3. Akt: Was in der Zeitung steht

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Kapitel 1 – Das Boudoir der Mademoiselle Bouvoir

Ich verfasste halbherzig eine Rechnung über meine Arbeit und heftete die Spesenabrechnung dahinter. Dann verließ ich mein Büro. Für heute hatten mich hier genug unangenehme Personen besucht und der Scotch war einfach zu leicht zu erreichten.

Auf der Straße pfiff ich nach einem Taxi und zeigte der Fahrerin den Zettel, den Judith mir gegeben hatte.

Wir waren eine ganz Zeit lang unterwegs. Die Taxifahrerin versuchte nicht mich in ein Gespräch zu verwickeln, tat einfach ihren Job. Ich war ihr dankbar. Vielleicht konnte sie in meinem Gesicht lesen, dass ich weder in der physischen, noch in der psychischen Verfassung war, etwas charmantes, belangloses zu sagen.

In meinem Schädel hämmerte ein Schlagbohrer, meine Knochen beschwerten sich und meine Gedanken drehten sich um die bevorstehenden polizeilichen Ermittlungen.

Ich sah sicher schrecklich aus. Bisher hatte ich keine Gelegenheit gehabt, meine Kleidung zu wechseln. Inzwischen war sie zwar getrocknet, doch das dreckige Gefühl blieb.

Ich musste mich zusammenreißen, um nicht bei dem gleichförmigen Motorengeräusch einzuschlafen und die letzte Nacht, sowie den heutigen Morgen einfach zu vergessen.

Gerade als ich mich nicht mehr überwinden konnte und mir die Augen zu fielen, weckte mich das abrupte Bremsen des Wagens.

*

„Wir sind da, Mr.", sagte die Fahrerin in einem sachlichen und teilnahmslosen Tonfall. Sam ärgerte sich darüber, dass sie nicht einmal Mitleid heucheln wollte.

„Was macht das?", fragte er schläfrig.

„Fünf Dollar, und die Reinigung des Beifahrersitzes", sagte die Fahrerin.

Sam wand sich auf seinem Sitz, um zu sehen, in wie fern er ihn verschmutzt hatte. Tatsächlich hatte sein Mantel getrockneten und noch halbfeuchten Schlamm auf dem Polster hinterlassen, sein Körpergesicht, hatte in hinein gerieben.

„Schicken sie die Rechnung einfach an die Dame, die hier wohnt. Ihr Name ist Mrs. Leery", sagte Sam hielt sich den Kopf und der Fahrerin einen Fünfer hin.

„Wird sie denn bezahlen?"

Sam fiel keine schlagfertige Antwort ein und brummte ein erschöpftes: „Das hoffe ich doch."

Sam stieg aus dem Wagen und betrachtete sich das Haus, in dem Judith Leery zu wohnen vorgegeben hatte.

Es war ein großer, weißer Bau, von einem Garten umgeben. An Giebelseite rankte Efeu dem Dach entgegen. Die Frontseite wirkte wie ein englisches Herrenhaus des vorigen Jahrhunderts.

Dies war nicht das schmuddelige Chicago, in dem Sam sich herumtrieb. Er befand sich in einem der westlichen Außenbezirke, wo Häuser nicht aneinanderklebten, sondern frei in einer grünen Insel standen, wo Hauseingänge von Säulen gesäumt wurden und Briefkästen im Vorgarten standen. Menschen, die hier lebten, gaben ihr Geld für Hausangestellte und Gärtner aus, besaßen zusätzlich ein kleines Haus, in dem sie ihre Wagen parkten. Es gab Terrassen, Balkone, Gartenlauben, Zierteiche.

Sam schüttelte sich beim Gedanken an letztere und stapfte geradewegs auf das Haus zu, dessen Adresse er der Taxifahrerin genannt hatte.

Eine illustre Nachbarschaft, dache Sam. Er hatte sich umgesehen und in der näheren Umgebung zumindest drei Äskulapschlagen an den Hauswänden gesehen zu haben. Was war Judith Mann noch mal von Beruf fragte er sich und erinnerte sich prompt an die Umstände seines Ablebens: Arbeitsunfall in einer Fabrik. Konnte man dort so viel Geld verdienen um solch ein Haus zu unterhalten?

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