Ein Klopfen an der Tür ließ sie aufhorchen.
„Lad? Bist du da?", Xanthas Stimme drang durch das Holz der Tür und sie ging hinüber, um es sie hereinzulassen.
„Wo sollte ich sonst sein?", erwiderte sie und hob eine Braue, angesichts von dem Strahlen, das in Xanthas sommersprossigen Gesicht lag, „Hab ich was verpasst?"
„Er hat mich gefragt", das Grinsen wurde noch breiter, „Edwin hat mich gefragt, ob ich ihn heirate und mit ihm in seine Heimat zurückkehre. Ich habe Ja gesagt."
Lad klappte der Mund auf und sie schnappte nach Luft wie ein Karpfen an Land. Nun fiel ihr auch der Ring auf, der, da er viel zu klein war, an Xanthas kleinem rechten Finger steckte.
Xantha ging an Lad vorbei und ließ sich auf deren Bett nieder. Ohne Aufforderung begann sie zu erzählen: „Ich bin mit ihm in die Küche gegangen, um ihn zu fragen, was er möchte. Er sagte, er hätte gern etwas Süßes und da hab ich ihn gebeten Feuerholz für den Ofen zu holen und als er weg war, habe ich den Teig vorbereitet. Ich wartete dann eine Weile und er kam schließlich wieder. Mein Kuchen brannte leider ein wenig an und ich habe Zucker und Salz verwechselt. Ich dachte mir nur: 'Oh nein, er wird enttäuscht sein!', aber dann ging er plötzlich vor mir auf die Knie und hat mich gefragt." Ihre Wangen glühten vor Aufregung und ihre funkelnden Augen lagen auf Lad, die sich neben ihr niedergelassen hatte.
„Das ist...", Lad fehlten die passenden Worte. Erneut war sie hin- und hergerissen zwischen Freude und Neid.
„Wundervoll? Fantastisch? Atemraubend?", schlug Xantha vor.
Lad nickte langsam: „Alle drei und noch viel mehr. Das ist die beste Neuigkeit des Tages! Ich freue mich sehr für dich." Sie schlang die Arme um Xantha, die lachend die Umarmung erwiderte.
Sie war froh, dass Xantha ihre Augen nicht bemerkte, die den Blick zum Tisch schweifen ließen. Zum Schwert, das dort seit Jahren ruhte und Wehmut lag in ihrem Herz.
So begann es also und das Fest, das Merenwen und Lad für ihre gemeinsame Freundin ausrichteten war ein prächtiges. Sie luden die nettesten Leute aus dem nahen Dorf ein und schmückten den Bereich um den See, wo die Feier stattfand, mit Rosen aus Merenwens Garten. Alles verlief wunderbar und niemand bemerkte das Wölfische an Merenwen oder Lads spitze Ohren, die jene unter einem großen Hut verbarg.
Selbst Lad hatte sich für diesen Anlass in ein Kleid gezwängt und die Braut bewundert, die für viele schon viel zu alt zum Heiraten gewesen sein mochte, denn sie war beinahe dreißig. Dennoch sah Xantha bezaubernd aus in ihrem beigen Kleid und den Rosenblüten im geflochtenen Haar.
Fast zehn Jahre, so lange waren sie bereits Freunde und seit mindestens acht Sommer davon lebten sie in Merenwens Schloss. Eine Träne stahl sich in Lads graue Augen, als sie Xantha und Edwin zum Abschied umarmte, denn sie brachen auf in Edwins Heimatstadt.
„Passt auf euch auf", flüsterte sie mit gebrochener Stimme. Xantha lächelte ihr so warm zu, wie sie es all die Jahre kannte. Das sommersprossige Gesicht, die Stupsnase und die dunklen Augen, bereits von Lachfalten umzeichnet.
„Mach dir keine Sorgen, Lys, wir werden uns wiedersehen", sie nutzte mit Absicht Lads alten Namen und strich sanft über deren Wange, bevor Edwin sie aufs Pferd hob und sich hinter sie setzte.Unter dem Jubel der Leute ritten die beiden davon. Nach und nach löste sich auch die Feier auf. Die Gäste strömten die breite Straße hinunter ins Dorf und Merenwen hatte sich zurückgezogen, um in Ruhe den Tag ausklingen zu lassen.
Am Ende fand sich die junge Elfe allein am Ufer des Sees wieder. Sie streifte die feinen Schuhe von den Füßen, raffte die Röcke des Kleides und tauchte die Füße ins erfrischende Nass. Die Sonne ging unter und es wurde kühler.
Ihre Gedanken waren noch bei Xantha und Edwin. Sie wünschte ihnen alles Glück der Welt.Ein Rascheln im Schilf hinter sich ließ sie aufhorchen und sich daran erinnern, dass sie bereits bis zu den Knien im Wasser stand und der Stoff des Kleides sich langsam vollgesogen hatte.
„Wer ist da?", fragte sie laut und blickte sich nach dem Urheber des Geräusches um.Zu ihrem Erstaunen trat eine hochgewachsene Frau mit wildem roten Haar aus dem Schilf. Sie war gekleidet wie ein Waldläufer in Hosen aus verschiedenen Tierledern und einem weiten Hemd, das von einem ledernen Wams zusammengehalten wurde. Um die Brust lag der Riemen, der einen Köcher am Rücken vermuten ließ, passend zu dem langen Bogen, den sie in einer Hand trug.
„Seid mir gegrüßt, Lad í Sathil", erhob die Fremde ihre melodische Stimme und deutete eine Verneigung an.
„Woher wisst Ihr, wer ich bin?", Lads Stimme klang verwirrt. Sie musterte die Frau genauer, erblickte Elfenohren, die aus den roten Wellen hervorlugten, doch konnte sie schwören, sie hatte sie noch nie gesehen.
„Ich weiß viel über Euch", erwiderte die Fremde und ein Lächeln kräuselte ihre Lippen, als Lad ihren Weg zurück zum Ufer ging. Der Stoff des Gewandes schwer von Wasser. Amüsiert musterte sie ein Paar tiefblauer Augen, die aus einem ebenen Gesicht mit markanten Wangenknochen stachen.
Argwöhnisch erwiderte Lad diesen Blick und rückte mit der Hand den großen Hut gerade. „Was wollt Ihr von mir?"
Sie wünschte, sie hätte das Schwert dabei gehabt, doch auf einer Feier wie heute, trug man keine Waffen. Es sei denn natürlich, es sei eine ungeladene Elfe, die nach Ende aller Dinge auftrat.
„Ich wurde geschickt, um Euch zu sagen, dass Ihr zurückkehren müsst. Zurück nach Aurenien, woher Ihr stammt. Eure Familie braucht Euch in dieser Stunde", die Elfe lächelte unentwegt und folgte ihr übers Gras bis zu der Stelle, an der sie ihre Schuhe gelassen hatte.
Als das Wort 'Familie' fiel, wirbelte Lad herum und funkelte die Fremde an. „Meine Familie ist hier! Die anderen starben im Feuer.", ihre Stimme war rauer als sie es selbst gewohnt war. Sie räusperte sich, ehe sie fortfuhr: „Und was die anderen angeht, so gaben sie mich her und suchten nie nach mir, warum sollte ich sie also aufsuchen wollen?"
„Weil sie dachten, Ihr seid tot, doch Ihr steht hier vor mir in aller Größe", die Ruhe in ihrer Stimme ließ Lad die Fäuste ballen. Wie konnte sich diese Elfe anmaßen so mit ihr zu reden? Zu behaupten, dass irgendjemand noch da draußen war und nach ihr Ausschau halten würde? Für sie war das Thema Aurenien ein für alle mal abgehackt.
Wütend wandte sie sich ab, ergriff ihre Schuhe und raffte den schweren Rock, um zum Schloß zu gehen. Die Schritte hinter ihr verrieten, dass ihr die Elfe folgte.
„Ihr habt gesagt, was Ihr wolltet. Was nun?"
„Ihr seht Eurer Schwester sehr ähnlich, nur habt Ihr das Haar Eures Vaters.", die Elfe blieb hinter ihr stehen und sie spürte den musternden Blick in ihrem Rücken.
Eine Schwester? Lad riskierte einen Blick über die Schulter. Diese Tatsache war ihr fremd. Sie wusste nur, dass ihre leiblichen Eltern sie als Baby weggeben hatten.
Warum sollte nun nach all den Jahren, den vielen Jahren, die sie von Aurenien weggegangen war, auf einmal jemand kommen und sie bitten zurückzukehren?
Die Rothaarige verzog keine Miene, doch las sie in Lads verblüfften grauen Augen. „Ihr wusstet es nicht? Eure Schwester ist Liadan, Kommandantin der Reiter-Turma und glaubt man dem, was erzählt wird, so hat sie die Hoffnung, dass Ihr noch lebt, nie aufgegeben.", die Stimme klang nun eindringlicher, „Sie bedarf Eurer Hilfe, Lad. Nur Ihr allein könnt Ihr beiseite stehen." Sie trat einen Schritt näher heran und fixierte Lad, die einen guten Kopf kleiner war, mit ihrem Blick. „Erinnert Euch, wo Ihr hingehört. Dies hier mag Euer Zuhause gewesen sein für ein paar Jahre, doch Ihr gehört nach Aurenien zu Eurem Volk, unserem Volk, den Fai."
Lad blinzelte und schüttelte energisch den Kopf: „Ich habe kein Volk."
„Doch, das habt Ihr", die Elfe streckte die Hand aus, um sie ihr auf die Schulter zu legen, doch sie wich ihr aus. Ihre Miene war kalt geworden und ebenso kühl war ihre Stimme: „Dann kennt Ihr mich wohl doch nicht so gut, wie Ihr meintet."
Etwas in ihrem Blick ließ die Elfe zurückschrecken und die Hand senken. Zum ersten Mal zeichnete sich eine Regung in ihrem Gesicht ab und fror das Lächeln auf ihren Lippen ein.
„Ich verstehe", entgegnete sie leiser, „Verzeiht, dass ich Euch zu nah getreten bin. Ich dachte nur, vielleicht sehnt Ihr Euch auch danach, Eure wahre Familie kennenzulernen." Sie trat einen Schritt zurück, ließ ihr Gegenüber dabei keine Sekunde aus den Augen.
„Da habt Ihr falsch gedacht. Sie bedeuten mir nichts", in Lads Stimme schwang Bitterkeit mit, „Ich wünsche Euch eine gute Reise, wo auch immer sie hingehen mag."
Die Elfe nickte knapp und verneigte sich, entfernte sich, ein paar Schritte rückwärts gehend, ohne den Blick abzuwenden, ehe sie sich umdrehte und vom nahen Wald verschluckt wurde.
Lad blickte ihr hinterher und seufzte tief. Damit hatte diese Fremde eine Wunde aufgerissen, die nie ganz verheilt war. Natürlich wollte sie ihre Familie kennenlernen, wollte herausfinden, warum man nicht nach ihr gesucht hatte und warum man sie hergegeben hatte.In Gedanken versunken öffnete sie die schwere Tür. So bekam sie nicht mit, dass sie von der Ferne noch beobachtet wurde.
Das Paar tiefblauer Augen folgte ihrer Bewegung, versteckt aus dem Wald heraus. Ein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Lippen und sie folgte dem Pfad bis zu der Stelle, an der ihr Begleiter mit ihren Pferden wartete.
„Sie wird nach Aurenien reisen", jubilierte sie, als sie ankam und die Gestalt betrachtete, die vor ihr stand. In einen weiten Umhang gehüllt, das Haupt von einer Kapuze verborgen, die einen Großteil des Gesichtes in Schatten tauchte. Von Bewegung und Stimme war es ein Mann, der mit ihr gereist war und ihr den Auftrag gegeben hatte, abzuwarten, bis sie Lad allein antraf, um sie nach Aurenien zu locken. Der Vorwand und die Methode waren ihm gleich, die Hauptsache war, dass es geschah. Seine behandschuhte Hand strich über den Hals des Rappen, auf dem sie geritten war. Das zweite Pferd stand daneben mit dem Zaumzeug an einen breiten Ast gebunden.
„Seid Ihr sicher?", seine Stimme war tief, rau und er würdigte sie keines Blickes, „Habt Ihr eine wörtliche Zustimmung erhalten?"
„Nein", ihre Stimme war leiser geworden und sie ließ den Blick über den Boden schweifen, ehe sie rasch aufsah, „Aber ich habe sie beobachtet und ihre Miene verriet mir, dass sie es tun wird."
„Dann hoffe ich, dass dem so ist", er erhob die zweite Hand und vollführte eine winkende Geste.
Ihre Brauen wanderten nach oben, als sich ein Mann aus dem Schatten löste. Ein Mann gekleidet mit einer schwarzen Rüstung, dunkler Haut und weißem Haar. Sie erkannte ihn augenblicklich als Skalaner. Ihre Hand fuhr hoch und erfasste einen Pfeil im Köcher.
„Na, na. Begrüßt man so seinen neuen Reisegefährten?", erklang die Stimme des ersten Mannes spöttisch, „Allerdings, haben wir ein kleines Problem, wie ich feststellen muss."
Sie fuhr herum und blickte zur vermummten Gestalt.
„Wir haben nur zwei Pferde, aber sind zu dritt", die Stimme war unheimlich ruhig und jagte ihr einen Schauer über die Haut.
„Das könnt Ihr doch nicht", hauchte sie und sah wie gelähmt zu, als der Skalaner näher kam und sie mit einem Arm packte. Flink verdrehte er ihr diesen auf dem Rücken und zwang sie in die Knie. Panisch funkelten ihre Augen hoch zu ihrem Auftraggeber, der ihr einen kurzen Blick auf sein Gesicht gewährte, da er in die Hocke ging und ihr Gesicht mit zwei Fingern unter ihrem Kinn, anhob.
„Ich kann und ich werde. Tu hast deine Pflicht erfüllt, zu mehr bist du nicht von Nutzen.", ein süffisantes Lächeln und er erhob sich in fließender Bewegung, wandte sich an den Skalaner, „Entledige dich ihrer. Sie ist nur unnützer Ballast."
„Wie Ihr wünscht", der Skalaner zog, ohne die Miene zu verziehen, einen Dolch und setzte diesen in ihrem Nacken an.
„Nein! Das dürft Ihr nicht! Ich war Euch doch immer treu ergeben!", ihre Stimme war verzweifelt. Kein richtiges Schreien brachte sie zustande, mehr ein weinerliches Kreischen und Tränen liefen über ihre Wangen.
Der Mann raffte den Umhang zusammen und wandte noch ein letztes Mal das Wort an sie: „Aber ich habe es bereits getan."
In diesem Moment durchbohrte die Klinge ihren Stamm und sie brach, des Lebens beraubt, zu Boden.
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Aurenien Tales
Viễn tưởngDie Fai von Aurenien und die Skalaner liegen seit Jahrhunderten im Krieg. Lad hatte eigentlich nicht vor, jemals wieder einen Fuß in dieses Land zu setzen, doch als sie die Fragen nach ihrer Herkunft quälen, wird sie in etwas verstrickt, das größer...