Der 1. Teil, in dem wir umziehen

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"Prinzessin? Bist du endlich fertig?" "Mhm.." murmle ich in mein Kissen. Nach gefühlten Sekunden höre ich meinen Bruder nochmal rufen. "Soll ich rauf kommen und dir beim Anziehen helfen?" "Ja...Klar..." Müde kuschle ich mich tiefer unter die Daunendecke. Ich höre wie Marlon die Treppen hinaufpoltert. Soll er doch leise raufkommen! Ernsthaft! Es gibt Leute die hier Schlafen wollen! Ich höre, wie er meine Schlafzimmertür aufreist und loszetert, weil ich immer noch im Bett liege. "Sei still!" knurre ich verschlafen. Nur weil wir zu Onkel Matthew fahren wollen....Ouh! Verdammt! Wir wollen ja zu Onkel Matthew! Ich richte mich augenblicklich kerzengerade auf und starre Marlon an. "Wieso hast du mich nicht geweckt?" rufe ich erschrocken. Er seufzt empört auf. Innerhalb von Sekunden schwinge ich beide Beine aus dem Bett und schlüpfe in eine graue Jogginghose und ein weites schwarzes Shirt. Mit zwei schnellen Handbewegungen bändige ich meine orang-roten wirren Locken, die um meinem Kopf herum Walzer tanzen, zu einem Pferdeschwanz. Marlon hinter mir herzerrend laufe ich nach unten, zu dem rostigen roten Truck und setzte mich auf den Beifahrersitz. Mit einem kurzen Blick nach hinten versichere ich mich, dass der alte Schaukelstuhl und der weiche Teppich aus Wolle gut festgezurrt sind. Den Rest haben meine fünf restlichen Brüder gestern schon mit dem Möbelwagen zu Onkel Matthew bringen lassen, und sind dort gleich mitgefahren. Nur Marlon und ich waren noch in der verlassenen Wohnung, in die in den nächsten Tagen die neuen Bewohner einziehen sollen. Seit einer Woche ist beschlossen, das wir fortziehen. Seit dem unser Vater nach der Scheidung abgehauen ist und unsere Mutter in eine Klinik gebracht wurde, wohnten wir alleine hier. Und das war vor fast sechs Jahren. Ich war neun, als...

Flashback

„Du Schlampe! Du bist schon wieder sturzbesoffen. Warum muss ich dich ertragen? Und deine Erzeugungen habe ich auch noch am Hals! Sieben davon! Oh warum? Nur weil du nicht aufpassen konntest! Aber weißt du was? Die Jungs interessieren mich jetzt auch noch einen Scheißdreck! Ich nehme nur Romy mit. Mit den restlichen Balgen kannst du dich herumschlagen!" Meine Mutter antwortete gar nicht. Sie schaut nur mit glasigem Blick an meinem sogenannten Vater vorbei. Vielleicht hat sie ihn auch gar nicht gehört. Sie wollte doch eine Kur machen! Sie hat es versprochen! Als der Mann, der sich mein Vater schimpft, meine Hand schnappte und mich grob nach drausen zerren wollte, schrie ich auf. Ich wollte nicht mit ihm mit! Ich wollte zu meinen Brüdern. „Nein! Lass mich!" heulte ich. Mein Vater ignorierte mein Weinen einfach und zog mich weiter. Plötzlich wurde meine Hand aus seinem Griff gewunden. „Lass sie." Sagte mein ältester Bruder, Luca, ruhig. Aber in seiner Stimme klang unverkennbar die Drohung mit. Er zog mich an seine Brust und drückte mich kurz, bevor er mich meinem jüngstem Bruder, Jayden, übergab. Jayden zog mich an sich und wischte mir tröstend die Tränen vom Gesicht. Bevor ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub, merkte ich noch, wie meine restlichen Brüder, Christoph, Martin, Finn und Ian sich vor meinem Vater aufbauten. Dieser war schon vorgetreten, um Luca eine Schelle zu verpassen, überlegte es sich jetzt, da sie unübersehbar in der besseren Position waren, anders. „Sie belastet euch doch nur." Versuchte er es erneut. Finn knurrte wütend und ballte seine Hände zu Fäusten. Luca hingegen lachte leise, aber unverkennbar wütend. „Sie belastet uns? Sie hält uns zusammen! Sie ist unsere SCHWESTER!" Beim letzten Wort hatte selbst der sonst so ruhige Luca die Kontrolle über sich verloren. Mein Vater zuckte zurück und ohne ein weiteres Wort drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand im Treppenhaus. Hinter uns hörten wir, wie unsere Mutter sich in den Schirmständer übergab.

Flashback Ende

Und nun hatten wir endlich jemanden gefunden, der uns aufnahm! Und zwar nur zu gerne! Onkel Matthew. Aber um zu ihm zu gelangen, mussten wir bis nach Los Angeles fahren. Aber auch wenn uns eine Ewigkeit Autofahrt bevorliegen würde, um von diesem Ort mit den ganzen furchtbaren Kindheitserinnerungen, den Schlägen, die ich erhielt, als meine Brüder nicht da waren, die Tage, an denen wir mitansehen mussten, wie unsere Mutter sich bis zum Koma vollaufenlies, die Tage, an denen mein Vater irgendwelche Fremden, aufgetakelten Frauen mit nach Hause brachte, sie küsste, und mit ihnen im Wohnzimmer schlief, waren nun endlich vorbei. Oh ja, Kindheitserinnerungen hatte ich nur eine eizige, an welche ich mich gerne zurückerinnerte. Meine Mutter hatte an diesem Abend nichts zu trinken gefunden und als sie mich weinend im Bett sah, legte sie sich zu mir und hielt mich im Arm, bis ich eingeschlafen war. Am nächsten Tag war sie aber gleich betrunken wie sonst. Seit dem Tag, an dem mich mein Vater das erste Mal schlug, hatte ich jede Nacht Albträume. Und jede Nacht kam einer meiner Brüder zu mir, und schlief bei mir, um meine Alpträume zu verscheuchen. Und es klappte. Auch wenn ich mich dafür schäme, auch jetzt schläft hin und wieder einer meiner sechs Brüder bei mir. Aber dafür liebe ich sie.

Als Marlon sich neben mir auf den Autositz fallen lies, und den Motor startete, schaute ich noch so lange aus dem Fenster, bis das düstere Mietshaus mit den kleinen Fenstern aus meinem Blickfeld verschwand. Eine einzelne Träne rann mir die Wange herrunter. Es war eine Freudenträne.


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So, erstes Kapitel geschrieben. Ich weiß, nur ein Anfang, aber immerhin. Das auf dem Cover ist Romy.

So, Meinungen oder Votes zum ersten Kapitel, würde mich freuen!<3

Bellybeen ♥

Sechs Brüder, ein Badboy und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt