Hey Jude

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Castiel saß am Fuße des Motelbettes, in dem Dean nun nur noch schlief. Zumindest spürte er nicht mehr, dass er ohnmächtig war. Er sah ihn für eine sehr lange Zeit besorgt an, bis er aufstand und zum Kopf des Bettes ging.

Deans Augen bewegten sich hastig unter den geschlossenen Lidern. Er schien wieder von Albträumen geplagt zu werden; er riss seinen Kopf hin und wieder ruckartig auf die andere Seite und seine Hände zuckten unaufhörlich.

Er rief hektisch, sogar schon gehetzt: "Hilfe! Cass! CASS! Hilf mir! Hol mich hier raus! Hilf mir!", sein Hilfeschrei ging in ein Wimmern über, "Bitte hilf mir..."

Er hatte ihn schon wieder. Diesen Albtraum, in dem er sich in der Hölle befindet und verzweifelt nach Hilfe ruft. Dieser Traum lies ihn immer wieder rückblendenartig die Angst und Agonie aus jener Zeit in der Hölle durchleben. Zwei Jahre dürfte es mittlerweile her gewesen sein, dass er ihn aus der Hölle gerettet hatte, ging es Cass durch den Kopf.

Er hob seine Hand, küsste seine Fingerspitzen und legte diese sanft auf Deans Lippen. Dieser schien sich allmählich zu beruhigen; auch sein Atem wurde ruhiger.
Leise - kaum hörbar - sang Castiel:

"And any time you feel the pain
Hey Jude, refrain
Don't carry the world upon your shoulder
For well you know that it's a fool
Who plays it cool
By making his world a little colder"

Er sah ihn eine zeitlang wehmütig an ehe er ging und Dean wieder alleine ließ. Er wollte nicht, aber er musste.

Als Dean aufwachte, bemerkte er erstaunt, dass es bereits nach 13 Uhr war und stand auf, verweilte aber noch etwas auf der Bettkante sitzend und den Kopf auf die Hände gestützt. War das wirklich passiert, was er erlebt hatte oder gehörte das auch zu einem konfusen Traum?

Mit einem Seufzen stand er auf und sah sich im Zimmer um. Er setzte sich an den kleinen Tisch, startete den Laptop und überprüfte währendessen die leeren Bierdosen auf deren Inhalt und fand in der vierten Dose noch einen kleinen Rest, den er mit einer kurzen Bewegung seine Kehle hinunter schüttete.

Nachdem der Laptop hochgefahren war, durchsuchte er sämtliche News Pages auf verdächtige Aktivitäten in seiner Nähe, wurde aber nicht fündig.

Er erhob sich seufzend, klappte den Laptop zu und ging zum Kühlschrank, um sich etwas zu trinken zu holen.

Wie lange wollte er noch von dieser Flüssignahrung leben? Als Bestätigung fing sein Magen an zu knurren, was wie das letzte Aufbäumen eines sterbenden Blauwals klang. Es wurde also Zeit, etwas zu essen. Am besten Burger, dachte er sich.

Im Auto legte er das Album Point Of Know Return von Kansas in den Kasettenrecorder und skippte solange, bis er bei Nummer 7 war. Dust In The Wind. Wie er diesen Song liebte. Außerdem brauchte er gerade etwas Ruhiges zum runterkommen.

Der Verkehr war ruhig und außer ein paar Anhaltern gab es nicht Bemerkenswertes zu sehen. Diese Gegend hier ödete ihn an.

In dem Fastfood Restaurant bestellte er zwei Burger, eine große Portion Pommes und eine große Cola. Er setzte sich an einen Tisch am Fenster, von dem aus er den Impala im Blick hatte, dessen schwarzer Lack das Sonnenlicht reflektierte und den Wagen anmutig aufleuchten ließ.

Ohne den Blick von seinem Wagen abzuwenden begann er: "Hey Sammy-", er sah auf die gegenüberliegende Bank und hörte auf zu sprechen, als er feststellen musste, dass Sam dort nicht saß. Wie lange war es schon her, dass sie nicht mehr gemeinsam jagten? Ein Jahr? Anderthalb? Er hatte keine Ahnung. Trotzdem wollte er sich während des Essens immer noch mit ihn unterhalten. Dieser dämliche Streit über eine Nichtigkeit, an die er sich jetzt nicht einmal mehr erinnern kann. Vermutlich ging es wieder darum, dass er den Willen seines Vaters gerecht werden wollte, Sammy aber nicht. Sie stritten sich ja andauernd deswegen; wahrscheinlich war es dieses mal auch so.

Er sah auf sein Handy; nur um festzustellen, dass weder Sammy noch Bobby angerufen hatten. Diese Einsamkeit und das ständige Warten auf etwas, das nie passieren würde, würde ihn eines Tages noch um den Verstand bringen. Sein Verstand war wahrscheinlich ohnehin schon hinüber. Doch der Vorfall vorhin im Motel war Lucifer zuzuschreiben. Wie konnte er mit Dean Kontakt aufnehmen? Sollte er nicht eigentlich in seinem Käfig irgendwo in der Hölle festsitzen? Und was wollte er von Sam? Wenn er doch nur jemanden fragen könnte, was hier eigentlich abgeht. Aber für gewöhnlich war er es, der derartige Fragen beantwortete.

Als er mit dem Essen fertig war, beschloss er, sich mit neuen Vorräten einzudecken. Er fuhr zu einen dieser Grocery Stores, die rund um die Uhr geöffnet hatten, obwohl er auch in einen ganz normalen Supermarkt hätte gehen können; schließlich was es hellichter Tag. Doch es gab dort wenig Menschen, das Sortiment war begrenzt, was den Einkauf beschleunigte und er musste sich nicht mit irgendwelchen Menschen unterhalten, die nach dem Standort von irgendwelchen Produkten fragten. Verdammt, er arbeitete doch nicht dort, woher sollte er das denn wissen?

Nachdem er seinen Einkauf beendet hatte, stieg er in den Impala, stellte die große braune Papiertüte auf den Beifahrersitz und fuhr los. Nach circa fünf Minuten hört er ein bekanntes "Hallo Dean" von der Rückbank. Er zuckte zusammen und lenkte seinen Wagen fast in den Straßengraben, bevor er stehen blieb. Dieser Mistkerl. Mit seinem Dämonenmesser in der Hand, das er vom Beifahrersitz gegriffen hatte, drehte er sich um und hielt Crowley, der auf dem mittleren Sitz der Rückbank saß, dieses an die Kehle. Mit einem amüsierten Lächeln und einem tadelnden Schnalzen der Zunge schob er das Messer mit zwei Fingern vorsichtig von sich weg.

Engel Der Vernichtung (Supernatural FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt