Die Vergangenheit: I

8 2 0
                                    


Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Wand eines Hauses. Ihre spitzen Ohren lagen verborgen unter einem Tuch und einem großen Hut, den sie zum Schutz vor der Sonne aufgesetzt hatte. Die Luft flirrte, so heiß war es, obwohl der Zenit längst überschritten war und das Leben nach der Mittagsruhe wieder in die Gassen und Straßen der Stadt einkehrte. Es war eine Oase in der Wüste. Eine Stadt, die Schnittpunkt für ein buntes Sammelsurium an Völkern war. Eigentlich würde sie kaum auffallen, doch sie behielt ihre Ohren dennoch lieber verdeckt.

Amüsiert verfolgte sie das muntere Treiben der Leute, die aus ihren Häusern traten oder von weiter oben kamen, um zum Markt zu gehen.

Darunter auch er, der Elf, den sie schon öfter gesehen hatte. Er trug eine dunkle, matt glänzende Rüstung, deren Anblick sie fragen ließ, wie heiß ihm wohl darunter war.

Da passierte es, dass seine Augen die ihren trafen und er, ohne den Blick von ihr zu nehmen, sich einen Weg durch die Menge auf sie zu bahnte.

Lad war verwirrt, als er vor ihr stehen blieb und sie eingehend musterte.

„Wer bist du?", fragte er sie ohne einen Gruß. Einfach so. Direkt und mit einem Ausdruck der Neugierde in den Augen.

„Man nennt mich Lys Feu", antwortete sie und verzog den Mund zu einem Lächeln. Die Sonne blendete sie, als sie in sein Gesicht hoch sah und ihre Augen tränten.

Sie beobachtete, wie er den Namen stumm mit den Lippen formte und nickte. Dann wandte er sich ab und verschwand in der Menge aus der er gekommen war.

Niemals hätte sie sagen können, was genau es war, dass ihr Herz ein paar Takte schneller klopfen ließ und ihre Finger feucht werden. Er war so direkt gewesen und dann gegangen, als hätte er sie nur auf einer unsichtbaren Liste vermerkt.

Sie folgte ihm nicht, sondern stand nur dort, sah ihm verblüfft nach. Ihr Herz raste und sie fühlte wie die Röte in ihr Gesicht schoss. Nicht die Röte, die zu viel Sonne verursachte auf ihrer hellen Haut, sondern eine andere, die auch ein Lächeln in ihr Gesicht zauberte, das den restlichen Tag über nicht weggehen wollte.

Auch nicht, als sie am Abend in die Herberge kam, in der sie sich als Kellnerin verdiente.

„Guten Abend!", Xanthas vergnügte Stimme drang an ihre Ohren, „Du bist spät, Lys. Ich dachte schon, ich müsse alles allein machen." Mit diesen Worten warf sie Lad eine Schürze zu und balancierte Krüge und Suppenteller, die bis zum Rand gefüllt waren, durch den vollen Raum, der vom Lärm der Gäste erfüllt war. Sie fing die Schürze auf und band sie um, eilte zu den Tischen, um die leeren Teller einzusammeln. Ihr Blick folgte dabei aus den Augenwinkeln Xantha, ihrer Freundin, die als einzige in dieser Stadt ihren wahren Namen kannte und von ihren spitzen Ohren wusste, denn sie teilten sich auch eine Unterkunft. Nicht einmal ihm hatte sie heute ihren Namen verraten, sondern nur den genannt, unter dem sie bekannt war: Lys Feu.

Sie lächelte noch immer unentwegt und nicht einmal, als ein Gast sie anfuhr, da sie seinen halbvollen Bierkrug mitnehmen wollte, änderte etwas daran.

Xantha bemerkte den verträumten Blick in Lads Gesicht und zog sie, als die letzten Gäste das Haus verließen, freiwillig oder durch gutes Zureden, beiseite. „Sag mir, Lys, warum lächelst du so sehr? Du hast einem Herrn Wein übergeschüttet und der Wirt beschloss dir den Lohn zu kürzen, doch du hast nur genickt und gelächelt. Was ist passiert?", fragte sie und musterte Lad mit neugierigen Augen.

„Ich weiß es nicht", Lad lachte und spielte mit ihrem Haar herum, was sie sonst nie tat. Sie ging die Treppe hinauf in ihre gemeinsame Unterkunft und ließ sich auf ihr Lager aus Stroh und Decken fallen. Für mehr reichte es nicht, doch sie waren beide zufrieden, wie es war. Ihr Blick wanderte zur Decke und sie schloss die Augen. Sein Gesicht erschien ihr und sie seufzte tief, sich fragend, ob sie ihn wiedersehen würde.

Aurenien TalesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt