Kapitel 6

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Ich merke unter meinen geschlossenen Liedern wie es heller wird.

"Du musst die Augen schon öffnen Keira.", sagt Dion genervt.

"Ich muss gar nichts.", erwidere ich eingeschnappt. Ich hatte nicht vor diesen Menschen noch mehr Macht über mich zu geben als sie ohnehin schon hatten.

Ich stehe noch ein paar Minuten demonstrativ mit geschlossenen Augen da bis mich die Neugierde packt und ich sie öffne.

Das was ich sehe verschlägt mir den Atem.
Es ist atemberaubend schön. Der Raum besitzt eine gläserne kuppelförmige Decke durch die man den Himmel sehen kann. Die Wände sind kunstvoll bemalt. Im Raum befinden sich außerdem eine Menge Skulpturen.

Dion zieht den letzten Vorhang zur Seite und ich sehe im Licht der Sonnenstrahlen Staub aufwirbeln.

Es scheint lange her zu sein seit jemand das letzte Mal hier gewesen ist.

Dion betrachtet mich eindringlich um meine Reaktion einzuschätzen. "Gefällt es dir? " fragt er.

"Soll das ein Witz sein?!", sage ich. "Es ist wunderschön hier. Ich weiß gar nicht wo ich als erstes hinschauen soll."

"Dann lass mich dir helfen.", meint er mit dem Anflug von einem Lächeln.

Ich nicke zustimmend. Ich liebe, Kunst. Ich bin keine Künstlerin aber ich weiß diejenigen die es sind und deren Werke zu schätzen.

Das war der Grund warum ich ausgerechnet nach New York gezogen bin.

Ich hatte New York vor meinem Umzug zwar nur auf Bildern gesehen aber das hatte gereicht.

Ich hatte mich sofort in diese Stadt verliebt.

"Ich werde dir nicht jedes einzelne Bild erklären.", unterbricht Dion meinen Gedankengang, "Das würde Stunden dauern. Aber ich glaube es reicht ohnehin wenn ich dir etwas über die Vergangenheit der Skulpturen erzähle." Sagt er.

Die größte Skulptur zeigt einen männlichen Engel. Er hält ein blutiges Messer in der Hand, aber das was mich wirklich erschreckt sind die schwarzen, leeren, emotionslosen Augen der Skulptur. "Du hast doch bestimmt schon einmal von der Geschichte gehört wie Gott die ersten Engel erschaffen hat?", frägt Dion.

Augenblicklich fühle ich mich blöd.

Ich war zwar getauft worden, hatte jedoch keine Ahnung von meinem christlichen Glauben.

Langsam schüttelte ich den Kopf.

Seine Geschichte klingt für mich wie ein Märchen:" Die Aufgabe der Engel war es schon immer die Menschen zu beschützen. Lange Zeit war das jedoch nicht nötig bis einer der Engel sich nicht mehr damit zufrieden geben wollte sich Gott unter zustellen.

Er glaubte Gott würde ihm seinen Posten überlassen wenn er nur immer mehr Menschen schaden würde.

Er brachte als erster einen Engel um.
Einen seinesgleichen.

Gott wurde so wütend dass er beschloss ihn in dass zu verwandeln was er in seinen Augen war.

Ein Monster. Er verwandelte ihn in einen Dämon das was wir heute auch Teufel nennen und schickte ihn in die Hölle.

Seitdem verwandelt sich jeder Engel der einem anderem das Leben nimmt in einen Dämon muss aber nicht für alle Ewigkeit in der Hölle verweilen."

Für einen kurzen Moment sehe ich einen Ausdruck in seinen Augen den ich nicht genau deuten kann.

Er Verschwindet aber schnell wieder und Dion wirkt beinahe gelangweilt. "Sind nach dem ersten noch weitere Dämonen entstanden?", frage ich.

Seine Antwort erschreckt mich:" Es entstehen noch immer welche Keira."

"Wie meinst du das? Es gibt keine Engel."

Er schaut mich an als wäre er aus einem Traum aufgewacht und schüttelt den Kopf:" Natürlich gibt es die nicht.
Vergiss was ich gesagt habe."

Ich will etwas erwidern auch wenn ich nicht weiß was.

Doch bevor ich etwas tun oder sagen kann verlässt er bereits den Raum.

Ich dagegen verweile stundenlange in dem Raum  und betrachte die Bilder und Skulpturen während ich meinen Gedanken hinterher hänge.

Von allen Kunstwerken gefällt mir die Skulptur einer Frau am besten. Sie hat eine Waffe in der Hand was ihr einen kriegerischen Ausdruck gibt aber in ihrem Gesicht spiegeln sich alle möglichen Emotionen wieder, die ihr Menschlichkeit verleihen. Angst, Wut, Trauer und Schmerz.

Bewundernt lege ich eine Hand auf die marmorene Klinge die sie hält.

Ich würde diesen Raum am liebsten nie wieder verlassen.

Meine Gedanken kehren aber immer wieder zu Dion zurück. Ich frage mich ob er an die Geschichte glaubt die er mir erzählt hat.

Ich hoffe nicht. Das letzte was mir fehlt ist von einer Gruppe Satansanbeter gefangen gehalten zu werden.

Ich verwerfe diesen Gedanken aber gleich.

Ich erinnere mich an seinen plötzlichen Abgang und wünsche mir auf einmal er wäre hier.

Es war schön nach der langen Zeit alleine mal wieder Gesellschaft zu haben.

Ich stehe auf und schaue mich ein letztes Mal um, bevor ich Dion suchen gehe.

Ich bin fest entschlossen irgendwann wieder hierher zurück zu kommen.

VerflogenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt