Kapitel 2: Lügengeschichten

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Leichtes Opfer.
Ahnungslos. Einfach.

Das waren die ersten Worte, die mir einfielen, als ich Rick Grimes gegenüber saß.
Er wirkte etwas naiv, wie er mich musterte. Neugierig und trotzdem sah ich etwas Abschätziges in seinem Blick.

Walsh würde wohl Recht behalten.
Rick war ein einfaches Ziel.
Trotzdem war auch er ein Cop und ich würde aufpassen müssen.

Nur eine Dummheit, ein Fehler und er würde Verdacht schöpfen, könnte mich den Hals kosten.
Und genau aus dem Grund vermied ich lange Aufträge eigentlich.
Ich war der Typ fürs Schnelle.

Und das hier war einfach lächerlich.
Sich in einem Diner zu treffen, um dumpfsinnigen Smalltalk zu führen, der verschwendete Zeit war.

Der Typ wäre schon lange tot, stattdessen musste ich mir dieses Gelaber antun und auch noch so tun, als wäre ich mit meinem Klienten schon seit Jahren befreundet.
Lächerlich. Fast schon erbärmlich und eigentlich gar nicht mein Niveau.

Genauso wie dieses Diner.
Schickimicki, auf Hochglanz poliert und zum bekloppt werden kitschig. Das war keiner von den Orten, wo ich mich sonst aufhielt und wohl fühlte.
Hier kam ich mir vor, wie ein Fremder.
Irgendwie fehl am Platz und nackt, als würde man mir ansehen, wer oder besser gesagt, was ich war.

Allerdings schien Rick nichts davon zu bemerken.
Er wirkte neugierig und ich lehnte mich zurück, zündete meine Zigarette an und starrte zu Walsh rüber.

„Ja, Walsh, woher kennen wir uns denn, mh?", fragte ich ihn provozierend, lächelte gekünstelt breit und sah, wie er anfing zu schwitzen.

Er hatte sich das eingebrockt, sollte er die Suppe auch auslöffeln, wie man es so schön sagte.
Es war seine Idee gewesen und er kannte Rick besser als ich bisher.

Außerdem war es nicht mein Problem. Walsh hatte mich immerhin angeheuert, das hier veranlasst, also musste er sich doch bereits irgendeine Hintergrundgeschichte ausgedacht haben.

„Wir...ähm...weißt du noch, als ich mein Bike verkauft habe?", fragte er dann an seinen Nachbar gewandt.

Rick zog nachdenklich seine Augenbrauen zusammen, wobei sich feine Falten auf seiner Stirn bildeten.
Er musste ungefähr in meinem Alter sein, etwas jünger vielleicht. Er entsprach gar nicht dem typischen Bild eines Cops.

Mit seinem Hemd und der braunen Stoffjacke sah er mir mehr wie jemand aus, der im Büro arbeitete und nicht wie jemand, der auf Verbrecherjagd am Tag ging.

„Das ist schon über fünf Jahre her...", meinte er dann und Walsh nickte.

„Ja, genau! Er hat mir das Bike damals abgekauft und seitdem waren wir eigentlich ständig in Kontakt, nicht wahr?", fragte er an mich gewandt und ich nickte einfach.

Wenn er meinte...

Rick musterte mich eindringlich, sah nicht wirklich überzeugt aus, nahm es aber mit einem einfach „Mh" hin und bedankte sich bei der Bedienung, die gerade sein Bier brachte.

Eins musste man diesem Laden hier lassen: Das Bier schmeckte wirklich gut. Und ich musste es nicht mal bezahlen, was es noch appetitlicher machte, als ohnehin schon. Ich hatte Walsh gleich klar gemacht, dass er die Kosten hierfür trug.

Wenn er wollte, dass der Job sauber und ohne Spuren zu ihm erledigt wurde, dann wäre das der geringste Preis den er zu zahlen hatte.

Blaue Augen, musternd und prüfend scannten mich ab und ich spannte mich an, fühlte mich unwohl und erwiderte den Blick eindringlich.

„Was?", fragte ich ihn gereizt, als er nicht aufhörte mich anzustarren.

Er schüttelte seinen Kopf, zuckte dann mit den Schultern.

„Shane hat mir nie von dir erzählt, dass ist alles."

Ich lachte auf, zog tief an meiner Zigarette und blies den Rauch aus.

„Ja, das glaube ich sofort", murmelte ich leise, sodass er es nicht hörte und ich spürte, wie Rick immer unruhiger wurde.

Das hier würde schief gehen.
Walsh bemerkte das auch und versuchte die Situation zu retten. Der letzte Faden den er immerhin hatte, war, das Gespräch irgendwo anders hinzulenken, aber er war so blöd und blieb bei seiner Geschichte, versuchte sie noch auszuschmücken.

Ich hielt Rick vielleicht für ein naives Opfer, aber wer naiv war, der war noch lange nicht dumm. Er wirkte mir zumindest nicht so.

„Ja, über die letzten Jahre ist es etwas eingeschlafen, aber ich habe ihm versprochen, dass er auf mich zählen kann, wenn er ein Problem hat, immerhin hat er mir mein Auto doch wieder zum Laufen gebracht."

Ich hatte ihm erst sein Motorrad abgekauft und jetzt hatte ich sein Auto repariert?
Was für einen Blödsinn laberte der Kerl da eigentlich?
Das konnte ja nur Scheiße werden, wenn er sich jetzt schon verhaspelte...
Ich sah schon alle Fälle davon schwimmen, weshalb nun ich mich das erste Mal einmischte. Hauptsächlich, weil mir Ricks Blick nicht gefiel, der von verwirrt auf skeptisch gewechselt war.

„Was laberst du eigentlich für einen Müll?", fragte ich an Shane gewandt, sah dann aber zu Rick.

„Er hat mir einen guten Preis für die Maschine gemacht, deshalb hatte er was bei mir gut. Hab ihm seine Schrottkarre wieder klar gemacht und seitdem...", ich zuckte mit den Schultern, „haben wir Kontakt gehalten, uns öfters auf ein Bier getroffen, bis ich weggezogen bin vor drei Jahren."

Wenn es sonst keiner tat, dann musste ich halt die Situation retten.
Walsh war zu unerfahren, ich hatte solche Gespräche leider Gottes schon oft genug...
Immer musste man die ganze Arbeit alleine machen, verdammt noch mal!

Aber immerhin schien Rick die Story besser zu kaufen als Walsh', was mich nicht verwunderte. Dieser lachte nervös und nickte dann.

„Genau so war es. Aber mal was anderes. Der Grund, warum ich dich hergeschleppt habe, ist folgender: Daryl wohnt seit kurzem wieder hier in der Stadt, allerdings hat er einen Wasserrohrbruch und bräuchte für einige Tage eine Unterkunft. Ich dachte mir, da Lori nicht da ist und du alleine wohnst...was du ja hasst wie die Pest, dass doch Daryl für ne Woche oder zwei bei dir einziehen könnte? Wäre das möglich?"

Nein.
Die Antwort stand in seinen Augen, bevor er den Mund aufmachte.
Er wollte es nicht.
Der Unwillen war da, aber auch sein Gewissen und er schaute unschlüssig zu mir.

„Ich..weiß nicht Shane...ich kenne ihn gar nicht", sagte Rick und kratzte sich am Nacken.

„Bin selbst Arbeiten am Tag und ich brauch auch nur ne Couch, ehrlich", versuchte ich mein Glück.

„Weiß sonst echt nich wohin und ein Hotel kann ich mir nich leisten, wäre klasse, wenn du das machen könntest. Wäre ja nur für ein paar Tage..."

Wenn das nicht funktionierte, dann wusste ich nicht, wie ich an ihn rankommen sollte...

Ich kannte ihn nicht, konnte ihn nicht ständig anquatschen oder so tun, als wären wir jetzt Freunde. Das würde bei ihm nicht funktionieren, dafür war er von Natur aus zu vorsichtig, zu abschätzig.

Er würde mich nicht einfach in sein Leben lassen und das war das Problem.

Das war auch noch das Problem, wenn ich bei ihm wohnte, aber dann wäre ich einen Schritt weiter.
Wie ich dann weiterhin vorgehen würde, musste ich schauen, aber immerhin wäre der erste Schritt dann getan.

Ich musste bei ihm einziehen, um überhaupt eine Möglichkeit zu haben, den Auftrag auszuführen.

Und dann konnte ich mich um sein Vertrauen bemühen und langsam den Plan umsetzen, den Shane für ihn hatte.

Wobei ich es hasste.
Vergiften war ein scheiß Tod...
Langsam und qualvoll, aber ich machte nur meinen Job.

Egal, was er kostete, denn mein Gewinn war höher, als alles andere.

Obwohl Rick mein erster Auftrag in dieser Art war.
Es würde also auch für mich spannend werden und meine volle Konzentration kosten.

„Also, was sagst du?", fragte Shane nach und schenkte Rick einen Dackelblick, während ich an meinem Bier trank und ihn ebenfalls neugierig musterte.

Kill Me If You CanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt