Die Vergangenheit: II

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„Hast du geübt?"
Seine Stimme vermochte es, dass sich ihre Nackenhaare sträubten. Lad wirbelte herum und blickte in die dunklen Augen des Elfs, der ihre Finger schwitzig werden ließ.
„Du?", brachte sie heraus und lächelte verlegen. Ihre Zunge fühlte sich bleischwer an. Auch an diesem Tag hatte sie ein Tuch um ihren Kopf geschlungen und behielt ihre spitzen Ohren verborgen vor der Welt und somit auch vor ihm.
„Ich wusste nicht, dass du mir in den Westen folgen würdest, Lys Feu. Hast du mit dem Schwert geübt, wie ich es dir gezeigt habe?", er beugte sich vor, um sie eingehend zu mustern.
Sie spürte, wie ihre Wangen sich röteten. Sie brannten regelrecht. Rasch senkte sie den Blick und sein raues Lachen klang an ihre Ohren.
„Ja, ich habe geübt", nuschelte sie und wagte es kaum den Blick zu heben. Mit seiner schlichten Feststellung, hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Sie fühlte sich wie ein Kind, das man erwischt hatte, wie es etwas Verbotenes tat, weil sie ihm gefolgt war. Es war eine Weile her, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. Xantha hatte seither die Rolle ihres Übungspartners übernommen, doch war ihre Freundin niemand, der kämpfen gelernt hatte. Warum sollte eine Frau, die ihr Leben mit Gelegenheitsarbeiten finanzierte, auch kämpfen wie ein Mann für den Krieg? Lad wusste, dass sie es nur ihr zu Liebe tat.
Seine Hand legte sich an ihre Schulter, „Dann zeig mir, wie gut du geworden bist."
Wie von allein bewegten sich ihre Füße. Sie folgte ihm die Landstraße, die aus dem Dorf herausführte, in dem Xantha und sie zur Zeit Arbeit gefunden hatten, entlang und zum Wald. Dabei ließen sie die Felder, denen Lad zugeteilt war, neben sich liegen.
Tausend Fragen schossen durch ihren Kopf. Was empfand er ihr gegenüber? War er beeindruckt, dass sie ihm aus der Wüste heraus folgte? Dachte er, sie wäre verrückt, ihm nachzulaufen? Für den Moment, den sie hier neben ihm ging, verdrängten diese Fragen, die andere, die sie sich tagtäglich stellte: War Xantha ihr böse, dass ihr Leben nicht mehr gesichert war, sondern ein stetes auf und ab?
Sie hatte Xantha damals bei der Hand genommen und in ein Abenteuer hineingezogen, das weniger ergiebig war, als sie gedacht hatte. Sie hatte ihr versprochen, sie in eine grüne Wildnis zu entführen und das hatte sie getan. Doch statt eine feste Unterkunft zu finden, schlugen sie sich von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf. Immer auf der Suche nach einer Arbeit. Oft schliefen sie im Freien. Beeren, Wurzeln und Früchte, die ihnen die Natur schenkte, bildeten ihre Grundnahrung auf ihren Wegen.
Ihr Gewand war durch karge Nahrung weiter geworden und sie hatte kaum Zeit gehabt, richtig zu üben. Wenn sie Arbeit fanden, war es meist auf den Feldern und nach einem langen Tag, waren sie müde und dankbar, wenn sie auf Stroh schlafen konnten. Nie hatte Xantha ihr einen Vorwurf gemacht oder sie mit bösen Blicken gestraft. Es schien, als könne dieses friedliche Gesicht, neben dem sie aufwachte, nie jemanden Böse sein und trotzdem fragte sie sich genau das.

Nun blickte Lad zu ihm auf und bemerkte, dass er sie längst ansah und ihr ein Lächeln schenkte. Prompt sah sie zur Seite und er hob leicht eine Braue. Wo war das Mädchen, das darauf gebrannt hatte, sich jeden Tag mit ihm zu messen?
Er hielt inne, als sie einen Platz zwischen den Bäumen erreichten, der ihm ideal schien. Wortlos reichte er ihr sein zweites Schwert und sah zu, wie sich ihre Finger darum schlossen. Kratzer und Risse auf der Haut zeugten von der Feldarbeit, die sie verrichtete.
„Du arbeitest hart", er konnte nicht anders, als Mitleid mit ihr zu haben, „Bist du bereit?" Seine Finger umschlossen den Knauf des Schwertes kräftig. Er positionierte sich vor ihr und winkte ihr mit der freien Hand, den Anfang zu machen.
Kurz sah er ein Zögern in ihrer Haltung. Sie war nervös, doch dann spannten sich ihre Muskeln an und ihr Blick wurde fest. Entschlossenheit lag darin und seine Mundwinkel zuckten leicht. Da war es wieder. Das Mädchen, das er in der Wüste getroffen hatte. Forsch und bereit zuzuschlagen.
Lad hatte sich gesammelt und griff ihn nun an. Spielerisch parierte er ihren ersten Schlag und zog sie langsam in einen Tanz der Klingen. Vollführte mit ihr eine Kreisbewegung. Er konnte sehen, wie ernst es ihr war und wie sehr sie sich bemühte.
Seiner Einschätzung nach war sie mit kleineren Waffen sicher noch immer besser als mit einem Schwert. Immer wieder zuckte ihre freie Hand oder schloss sich um das Heft. Sie suchte offensichtlich Halt. Eine zweite Waffe.
Minutenlang fochten sie und der Schweiß stand auf der dunklen Haut seiner Stirn. Ihre Angriffe wurden zunehmend agressiver. Er sah die Ungeduld in ihrer angestrengten Miene. Dies sah er als Zeichen, dass es soweit war, es zu beenden. Geschwind drehte er sich mit ihr und drückte sie gegen einen Baum. "Du bist ungeduldig und dann schwindet auch deine Konzentration", schmunzelte er und hielt ihr Handgelenk fest im Griff.
Schnaufend sah sie ihm ins Gesicht. Ihre Finger gaben seiner Berührung nach, als er sie vom Schwert nahm.

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