dachte oft daran und stellte sich die Frage: Was wäre, wenn?

Würden sie dann in Berlin leben? Würde Liz die Schule besuchen, auf die sie ging - oder eher, die sie schwänzte? Hätte sie Geschwister? Einen anderen Charakter?

Bei der letzten Frage würde Liz völlig überzeugt "Nein" antworten. Doch wer wusste schon, was in dem Mädchen vorging? Niemand. Noch nicht einmal Henry.

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