3. Akt: Was in der Zeitung steht

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Kapitel 2 – Im Zuge der Ereignisse

Es hatte sich nicht seltsam angefühlt, Judith zu küssen. Jedenfalls nicht während ich sie küsste.

Am nächsten Morgen fühlte ich mich ausgelutscht und gar nicht wohl bei dem Gedanken einer Kundin näher gekommen zu sein, als es ein professionelles Verhältnis in meinem Metier zwischen Dienstleister und Auftraggeber erlaubte.

Ich duschte und rasierte mich zu Hause. Aus irgendeinem Grund trieb mich nichts in mein Büro. Ich glaubt, dort ständig den beobachtenden Blick Phil Owens im Nacken spüren zu können.

Es waren nur wenig mehr als vierundzwanzig Stunden vergangen, seit der Mord an Firth geschehen war, doch ich hatte das Gefühl schon eine halbe Ewigkeit deswegen im Dunkeln zu tappen.

Ich hatte keine Anhaltspunkte und meine Zeugen schwiegen wie ein Grab. Einen Augenblick lang erwägte ich, mein Frühstück in einem kleinen, italienischen Gasthaus einzunehmen, doch ich verwarf den Gedanken. Es wäre sehr verdächtig gewesen, dort noch mal aufzukreuzen. Sich wurde das Restaurant observiert, denn die Erfahrung lehrte, dass Verbrecher oft den Ort ihres Verbrechens wieder aufsuchen. Sei es, weil sie glauben noch ein paar Spuren verwischen zu müssen, aus Neugier oder Nostalgie, wenn ich mich dort sehen lassen würde, stiege ich auf der Verdächtigentabelle auf einen uneinholbaren Rang.

Hinzu kam, dass der Restaurantbesitzer mich erkennen würde. Er musste mir misstrauen, denn er hatte der Polizei Angeben über mich gegeben. Sicher würde er mich auch jetzt wieder verpfeifen und Geld um ihn zum Schweigen zu bringen, besaß ich nicht. Judith hatte mich noch nicht bezahlt.

Judith. Sie blieb mir ein Rätsel, doch seit ich wusste, dass sie zur Hälfte Französin war, wunderte mich das nicht mehr. Ich bekam ihr Kleid nicht mehr aus dem Kopf und den öligen Geschmack ihres Lippenstiftes.

Keine einzige meiner Fragen hatte sie beantwortet und doch verspürte ich nicht das Bedürfnis nachzubohren. Später vielleicht. Morgen. Vielleicht.

*

Sam war noch nicht ganz wach, als er seine Wohnung verließ. Er taumelte mehr, als er ging. Er hatte vergessen sein Hemd in die Hose zu stecken und seinen Mantel offen gelassen.

Um die Ankunft in seinem Büro hinauszuzögern, entschied er sich zu Fuß zu gehen. Er hoffte, dass die kalte Morgenluft ihm einen klareren Kopf bereitete.

Er war es gewohnt verwirrt und verkatert aufzuwachen, aber heute fühlte er sich irgendwie gut dabei. Dieses Hochgefühl wollte er nicht dadurch verlieren, dass er in seinem Büro mit der Wirklichkeit und seinen Erinnerungen konfrontiert wurde, die er nachts zu verdrängen versucht hatte.

Auf dem Weg durch die Straßen kaufte er sich an einem Kiosk die Tageszeitung. Es war ein Ritual. Wann immer er es einrichten konnte, wann immer er an einem Kiosk vorbei kam, investierte er ein paar Cent in eine aktuelle Zeitung, denn was man nicht von Informanten erfuhr, brachten Journalisten irgendwie in Erfahrung. Manchmal erleichterte es die Arbeit ungemein, wenn man einen Blick in die Zeitung warf. Außerdem hatte er Zeit. Derzeit gab es keinen Fall, mit dem er sich befassen musste.

Sam sperrte widerwillig seine Bürotür auf und schleppte sich hinter den Schreibtisch, der noch immer der gleiche war, wie noch am gestrigen Tage, nun jedoch abstoßend und fremd auf ihn wirkte.

Sofort hatte ihn die schlechte Laune wieder, als er bei schummrigem Licht neben einem Telefon saß, das nichts Gutes verhieß, wenn es klingelte – und das würde es unweigerlich früher oder später tun.

Der kalte Herbstwind blies durch die undichten Fenster und die Jalousien klapperten.

Es dauerte eine Weile, bis Sam sich an die Zeitung erinnerte. Er saß reglos da, als wartete er auf ein Wunder oder eine Katastrophe – auf jeden Fall auf etwas, der er nicht beeinflussen konnte. Dann zog er das Zeitungsbündel aus seiner Manteltasche und faltete es auf.

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