Die gelben Wände rauben mir den Atem, erdrücken mich.
Meine Eltern haben meine Wände gelb gestrichen, weil sie denken, es erinnert mich an die Sonne.
Was sie nicht wissen ist, dass es mich an Urin erinnert.
Mein Bruder sitzt mir gegenüber. Er starrt auf sein Handy, während ich ihn anstarre.
Ich starre wie ein Fisch.
Ich kann meine Augen nicht von ihm nehmen.
Er lächelt.
Dann sieht er hoch.
Und das Lächeln verblasst.
Ich starre weiter.
Ich weiß, dass er lieber bei seiner Freundin wäre.
Er wäre überall lieber als bei seinem behinderten Bruder.
Sein Handy klingelt.
Ein lauter, schriller Ton. Erschrocken sieht er zu mir auf.
Auch er denkt, ich kann mit lauten Geräuschen nicht umgehen.
Warum denken das alle?
Schnell geht er ran. Ein Lächeln ziert sein Gesicht, vertreibt den missmutigen Ausdruck.
„Schatz, wie geht es dir?"
Er steht auf, sieht mich fragend an. Ich starre zurück. Ärgerlich zieht er die Augenbrauen zusammen und steuert die Tür an.
„Ich wäre auch gerne bei dir, aber ...", er lässt den Satz in der Luft hängen. Er lehnt die Tür an, trotzdem kann ich seine Worte verstehen.
„Ja ... ja, genau, Spastenalarm."
Niemand weiß, wie gut ich eigentlich hören kann.

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Gedankenkäfig
Short StoryIch war nicht behindert. Ich war ein Mensch, welcher eine Behinderung hatte. Aber ich war nicht nur behindert.