fünfzehn [Cara's View]

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Mit einem schmerzhaften Lächeln betrat ich den Zug. Innen, trottete ich langsam zu meinem Platz über den mit rotem Teppich belegten Boden. Als ich mich niedergelassen hatte, setzte sich mein Zug in Bewegung. Ist das richtig? Ist es richtig wieder nach Hause zu fahren? Ihn alleine zu lassen? Meine Gedanken spielten verrückt, mein Herz, ebenfalls. Ich hatte keine Ahnung was gerade richtig ist. Irgendwo, fühlte sich das Ganze hier auch so falsch an. Verloren in meinem Kopf, schaute ich hinaus. Der Zug wurde immer und immer schneller. Plötzlich erkannte ich einen jungen Mann auf dem Bahnsteig, welcher verzweifelt gegen den Zug haute. Erst nach ein paar Sekunden bemerkte ich, dass es Iron war. Panisch sprang ich auf und schaute ihn an, wie er dem Zug hinterher rannte. Ich lief zu einer Tür und schlug mit Gewalt gegen sie. Ich will zu ihm. Er kam meiner Tür immer näher und ich kniete mich hin und legte meine Hände auf die Glasscheibe, die mich von ihm trennte.
"IRON!" Schrie ich und langsam stiegen Tränen in meine Augen. Ich will nicht nur zu ihm...Ich muss zu ihm! Nach wenigen Sekunden hatte er die Scheibe ebenfalls erreicht und legte für einen Moment seine Hand gegen meine. Ich schaute nur auf sein Gesicht. Sein Mund formte ein paar Worte, welche ich versuchte zu entschlüsseln.
'Cara! Steig bei der nächsten Station aus.'
Hastig nickte ich und hatte das Verlangen seine Finger zu greifen. Es war nicht möglich. Dann blieb er am Ende des Bahnsteiges stehen. Ich presste mein Gesicht an die Tür um ihm noch weiter nachzuschauen. Als er sich umdrehte und in die andere Richtung rannte, fasste mich jemand an meiner Schulter an. Aus Reflex wischte ich mir mit meinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht.
"Miss? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?" fragte ein Mitarbeiter der Bahn. Augenblicklich schüttelte ich meinen Kopf.
"Nein...nein alles okay." Schniefte ich und der Mann half mir auf. Er brachte mich wieder auf meinen Platz.
"Sagen Sie, wenn Sie etwas brauchen." Dann verschwand er. In meiner Nähe saß niemand, vor mir auf dem Tisch lag eine Zeitung von Heute. Aus Langeweile schlug ich sie auf. Der erste Artikel, der mir ins Auge sprang war ein ganz besonderer.
'Paris. Mitte fünfzig jährige Frau auf offener Straße erschossen'

Gestern Nachmittag wurde in Paris, in der Nähe der Av. Kléber, eine Hotelbesitzerin, auf offener Straße erschossen. Der Täter konnte fliehen und wird noch gesucht. Bei dem Opfer handelt es sich um Lydia Jannsen. Das Mordmotiv konnte noch nicht festgestellt werden. Laut der Polizei ist der Mann Mitte sechszig und Brittischer Abstammung. Die Frau könnte nicht das einzige Opfer bleiben.'
Geschockt brach ich das Lesen ab. Seine Mutter ist nicht gekommen. Sie wollte kommen. Sie war tot. Alle Härchen auf meinem Körper stellten sich auf. Ein Gefühl, dass mir gefolgt worden war, breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Jemand hatte uns die ganze Zeit verfolgt! Ich zog mich auf den Platz neben mir, näher an den Gang heran. Dann richtete ich mich auf und streckte mich noch ein wenig mehr, um über die Sitze vor mir zu schauen. Der Gang war, bis auf eine kleine Gruppe von Frauen und Männern leer. Trotzdem schaute ich mich alle paar Minuten um. Die Zeitung steckte ich unauffällig in meinen Rucksack. Zum Glück dauerte die Fahrt nicht mehr lange und sobald die nächste Haltestelle angesagt wurde, packte ich alles zusammen und stand auf.
Nach zwei weiteren Minuten wurde der Zug immer langsamer und langsamer. Ich konnte es nicht mehr erwarten und suchte ihn schon während der Einfahrt. Doch nirgends erblickte ich sein Gesicht. Mit einem Zischen öffneten sich die Türen. Stürmisch lief ich drauf los.
"Cara." rief die mir sehr bekannte Stimme aus der Richtung des Ein- und Ausganges. Ich drehte mich um und fing an zu laufen, sowie er auch. Er lächelte und sobald wir nur noch eine Armlänge voneinander entfernt waren, zog er mich feste an sich und ich sprang auf seine Hüften. Seine Lippen berührten meine und ich vergriff mich in seinen Haaren.
"Cara. Ich weiß wer du bist. Ich kann mich errinern." flüsterte er. Meine und seine Stirn stützen sich. Am liebsten würde ich für immer so bleiben und nie mehr ohne Iron sein.
Ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen. Langsam ließ er mich auf den Boden. Mit einem
Schlag kam mir der Mordfall wieder in den Sinn.
"Wir müssen sofort hier weg. Vertrau mir. Ich erzähle es dir später, aber wir müssen unbedingt so schnell wie möglich hier weg." Verwirrt schaute er mich an.
"Schnell!" Befahl ich. Plötzlich vernahm ich Schreie hinter uns dann einen Schuss. Die Hand die bis eben mit meiner verschränkt gewesen war glitt aus meinem Griff.
Als ich mich umdrehte, erblickte ich einen schwankenden alten Mann, der eine Waffe in seiner rechten Hand hielt. Iron, lag regungslos vor mir. Ich ließ mich auf die Knie fallen und beugte mich schützend über ihn.
Aus der Schusswunde trat immernoch Blut. Ich konnte es nicht stoppen. Nichts von ihm regte sich, außer seine Haare, die leicht im Wind wehten. Hasserfüllt blickte ich den alten Mann vor mir an. Abartig lachend hob er seine Waffe in die Höhe und winkte mir mit seiner anderen Hand zu. Ein Schlüssel lag darin. Ein Autoschlüssel. Er war es. Er war es die ganze Zeit gewesen! Der Wagen mit dem wir die ganze Zeit fuhren, seiner. Iron's Vater lachte noch einmal bevor er sich die Waffe an den Kopf hielt und abdrückte...

Ich saß auf dem kalten, steinigen Boden bis zum späten Abend. Nachhause wollte ich nicht. Nur hier sitzen. Mehr nicht.
Ich umklammerte Iron immer noch bis die Notärzte ihn von mir trennten...

15 Jahre später...
Ich wälzte mich im Bett herum und schlug meine Augen auf. Erschreckt umklammerte ich den Mann an meiner Seite.
"Albtraum?", fragte er leise.
"Jap. den selben wie immer!", seufzte ich.
"Hör zu Cara, süße! Ich bin da auf dem Bahnsteig nicht gestorben.", erklärte er mir zum hundertsten Mal.
"Ich weiß. Wieso auch immer stelle ich mir andauernd vor, dass nachdem ich aus dem Zug ausgestiegen bin dein Vater dich tötet und...", er unterbrach mich lächelnd.
"Dieser verfluchte Mistkerl hat meine Mutter getötet und sich selber erschossen. Aber ich bin noch hier! Er hat mich nicht getroffen sondern gestreift!", ergänzte er kurz, dennoch mit einer verzweifelten Stimme.
"Iron?"
"Ja, Cara?"
"Ich liebe dich.", flüsterte ich und berührte meinen Ehering.
"Ich weiß doch, süße! So...", setzte er an und sprang aus unserem Bett auf.
"Ich bringe jetzt die Kinder in die Schule. Bis heute Abend!", er drehte sich nochmal um.
"Ich liebe dich auch!", sagte er noch bevor er die Treppe hinunter rannte und rief.
"Josh, Liza! Wir müssen los! Ich warte im Auto!"
Ein Lächeln umspielte meine Lippen.
Ich war glücklich.

HighlandboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt