Lykanthropie

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Nach einer Stunde und zwanzig Minuten kam er bei Sam an. Er hatte sich wahnsinnig ins Zeug gelegt und vielleicht würde bald ein Strafzettel für überhöhtes Tempo bei ihm ankommen.

Sam stand vor dem Gebäude an sein Auto gelehnt und blickte auf die Straße, die zu diesem Haus führte.

Dean stieg aus und ging auf Sam zu. Als Sam ihn bemerkte stand er ebenfalls auf und kam ihm entgegen.

"...Danke, dass Du gekommen bist. Ich weiß, unser Streit war nicht schön, aber was Bobby zugestoßen ist, betrifft auch Dich", fing Sam an.

"Versöhnen können wir uns später noch. Jetzt kümmern wir uns erst einmal um das, was Bobby erledigt hat", gab Dean abweisend zurück. Er wollte nicht zugeben, dass er nichts lieber tun würde, als sich hier und jetzt mit seinem Bruder zu versöhnen.

"Für mich sieht das nach einem Angriff von einem oder mehreren Lykanthropen aus", informierte ihn Sam.

"Das kannst Du woran festmachen?"

"An den Biss- und Kratzspuren. Und daran, dass sein", er musste eine kurze Pause machen und sich wieder fangen, bevor er fortsetzte "Herz fehlt. Es schien brutal herausgerissen worden zu sein. Das war kein schöner Anblick, glaub mir. Dazu war es Bobby. Unser Bobby."

"Also spare ich mir diese FBI-Nummer, da Du das offensichtlich schon erledigt hast", bemerkte Dean trocken, obwohl er selbst den Tränen nahe war, angesichts der Tatsache, dass ihre Vaterfigur nun auch tot ist. Erst ihre Mutter, dann Jess, danach ihr Vater und jetzt auch noch ihr Ziehvater. Langsam hatte er den Eindruck, dass ihre Familie verflucht sein; auf welche Weise auch immer. Jeder, der den beiden Brüdern nahestand, ist früher oder später eines grausamen Todes gestorben.

Während Dean mit den Gedanken ganz woanders war, erklärte Sam, dass er dies getan habe, als Dean sich auf den Weg gemacht hatte.

"Dann sollten wir diese Dreckskerle ausfindig machen und zur Hölle schicken. Also, wo sollen wir anfangen?"

"Bobby war in einer Bar und wurde offensichtlich auf dem Heimweg angegriffen. Ich habe die Adresse", sagte er, während er sein Notizbuch aus der Hosentasche angelte und darin blätterte, bis er die gesuchte Seite gefunden hat, "und würde sagen, wir sprechen einmal mit den Gästen dort.", nach einer kurzen Pause fügte er hinzu "...Ähm, fahren wir mit Deinem Wagen?", und versuchte damit, Dean entgegenzukommen und ihren Streit unter den Teppich zu kehren.

Zögernd, obgleich er auch auf eine Versöhnung mit seinem Bruder aus war, bestätigte er, dass sie seinen Wagen nehmen werden.Er hatte den Eindruck, dass keiner von beiden ihren Streit gewollt hatte und sie beide einfach wieder Brüder sein und gemeinsam jagen wollten. Wohlbefinden breitete sich in ihm aus.

Sie stiegen beide in den Impala ein. Dean startete den Wagen, schaltete das Radio ein, in dem gerade "Back On The Road Again" von REO Speedwagon lief und fuhr los. "Wie passend", dachte er zynisch.

"Cass war bei mir", begann Dean nach zwanzig schweigsamen Minuten, die lediglich von dem Radio durchbrochen wurden, in dem bekannte Rock Klassiker gespielt wurden und aus dem jetzt eine von Elvis' lockeren Melodien drang.
Trotz ihrer von beiden Seiten angedeuteten Entschuldigungen konnte sich bisher niemand überwinden, irgendein Thema anzuschneiden.

"Ja? Was wollte er?", fragte Sam. Sollte er erwähnen, dass Gabriel des Öfteren bei ihm war? Aber das würde Dean weder interessieren noch weiter helfen.

In Deans Stimme war Ernst: "Sam, Lucifer ist wieder frei. Oder zumindest hat er freie Hand, weswegen er mit mir Kontakt aufgenommen hat."

"Aber wieso mit Dir? Bin ich nicht eigentliche seine Hülle?", wollte Sam wissen.

"Ja eben. Aber nachdem er mit einem Psychoterror ausgesetzt hat, habe ich von Cass erfahren, dass er womöglich durch mich an Dich herankommen will. Möchte mich als Druckmittel nutzen oder sowas."

Sam klang aufgebracht: "Was will dieser Mistkerl schon wieder hier?"

"Naja, 'hier' trifft es nicht ganz. Auch Crowley hat mir später noch einen Besuch abgestattet. Offensichtlich macht Lucifer ihm seinen Rang streitig. Also ist in der Hölle gerade die Hölle los", er musste sich ein Grinsen angesichts des schlechten Wortwitzes verkneifen.

"Alter, wirklich? Der war echt schlecht." Sammy grinste jetzt auch.

Wie hatte er es vermisst. Nur er, sein Bruder und Amerikas endlose Straßen, die in der brütenden Hitze der hochstehenden Sonne flimmerten. Er fühlte sich zum ersten Mal seit langer Zeit frei. Und glücklich.

"Hey, hier musst Du rechts abbiegen", unterbrach Sam Deans Gedankengänge.

"Warum ist Bobby überhaupt so weit gefahren, um in eine Kneipe zu gehen? Etwa eine Dame?" Dean untermalte seine Vermutung mit einem anzüglichen Grinsen.

"Halt die Klappe und park ein."

"Bitch", war Deans Antwort darauf, während er den Impala geschickt in einer Parklücke abstellte.

"Jerk."

Sie stiegen beide grinsend aus, schlossen die Türen beinahe synchron und gingen in Richtung des Eingangs. Bevor sie das heruntergekommene Gebäude betraten, sahen sie sich noch um, nur um festzustellen, dass der Parkplatz zwar voll belegt war, aber weder Menschen davor standen, noch dass der für eine Menschenmenge dieser Größe übliche Geräuschpegel zu vernehmen war. Welche Kneipe befand sich irgendwo im Nirgendwo, hatte einen vollen Parkplatz, aber keine Gäste?

Als sie das Lokal betraten, bot sich ihnen das vermutete Bild; lediglich an zwei kleinen Tischen saß jeweils ein einzelner, nicht weniger schäbig als die Kneipe aussehender, Mann, der die Antwort auf alles auf dem Boden eines nahezu geleerten Glases einer vermutlich verdünnten Spirituose zu suchen schien.

Die zwei Brüder gingen zur Theke und bestellten sich jeweils ein Bier.

"Hey", fing Dean an, die Barkeeperin anzusprechen, "zwei Bier bitte"

Mit einem kurzen: "Kommt sofort, Jungs" zapfte sie zwei Bier ohne jeglichen Schaum uns stellte sie vor Dean und Sam.

Dean fing an zu sprechen: "Gibt es einen Grund, weswegen der Parkplatz so voll ist, aber hier drinnen noch weniger Leben herrscht als in einem Bestattungsinstitut?"

"Die haben alle Angst. Oder leben nicht mehr", war die lakonische Antwort seitens der Barkeeperin.

"Wow, Moment mal. Diese ganzen Autos gehören ... Toten?", wollte Sam geschockt wissen.

Die Barkeeperin goss sich selbst einen Kurzen ein, "Mehr oder weniger. Der Großteil ist in den letzten zwei Wochen verschwunden und wurde erst tot von der Polizei wiedergefunden. Die anderen trauen sich nicht einmal mehr in die Nähe von diesem Gebäude, nicht einmal, um ihre Autos abzuholen, die sie nach einem ordentlichen Gelage hier stehengelassen hatten, außer", sie machte mit ihren Kopf eine Bewegung in Richtung der beiden Männer, ehe sie das Schnapsglas an ihre Lippen setzte und dessen Inhalt hinunter kippte, indem sie den Kopf in den Nacken warf; danach stellte sie das Glas auf die Theke. Mit dem Handrücken wischte sie sich über den Mund und fuhr fort: "Die Probleme dieser beiden scheinen schlimmer zu sein als das, was da draußen lauert."

Sam, der inzwischen sein Notizbuch und einen Stift herausgekramt hatte, fragte vorsichtig: "Und was lauert ihrer Meinung nach da draußen?"

"Ich weiß es nicht. Aber es ist irgendetwas, das die Menschen brutal verstümmelt und ihnen danach das Herz herausreißt. Ich glaube, da draußen sind gefährliche Tiere unterwegs."

Dean warf Sam einen bedeutungsschwangeren Blick zu. Dieser nickte nur.

Die Barkeeperin aber lehnte sich noch über die Theke, ehe sie flüsternd hinzufügte: "Ich weiß nicht, ob ihr mich jetzt für verrückt haltet, aber ihr kennt doch bestimmt diese Geschichten von den Werwölfen. Nicht diese Twilight-Kuschel-Werwölfe, sondern die richtigen, blutrünstigen Bestien."

Dean beugte sich nun auch vor und flüsterte: "Wir halten Dich nicht verrückt. Im Gegenteil, wir glauben Dir sogar Deine Theorie."

Engel Der Vernichtung (Supernatural FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt