Avery: Mein Leben

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„Avy! Jetzt warte doch mal! Was war denn jetzt gestern?" Sofia kam hinter mir den Flur entlang gejoggt.

„Ich will nicht drüber reden!" knurrte ich und riss meine Spindtür auf.

„A-aber Luca war doch auch bei der Klassensprecherversammlung!"

„Na und?! Das heißt doch nicht, dass da was war! Du weißt ganz genau, dass ich keine Chance bei ihm habe, als reib's mir nicht auch noch unter die Nase!" Ich riss meine Spindtür auf und kramte genervt in meinem Heftehaufen herum.

„Ist ja gut... Beruhig dich mal."

Ich atmete tief aus und sah sie an. „Sorry. Es war nichts. Er hat mich nicht mal angeschaut."

„Oh..." Sofia sah mich mitleidig an.

„Bitte - Es ist okay."

Sie nickte stumm und öffnete ihren Spind, der neben meinem war.

„Und wie war's bei dir? Wie war das Date mit Chris?" Ich versuchte, mich zusammenzureißen und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mich traf, das Luca mich ganz offensichtlich nicht mal wahrnahm.

„Es war echt toll! Er hat ein Picknick gemacht und dann sind wir zusammen an den Fluss gefahren und haben die Füße reingestreckt. Er kann so toll zuhören und ich hab mich total wohl gefühlt!" Sie lächelte versonnen und ich unterdrückte einen Seufzer. Das war inzwischen der 3. in diesem Monat, von dem Sofia sprach, als wäre er perfekt. Sie hatte aber auch einfach Glück. Alle Jungs flogen auf sie und sie konnte sich dann aussuchen, mit wem sie ausgehen wollte. Ich war leider nicht so erfolgreich. Bisher hatte ich nur eine Beziehung, die grade mal 2 Monate gedauert hatte. Der Typ, er hieß Marvin, hatte mich sitzen gelassen, weil ich noch nicht mit ihm schlafen wollte. Inzwischen war er mit der Schulschlampe Nummer 1 zusammen und tatsächlich, sie passten echt verdammt gut zusammen. Allerdings besserte das meinen Ruf auch nicht gerade auf, dass meine Nachfolgerin eine Schlampe war.

„Avery? Hallo?" Sofia sah mich fragend an.

„Äh, ja, wow! Klingt echt gut! Du... äh, ich muss jetzt in Mathe! Wir sehen uns!" Zum Abschied winkte ich Sofia nochmal und machte mich auf den Weg zu meinem Klassenzimmer. Ich weiß, ich war wirklich keine tolle Freundin, aber ich konnte es einfach nicht mehr hören. Warum war das Leben so unfair? Sofia sah aus wie ein Topmodel, war unglaublich intelligent und wohnte mit ihren total netten und verständnisvollen Eltern in einer Villa. Ich dagegen war grade mal durchschnittlich. Ich konnte mit meine Haaren machen, was ich wollte, sie standen immer ab. Meine Haut war auch nicht grade schön, meine Hüften waren zu breit und im Gegenzug fehlte mir obenrum etwas. Ich schrieb zwar mehr oder weniger gute Noten, aber wirklich intelligent war ich nicht und mit meinen Eltern stritt ich momentan fast jeden zweiten Tag. Sie waren aber auch seltsam manchmal... Langsam sollten sie doch merken, dass ich nicht mehr das Kleinkind vom Kindergarten war und auch mal selbst Verantwortung übernehmen konnte! Wenn ich wenigstens ein eigenes Bad hätte und sie mal anklopfen würden, bevor sie mein Zimmer betraten, würde ich vielleicht auch nicht so schnell sauer werden und wir würden uns weniger streiten. Aber es war nun mal, wie es war. Wir lebten zu viert, mit meinem Hund Twix sogar zu fünft, in einer winzigen Wohnung ganz oben unterm Dach. Naja, das war eben mein Leben und ich musste das Beste daraus machen, was ging. Und ich konnte ja auch Vorteile daraus ziehen, dass Sofie so reiche Eltern hatten. Im Sommer zum Beispiel konnte ich mich mit ihr an ihren eigenen Pool legen und musste nicht stundenlang an der Freibadkasse anstehen, nur um mich dann in ein vollgequetschtes Schwimmbecken, in dem mehr Menschen als Wasser waren, zu buxieren.

„Fräulein Madigan? Es wäre sehr nett, wenn sie nun mir ihre Aufmerksamkeit witwen würden, statt irgendetwas in ihr Heft zu kritzeln, was sowieso keinen interessiert."

Um mich herum fingen einige an zu kichern. Peinlich berührt starrte ich auf den Text, den ich gerade in mein Notizbuch geschrieben hatte. Ich konnte gar nichts dagegen tun! Wenn ich ein gutes Thema hatte, musste ich einfach schreiben! Mein Hand fing an zu kribbeln und ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Und wenn ich dann mal angefangen hatte, nahm ich nichts mehr um mich herum war. Auch nicht, wenn der Unterricht begann. „Ja, Frau Lorets. Tschuldigung."

„Dankeschön. Und jetzt Ruhe!" Meine Mathelehrerin drehte sich wieder zur Tafel um und schrieb irgendwelche seltsamen Formeln auf, die ich sowieso nie verstehen würde. Scheiß Tag!

Just kiss herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt