Sie denken, ich bin zurückgeblieben.
Sie denken, ich bin minderwertig.
Sie denken, sie seien besser als ich.
Meine Mutter schiebt mich ruhig durch den Park. So wie jeden Dienstag.
Die Passanten sehen mich an und sehen schnell wieder weg.
Behinderte starrt man nicht an.
Ich starre zurück.
Manche schenken meiner Mutter ein mitleidiges Lächeln.
Ich starre auch sie an.
Dann treten sie einige Schritte zur Seite, raus aus meinem Blickfeld.
Ich spüre ihre Blicke trotzdem in meinem Nacken.
Ich schließe meine Augen.
Will es mir und den Passanten leichter machen.
Vielleicht sehen sie mich gar nicht, wenn ich die Augen zu habe.
Vielleicht verschwinde ich von der Welt, wenn niemand mich sieht.
Meine Mutter bleibt stehen.
Sie dreht meinen Rollstuhl, mein Blick fällt auf einen kleinen Teich.
„Guck, Tommy", sagt sie. „Ist das nicht herrlich? Das Leben ist doch einfach wunderbar."
Ihre Stimme zittert. Sie lügt. Ihre Stimme zittert immer wenn sie lügt.
Ihre Stimme zittert oft, wenn sie mit mir spazieren geht.
Wenn sie mir versichert, dass meine Familie mich liebt, obwohl mein Bruder und Vater es mir nie sagen.
Wenn sie mir verspricht, dass irgendwann alles gut werden wird.
Wenn sie sagt, dass es Tage gibt, an denen sie vergisst, dass ich anders bin.
Manchmal zittert ihre Stimme aber auch, weil sie weint.
Den Unterschied erkenne ich nicht.
Vielleicht weint sie auch, weil sie lügt.
Weil es ihr doch etwas ausmacht, dass ich nicht wie mein Bruder bin.

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Gedankenkäfig
Historia CortaIch war nicht behindert. Ich war ein Mensch, welcher eine Behinderung hatte. Aber ich war nicht nur behindert.