Mit blutunterlaufenen Augen blickte Yalhan am frühen Morgen von seinem Versteck aus zu den Türen des Schlosses. Er hatte versucht Schlaf zu finden und sich wirklich bemüht. Fast wäre es ihm auch geglückt, wenn nicht auf einmal Leben in den Wald gekommen wäre. Die Tiere waren aufgebracht und der Lärm dieser hatte ihn unsanft aus dem Schlaf gerissen.
Ein Jäger war unterwegs gewesen, vor dem selbst die anderen Raubtiere Respekt hatten.
Yalhan war kein Feigling, doch die Geräusche, die den Wald erfüllten, hatten ihn frösteln und nach einem sicheren Platz Ausschau halten lassen. Von diesem aus hatte er die dunkle Tür stets im Blick gehabt, seinen Langdolch gezogen und die Hand fest darum geschlossen. Jederzeit bereit sich der Bestie zu stellen, die im Dickicht wütete.
Doch alle Anspannung war umsonst geblieben. Nichts zeigte sich und eine tödliche Stille trat schließlich ein. Seine Sinne blieben bis in die Morgenstunden wachsam.
So entging ihm auch nicht, dass die Tür sich öffnete und zwei Frauen heraus traten in den jungen Tag, der von den noch kalten Strahlen der Sonne beleuchtet wurde.
Die eine mit dem braunen Haar und dem schweren Rucksack müsste wohl die sein, der er folgen sollte. Langsam steckte er den Dolch weg, streckte seine steifen Glieder und verließ sein Versteck.
Sich in den Schatten haltend wanderte er, den Blick nicht vom Schloss lassend, in Richtung der Straße, die eine Schneise durch den Wald schuf. Irgendwie musste er es schaffen, ihr zu folgen ohne entdeckt zu werden, doch ein Schatten wie er würde im Licht des Tages sofort zwischen den Bäumen auffallen und auch hier auf der Straße war er weithin zu erkennen. Mit einem tiefen Seufzen ließ er den Blick schweifen. Noch waren die Frauen in der Ferne mit Abschied nehmen beschäftigt. Eine Sache, die sich lang ziehen konnte, wie er wusste, denn viel Gefühl floss in diese Gesten hinein. Yalhan konnte sich das Gespräch der beiden regelrecht ausmalen. Sicherlich versprach die, die gehen würde, dass sie schreiben würde, die andere, dass sie hier warten und sie vermissen würde. So viel alberne Dinge. So viel nutzloses Gerede. Doch es gab ihm ein wenig Zeit, herauszufinden, wie er sein Problem lösen könne.
„Verschwinde von hier, Freundchen! Solch Gesindel wie dich wollen wir hier nicht haben!", tönte eine laute Stimme an sein Ohr, begleitet von dem Klang, den Räder auf geschotterten Wegen verursachten.
Seine gelben Augen trafen sich mit denen des Kutschers, der seine Pferde zügelte. Spott lag im Gesicht des Fremden, der gekleidet war mit dem weiten Gewand eines fahrenden Händlers. Die Räder seines mit Stoff bespannten Wagens ächzten unter dem Gewicht der Ladung und dem des Mannes, der am Kutschbock saß.
„Verschwinde schon! Mach, das du von der Straße kommst!", wiederholte er und hob die Peitsche an, um nach dem Dunkelelf zu schlagen. Er hielt in der Bewegung inne, als er das Grinsen sah, das sich in die Züge seines Gegenübers stahl.
Mit einer galanten Verbeugung, trag Yalhan an den hölzernen Wagen heran.
„Verzeiht, edler Herr Reisender. Ich erbitte vielmals um Entschuldigung. Nie lag es auch nur annähernd in meiner Absicht, Euch und Eurem herrlichen Gefährt in den Weg zu geraten", schmeichelte er mit samtweicher Stimme, „Dürfte ich stattdessen ersuchen, dass der gute Herr, der Ihr sicher seid, mir gegen eine bescheidene Gabe, den Weg zum Hafen verrät?" Yalhan zückte den klimpernden Geldbeutel und trat näher heran an den Fremden, dessen Augen vor Gier zu glänzen begonnen hatten.
Mit einer fleischigen Hand winkte er ihn näher zu sich und seine Augen traten beinahe aus den Höhlen hervor, da Yalhan den Beutel etwas öffnete und einen Blick auf den schimmernden Inhalt gewährte. „Komm näher, ich gebe dir auch eine Karte mit", er fuchtelte bereits ungeduldiger. Begierig darauf, die klingenden Münzen durch die Finger gleiten zu lassen.
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Aurenien Tales
FantasiDie Fai von Aurenien und die Skalaner liegen seit Jahrhunderten im Krieg. Lad hatte eigentlich nicht vor, jemals wieder einen Fuß in dieses Land zu setzen, doch als sie die Fragen nach ihrer Herkunft quälen, wird sie in etwas verstrickt, das größer...