Oliver: Überraschung

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Aufgeregt ging ich vor Avery's Tür auf und ab. Hoffentlich war sie nicht sauer! Man, ich hatte total verpennt, mach ihrer Adresse zu fragen! Erst als Joris nochmal alles mit mir durchgegangen war, war es mir aufgefallen. Ich war doch so ein Pfosten! Aber warum war sie bloß nicht ans Handy gegangen? Eine Festnetznummer hatte ich ja leider auch nicht. Nicht mal ihren Nachnamen wusste ich! So eine Scheiße! Dabei hatte ich alles so gut durchgeplant. Ich hatte mir extra etwas Besonderes einfallen lassen, um sie doch noch irgendwie umzustimmen. Schließlich hatte nun auch Luca seine Finger im Spiel. Er hatte Avery ebenfalls nach einem Date gefragt, soweit ich das aus der Entfernung hatte erkennen können. Und so wie sie gestrahlt hatte, war ihre Antwort sicher ja gewesen.

Ich seufzte. Langsam wurde ich unruhig. Warum machte denn keiner auf? Ich zerquetschte den Strauß Rosen in meiner Hand noch ein bisschen mehr. Die Blumen waren welk und ließen ihre Köpfe hängen. Kurzerhand warf ich den ganzen Strauß in die Mülltonne, die praktischerweise direkt neben mir stand und roch, als wäre sie zwei Wochen nicht geleert worden. Plötzlich ging die Tür auf und... Avery stand da. Der berühmte Wow-Effekt blieb allerdings aus. Obwohl. Sie sah schon irgendwie wow aus. Aber leider nicht unbedingt im positiven Sinne. "Oh." war das einzige, was ich heraus brachte.

"Hi." antwortete sie müde. "Lust, auf nen Film?"

Etwas verdutzt sah ich sie an. "Okay? Also, puh. Klar."

Sie trat zur Seite und ich ging etwas perplex durch die Tür. Okay, so hatte ich mir das nicht unbedingt vorgestellt. Warum hatte sie eine Jogginghose an? Hatte ich irgendeinen Trend verpasst? Die Jogginghose war das neue Ballkleid oder so? Ich runzelte die Stirn. Von Kleidern hatte ich nicht viel Ahnung, aber sogar ich betrachtete das als eher unwahrscheinlich.

Seufzend ließ sich Avery aufs Sofa fallen und starrte auf den Boden. "Ich dachte, du kommst nicht. Hab nicht auf mein Handy geschaut, habs irgendwie verlegt. Irgendwann hab ich das Warten dann aufgegeben und naja... Ich war so wütend dass ich mich umgezogen und abgeschminkt habe, weil ich dachte, du kommst sowieso nicht mehr. Habs grade eben wiedergefunden und die Nachrichten gelesen. Naja. Irgendwie... echt scheiße gelaufen." Sie versuchte es mit einem Lächeln, was ihr allerdings gründlich misslang.

Und schon wieder brachte ich nicht mehr als ein "Oh." heraus.

"Tut mir leid. Das mit Ball wird wohl nichts mehr." Sie sah auf die Uhr und ich folgte ihrem Blick. 20:21 Uhr. Etwas enttäuscht sah ich zu Boden. Den ganzen Weg hier her hatte ich mir ausgemalt, wie geil Avery in einem richtigen Ballkleid aussah, wenn sie mich in einem einfachen Blümchensommerkleid schon so umgehauen hatte. Doch plötzlich wurde mir die Absurtheit dieser Situation erst wirklich bewusst und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Es wurde immer breiter und irgendwann fing ich lauthals an zu lachen.

"Ich weiß ja nicht, was daran so lustig sein..." Avery sah mich an und prustete auch los.

Und so saßen wir beide nebeneinander auf dem Sofa, ich im Anzug und Avery in Jogginghose und Schlabbert-shirt und lachten über diesen Scheiß und unser Schicksal, dass uns mal wieder so maßlos im Stich gelassen hatte. Wie konnte man nur so bescheuert sein? Wir waren beide Schuld, beide einfach nur unfähig. Aber falls wir jemals zusammen Enkelkinder haben sollte, hatten wir wenigstens etwas zu erzählen.

Nachdem wir uns einigermaßen beruhigt hatten, sah ich sie an. Sah in ihre wunderschönen Augen und dachte an den Ratschlag, den Joris mir noch gegeben hatte.

Was du auch wieder für einen Scheiß verzapfst. Im Notfall, küss sie einfach.

Jaja, der hatte leicht reden.

"Es tut mir echt leid... Ich glaube, so willst du nicht mehr mit mir ausgehen, oder?" Avery sah beschämt an sich herunter.

Ich grinste sie schief an und dann warf ich einfach alle Zweifel über Bord. Und küsste sie. Einfach so. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören. Und es war das beste Gefühl der Welt. Naja, nur am Anfang. Ich hätte mir vielleicht vorher überlegen sollen, wie man eigentlich küsste. Reichte es denn nicht, dass eine Beziehung so unglaublich schwierig war? Musste das Küssen dann auch noch so verdammt kompliziert sein? Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt mit meinen Lippen oder meiner Zunge anstellen sollte.

Avery löste sich grinsend von mir. Sie hatte es bemerkt. Verdammt. "Noch nie geküsst?"

"Hm... Ne. Nich so wirklich." Ich spürte, wie meine Wangen mal wieder rot anliefen und ich verfluchte meinen hohen Blutdruck. Als wäre diese Situation nicht auch so schon peinlich genug!

"Entspann dich einfach." sagte sie lächelnd. Und dann drückte sie ihre Lippen wieder auf meine und legte ihre Hände in meinen Nacken. Vorsicht schlang ich meine um ihre Hüfte und zog sie näher an mich heran. Auf einmal bewegten sich ihre Lippen. Erst ganz langsam und dann immer schneller. Und ich machte einfach mit, auch als sie vorsichtig an meiner Unterlippe kaute und sanft mit ihrer Zunge meine streifte. Eigentlich war es doch gar nicht so schwer.

Just kiss herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt