Lucia saß am gedeckten Frühstückstisch in der großen Halle. Müde biss sie in ihr Toast und hörte zum hundertsten Mal die Geschichte, wie Harrison Collister Helena zu Slughorns Abendessen eingeladen hatte.
Lucia gähnte herzhaft.
„Interessiert es dich nicht Lu? Ich kann auch still sein.", Helena neben ihr zog einen Schmollmund.
„Nein Quatsch, natürlich interessiert es mich!", verteidigend fuchtelte Lucia mit ihren Händen vor sich herum. Das verträumte Lächeln schlich sich wieder in Helenas Gesichtszüge während sie erneut den anderen schilderte wie toll Harrison doch sei.
Lucia war als müsste sie brechen.
Natürlich freute sie sich für ihre Freundin.
Lucia hatte herausbekommen das Helena bereits seit zwei Jahren hinter dem jungen Mann her war, doch dieser bis jetzt kein Interesse an ihr gezeigt hatte.
Doch milderte die Tatsache, dass sie schlussendlich doch mit Tom Riddle zu dem Essen gehen würde, anstatt mit Abraxas Malfoy, ihre Freude.
Seit ihrer Absage war Abraxas' Verhalten ihr gegenüber kühler geworden. Er lächelte sie nicht mehr an und grüßte auch nur noch nebenbei.
Ein Seufzen kroch über Lucias Lippen, das jedoch keiner hörte.
Lucia hörte das aufgeregte Flattern von Flügeln und richtete ihren Blick nach oben. Die Eulen strömten durch die Fenster herein und steuerten ihre Besitzer oder Empfänger ihrer Post an.
Lucia sah aus ihrem Augenwinkel, wie gleich zwei Eulen sie ansteuerten. Ein großer grauer Waldkauz landete anmutig neben ihr auf der Bank doch die klein geratene weiße Schleiereule landete tollpatschig direkt auf ihrem Toast.
Lucia musste grinsen.
„Hey, du bist wohl etwas vom Kurs abgekommen was?", fragte sie die kleine Eule und half ihr sich von der Marmelade zu befreien. Der Blick der Eule verfing sich in ihren Augen und Lucia bemerkte wie intelligent diese wirkten.
„Würdest du niemanden gehören, würde ich dich behalten.", flüsterte Lucia lächelnd und nahm dann das kleine Paket ab, das die Eule mitgebracht hatte.
Nach einem Stück getrocknetem Kürbis breitete sie ihre Flügel wieder aus und flog davon. Auch der Waldkauz, der ihr einen Brief gebracht hatte, verschwand schnell wieder.
„Ein Liebesbrief?", kam es neugierig von Leandra und Lucia errötete.
„Nein das ist die Bekanntgabe von Slughorn, wann sein Abendessen stattfindet!", erklärte Helena neben ihnen die auch einen Brief erhalten hatte und diesen bereits geöffnet und gelesen hatte.
Lucia öffnete mit einem Messer den stilvollen Umschlang der mit der grünen Schlange Slytherins verziert war.
~ Sehr geehrte Ms. Collister,
Ich freue mich Ihnen mitteilen zu können das ich sie zu einem Abendessen in meinem Büro einlade.
Es findet am 26.3. statt, sie dürfen gerne eine Begleitperson mitbringen.
Ich freue mich auf ihre Anwesenheit bis dahin mit besten Grüßen
Horace Slughorn ~
Langsam legte sie den Brief beiseite und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus, das Leandra und Walburga sich verdächtig nahe an sie heran lehnten.
Fragend zog sie die Augenbrauen hoch und bemerkte wie Helena auf das Päckchen deutete, das die kleine Schleiereule gebracht hatte. Doch spürte sie im gleichen Moment den kalten Blick, der sie streifte.
Widerwillig sah sie auf in Toms Gesicht, der ganz leicht, so dass nur sie es merkte, seinen Kopf schüttelte.
„I-ich packe das später aus.", erklärte Lucia ihren Freundinnen stammelnd und legte das Päckchen in ihre Umhangtasche.
Wut stieg in ihr auf, 'Jetzt hat er selbst mich schon im Griff' dachte sie und zweifelte an sich selbst.
Sie spürte genau wo das Päckchen lag, es kam ihr glühend heiß vor.
'Warum schenkt Tom mir etwas? Und vor allem was?', strömte es fragend durch ihren Kopf und ihr war klar das sie sich an diesem Tag nicht auf den Unterricht konzentrieren können würde.
Mittlerweile hatte sich im Slytherin Haus herumgesprochen, dass Lucia mit Tom zu Slughorns Abendessen gehen würde und überall wo sie war, wurde sie merkwürdig angesehen.
„Oh Danke Abraxas!", tönte Catherines Stimme über den Korridor, in dem sich das Klassenzimmer für Zauberkunst befand.
Die vier Mädchen bogen gerade um die Kurve und sahen wie Catherine Abraxas in die Arme fiel.
Lucia spürte einen Stich direkt im Herz und schnappte kurz nach Luft.
Helena hatte dies gemerkt und flüsterte so leise das nur Lucia es hören konnte: „Ich habe dich gewarnt!".
Wie mechanisch fing Lucia an zu nicken und spürte das Helena ihr tröstend eine Hand auf die Schulter legte.
Mittlerweile zeigte Catherine ihrer blonden Freundin Hanna Bullstrode, das Abraxas ihr anscheinend etwas geschenkt hatte.
Abraxas bemerkte die Mädchen erst jetzt und wich Lucias Blicken aus. Sie wusste das er immer noch gekränkt über ihre Absage war, doch musste es wirklich Sie sein?
Es tat ihr wirklich Leid als sie ihm sagen musste, das sie nicht mit ihm zum Abendessen gehen konnte. Sie erklärte ihm auch das sie mit Tom gehen musste, das sie keine Wahl hatte. Auch wenn sie keine Gründe nennen konnte, schien er sie etwas zu verstehen.
Trotzdem war er in seinem Stolz verletzt und eigentlich hätte sie verstehen müssen, das er dann jemand anderes fragen würde.
'Aber warum ausgerechnet sie?', fragte sie sich etwas leidend und beäugte das schwarzhaarige Mädchen.
Noch nie hatte Lucia so etwas wie Eifersucht gespürt, doch jetzt nagte es direkt an ihrem Herzen. Sie wäre wirklich gerne mit den blonden jungen Mann zu dem Essen gegangen. Er war der Erste Junge, zu dem sie sich hingezogen fühlte, der dies anscheinend sogar erwidert hatte.
Natürlich war ihr klar, das es nichts bringen würde und das es sie in ihrer Aufgabe hindern würde ... Doch mit sechzehn waren die Gefühle nun einmal unkontrolliert.
So kompliziert.
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