Alter Bekannter, neues Drama

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Der Flug zurück nach England war überraschend kurz. Ich hatte meine Hochzeitseinladung im Handgepäck und war erstaunt wie viel ¥en die beiden in ihre Vorbereitungen steckten. Es war eine Faltkarte mit Tauben, die zwei Ringe im Schnabel hatten. Der Schriftzug war kursiv und in goldener Tinte gehalten. Gut lesbar war es aber trotzdem: "Einladung zu unserer Hochzeit." stach dem Betrachter sofort ins Auge. Es war ein üblicher Text. Zeit, Datum, Ort. Mehr war nicht zu lesen. Aber ich mochte kurz gehaltene Briefe so wie so lieber und wie hieß es so schön: Weniger ist mehr!

Zurück in England schliefen Taichi und ich sofort ein. Der Flug war anstrengend gewesen und der ganze Weihnachtswirbel hatte uns sehr gestresst. Gegen zwei wachte ich kurz auf und das erste, das ich sah, waren seine geschlossenen Augen. Er strich vorsichtig eine widerspenstige Strähne aus seinem Haar und ein Glückshormon durchschoss meinen Bauch. Dass dieser gutaussehende und einfühlsame Mensch mir gehören würde, diese Tatsache konnte ich nur selten fassen, obwohl wir nun schon so viele Jahre zusammen waren. Es fiel mir schwer mit einem solch schönen und aufregenden Gefühl wieder ein zu schlafen, irgendwann geling es mir doch.

Es war halb sieben und draußen war es totenschwarz. Ich nippte an meinem Kaffee während ich die Hochtzeitseinladung ein weiteres Mal durchlas. Jun und Yoko heirateten. Ich erinnerte mich noch genau als Jun mir davon erzählt hatte. Es war glaube ich drei Jahre nachdem ich und sie Schluss gemacht hatten.

Zum Hanami Fest war ich extra nach Japan zurück gereist und nachdem ich mein Elternhaus betreten hatte, überfiel mich ein nostalgisches Gefühl. Es war schön mal wieder hier zu sein und mein Zimmer zu betreten. Ich blickte aus dem Fenster und mein alter Schulweg, lies viele Erinnerungen herein. Wie ein heftiger Windstoß, der im Herbst den Laubhaufen, den man zuvor erst mühsam zusammen gekehrt hatte, durcheinander wirbelte, kamen all die Gedanken an meine Highschool Jahre zurück. Damals waren Jun und Shiori noch das Paar der Schule gewesen. Ich konnte kaum fassen, dass die beiden sich kurz nach dem Abschluss getrennt hatten. Dennoch war es nicht unüblich, dass Highschool Beziehung nicht ewig halten würden. Natürlich hatte ich auch vor meinen besten Freund zu besuchen. Ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte nachdem er mir die Tür geöffnet hatte. Jun war mit seinem Studium so gut wie fertig, so hatte er nur den Bachelor machen wollen und trotzdem eine große Karrierechance nutzen können. Wir redeten über alltägliche und ungewöhnliche Dinge, da ich eine gewisse Spannung merkte. Er seufzte: "Natsumi, ich bin froh, dass du gekommen bist. Ich möchte dir etwas Wichtiges sagen." Er schluckte:" Es tut mir leid, was damals war. Ich war ja mit Shiori zusammen. Ein Mädchen, in das du total verliebt warst, das dir jedoch sehr weh getan hat. Du hattest nichts gegen diese Beziehung, obwohl es sicher sehr komisch gewesen sein muss. Ich... Ich glaube wir sind beste Freunde, weil wir viele Interessen teilen. Das ist nur leider nicht immer gut, vor allem wenn es um die Liebe geht. Ich weiß zwar, dass du mittlerweile eine ganz andere Neigung hast, aber du warst ja trotzdem eine lange Zeit mit Yoko zusammen." Er sah mich nicht an, sondern starrte zu Boden: "Weißt du, Yoko und ich sind jetzt ein Paar." Es erschreckte mich nicht und auch sonst fühlte ich nichts anderes, dass dieses Situation hätte zerstören können. Ich grinste, auch wenn Jun das nicht sehen konnte: "Was? Echt jetzt ? Seit wann ?" Überrascht blickte er auf. Man konnte in meinem Unterton deutlich erkennen, dass ich weder sauer noch verletzt war. Jun schien ein Stein vom Herzen zu fallen und er blickte erleichtert und mit roten Wangen zu mir: "Seit drei Wochen. Es ist einfach so passiert. Sie war zufällig auf meiner Studentenparty, weil eine Freundin von ihrer Uni von ihrem festen Freund, der mit mir zusammen studiert, eingeladen war. Ich habe mich total gefreut sie wieder zu sehen. Wir haben viel geredet und ich habe gemerkt wie reif sie geworden ist. Vielleicht lag es daran, aber ich denke der Alkohol hat auch eine Rolle gespielt, auf jeden Fall haben wir uns dann geküsst. Wir haben danach schließlich darüber geredet, auch über dich und Yoko war es wichtig, dass du als erstes davon erfahren solltest." Ich nickte: "Jun, wir sind alle reifer geworden, denke ich, auch wenn du schon immer etwas erwachsener warst. Ich freue mich für euch. Yoko wird mir immer wichtig sein, aber an erster Stelle steht Taichi und ich bin sicher, dass alles so sein hätte sollen. Ich werde die Zeit mit ihr nicht vergessen, und es war wirklich sehr schön, aber wie schon gesagt, ich weiß wen ich liebe und ich finde auch nicht, dass du deine, beziehungsweise eure Beziehung rechtfertigen musst. Es geht mich gar nichts an und ich möchte niemals in irgendeiner Weise ein Streitpunkt zwischen dir und Yoko sein, okay?" Ich lächelte und ich hatte ehrlich überhaupt nichts gegen dieses Verhältnis. Jun lächelte und mit einem guten Gefühl verabschiedete ich mich.

Taichi küsste mich und griff nach seiner Jacke: "Ich komme heute wahrscheinlich später nach Hause, Süßer. Kannst du was zu essen machen?" Ich legte die Einladung beiseite und meine Stirn runzelte sich: "Ich möchte nicht, dass du so kurz nach Weihnachten wieder so viel arbeitest." Er verdrehte die Augen: "Ich habe es dir schon mal erklärt. Wir brauchen jeden Cent. Seitdem mir mein Erbe ausgeschlagen wurde, muss ich neben den ganzen Fixkosten und Ausgaben auch sparen, damit wir in ferner Zukunft nicht ohne etwas da stehen. Die Wohnung hier kostet eine Menge Geld." Ich verschränkte meine Arme: "Dann ziehen wir halt um. Es wird doch sicher etwas Billigeres geben." Er stöhnte genervt: "Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Ich habe jetzt keine Zeit und auch keine Lust, dass auszudiskutieren. Wir sehen uns heute Abend." Die Tür fiel zu und erneut war er einem ernsten Thema ausgewichen. So machte er das immer. Der letzte Schluck Kaffee war normalerweise immer der bitterste, aber heute schmeckte ich gar nichts.

Es war nie gut sich schon morgens zu streiten, das wusste ich. Und besonders Ich war jemand, dessen restlicher Tag dadurch nur eine Katastrophe werden konnte. Auch Jayme, ein Studienfreund, besser gesagt der Beste den man haben konnte, merkte, dass etwas nicht stimmte: "Habt ihr euch wieder gestritten?" Ich nickte und mein Sandwich bekam den ganzen Frust zu spüren. Jayme wusste von meiner Beziehung und er akzeptierte das. Er war im Gegensatz zu mir groß, sportlich und hatte schöne, naturblonde Haare. Er war ein klassischer Engländer und pflegte nicht nur sein Aussehen, sondern auch den Umgang zu anderen. Ich war beeindruckt wie leicht ihm das fiel und fühlte mich auch ein wenig geehrt, dass er mit mir, einem langweiligen Typen, befreundet sein wollte. Etwas verängstig betrachtete er mein angebissenes Mittagessen: "Warum nutzt du nicht die Freistunden, um mit ihm zu reden? Dein ganzer Tag ist im Eimer, wenn du es nicht tust." Es musste wohl Schicksal sein, dass mein Chemie Kurs heute ausfiel, denn die Idee Taichi bei der Arbeit zu besuchen, gefiel mir sehr gut. Also machte ich mich nach Literatur auf den Weg zum Bahnhof. Die Fahrt dauerte zum Glück nie allzu lange und wenig später befand ich mich auf dem Campus seiner Universität. Ich kannte diese Hochschule schon fast so gut wie meine eigene und ging daher automatisch zum westlichen Eingang. Was wollte ich ihm eigentlich sagen? Es wäre sicher unklug das Thema "Arbeit" mit ihm bei seinem Arbeitsplatz zu besprechen. Ich entschied mich daher, ihn darum zu bitten, den Vorfall zu vergessen und das Abendessen zu planen. Sanft klopfte ich gegen seine Tür und nachdem ich ein schwaches "Herein" wahrgenommen hatte, öffnete ich sie. Er blickte von seinem Stapel Papierbögen auf und überrascht legte er seinen Stift beiseite: "Natsumi? Hast du nicht Unterricht?" Ich schüttelte meinen Kopf: "Ich habe zwei Freistunden und wollte nur mal sehen wie es dir geht..." Er lächelte schwach: "Es tut mir auch leid, was heute Morgen war." Ich nickte: "Ja weißt du ich-" Ein starkes Klopfen an der Tür unterbrach unser Gespräch und ein Mann meines Alters betrat ohne auf eine Antwort zu warten, den Raum. Er bemerkte mich vorerst nicht und hatte einen Ordner unter'm Arm. Er trug einen blonden Irokesen und eine schwarze Lederjacke, die mit vielen Stacheln und Ringen gepierct war. Er kam mir etwas bekannt vor. Taichi's Miene entspannte sich und aufrecht saß er auf seinem Stuhl: "Was gibt es denn Ryozo?" Ryozo ? In Japan ein nicht allzu seltener Name, aber dennoch irgendwie mochte ich ihn nicht. Er bemerkte nun auch mich und sein Blick blieb ein paar Sekunden an mir hängen. Während er mich musterte, runzelte er seine Stirn, als würde er stark nachdenken müssen: "Ähm... Ich wollte mir die Mitschrift von heute kopieren, geht das?" Taichi stöhnte: "Sie erscheinen sehr selten zu meinem Unterricht, die Prüfungen sind in einem Monat und auch sonst, die letzten Jahre haben sie nur knapp bestanden. Und jedes Mal kommen Sie zu mir um sich die Mitschrift zu kopieren? Natürlich habe ich das Angebot gemacht, aber ich fände es besser wenn jeder Student ganz individuell selbst und für sich persönlich mitschreibt. Das heißt, wenn dieses denn anwesend sind. Jeder lernt mit seiner eigenen Mitschrift am besten, das ist meine Meinung." Ryozo kaute einen Kaugummi und schien uninteressiert: "Ich komme wann ich will. Kann ich das jetzt kopieren?" Taichi schüttelte den Kopf und zog einen Bogen aus der Schublade. Ryozo grinste und verließ den Raum. Fragend sah ich Taichi an: "Du magst ihn nicht besonders, was?" Er war erneut in seine Arbeit vertieft und sah mich nicht mal an: "Als Dozent muss ich neutral gegenüber jedem meiner Studenten sein. Privat haben wir ja nichts mit einander zu tun. Aber ich möchte natürlich, dass keiner meiner Schüler durchfällt. Bei ihm könnte das jedoch leicht passieren." Ich versuchte nicht mehr darüber zu reden und wir einigten uns auf Ofenkartoffeln für das Abendessen.

Teacher's Boy 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt