5. Kapitel

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"Wieso zur Hölle passt ihr nicht auf?!"

"Es tut uns leid... Es kommt nicht wieder vor, ver-"

"Ihr könnt es euch nicht leisten, nicht aufzupassen! Niemand von uns kann es sich leisten, aber ihr am wenigsten. Habt ihr mal darüber nachgedacht, was das jetzt heißt?"

"Jetzt beruhige dich doch, Cameron."

Bird. Eindeutig. Ihre gelassene Stimme war mir in Mark und Bein übergangen, als würde ich diesem Mädchen schon seit Ewigkeiten zuhören.

Und den Namen Cameron hatte ich auch schonmal gehört. Aber wann? Es fiel mir einfach nicht ein. Außerdem brummte mein Kopf noch immer und verbot mir, klar denken zu können.

Ein lautes Stöhnen entfuhr mir, obwohl ich dem Gespräch gerne noch unbemerkt zugehört hätte. Aber sofort verstummten die Stimmen. Ich richtete mich langsam auf und rieb meine Augen. Während ich blinzelte, tanzten goldrote Flecken vor meinen Augen, die sich allmählich in Schatten verwandelten.

Erneut blinzelte ich, um auch die Dunkelheit zu vertreiben, doch dann realisierte ich, dass es Nacht war. Nacht. Und ich sah nichts.

Panik machte sich in mir breit. An welchen gottverlassenen Ort hatten mich diese seltsamen Menschen verschleppt? Was wollten sie von mir? Und zuletzt: Wer waren sie?

Mein Herz schlug so schnell in meiner Brust wie ein Vogel, der in seinem Käfig flatterte und unbedingt rauswollte. Erst jetzt spürte ich durch die vollkommene Stille, die nur ab und zu von dem Rauschen eines entfernten Autos gestört wurde, dass ich von allen Seiten angestarrt wurde.

Mein gesamter Körper war angespannt, bereit, aufzuspringen und blind in die Dunkelheit zu stürzen, nur weg von diesem Ort. In meinem Kopf malte ich mir die schlimmsten Szenarien aus. Was, wenn das alles nur ein Trick war? Wenn er irgendwie doch zu Bird und den anderen gehörte? Wenn sie das alles angeleiert hatten, um mich in diesem dunklen Eck irgendwo in Berlin umzubringen? Wenn sie Mitglieder einer mörderischen Sekte waren, die mich schon seit langem beobachtete?

Immer größer wurde die Angst, Opfer einer Verschwörung geworden zu sein, doch gleichzeitig sagte mir ein kleiner Teil Vernunft, dass ich wohl zu viele Krimis gelesen haben musste. Und dass Cameron vorhin sehr verärgert gewesen war, als er erfahren hatte, dass ich die drei an den Fahrradständern bei unserer Schule gesehen hatte. Aber das war nur ein sehr kleiner Teil. Im Nachhinein wünschte ich mir, er wäre größer gewesen, denn dann wäre mir das Folgende erspart geblieben.

Langsam, ganz langsam erhob ich mich. Lautlos. Ich wollte verschwinden, doch zuerst musste ich mich so unbemerkt wie möglich verhalten. Es waren nicht viele Stimmen gewesen, außer den dreien die ich schon kannte und diesem Cameron war keine mehr da gewesen. Klar, ich konnte nicht sicher sein ob nicht doch noch jemand anderes da war, dem war ich mir bewusst. Aber ich wollte mich unter keinen Umständen länger hier zwischen diesen Menschen befinden, denen ich keinen Zentimeter über den Weg traute.

Ein unsicheres Rascheln, gefolgt von einem gezischten "Sie bewegt sich!" ließ mich auf der Stelle erstarren. Nur ein paar Herzschläge verstrichen, dann griff ich zur letzten Möglichkeit, die ich noch sah: Aufmerksamkeit von außerhalb erregen.
Tief holte ich Luft. Und dann ging alles ganz schnell.

Ich weiß nicht mehr, was zuerst passierte. In dem Moment, in dem ich losschreien wollte, pressten sich zwei Hände von hinten fest auf meinen Mund, sodass ich nur ein ersticktes Keuchen zustande brachte. Gleichzeitig hörte ich vor mir ein leises Klicken und vier Taschenlampen auf einmal leuchteten mir ins Gesicht. Nur eine Sekunde lang sah ich die Personen dahinter, doch das Bild brannte sich für immer auf meiner Netzhaut ein.
Nach dieser einen Sekunde wurde ich zurück gerissen und sah wieder das mir allzu bekannte Schwarz, das einzige, was ich noch spürte, waren Schritte unter mir, die mich in die unendliche Dunkelheit trugen.

EinhornkotzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt