Kapitel 9: Gewissensbisse

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Wie immer war ich bereits früh am Morgen wach und gönnte mir in der frischen Morgenluft eine Zigarette, während die ersten Strahlen der Sonne meine Haut erwärmten und von einem warmen Tag sprachen.

Jetzt sah ich auch die Terrasse und den Garten das erste Mal richtig und staunte nicht schlecht.
Der Garten war groß und ein Teil davon war mit edlen Fliesen versehen, auf welchen zwei Gartenstühle und ein kleiner Tisch Platz hatten.
Ebenfalls in Fließen eingefasst war ein großer Pool, der den Großteil des Gartens einnahm.

Bereits jetzt lud er zum Schwimmen ein und ich fragte mich, ob Rick das stören würde.

Apropos...

Ich hörte den Wecker klingeln und einige Minuten später knarzte die Treppe, als er herunter kam.
Leise trat er zu mir in den Garten und ich hörte, wie er tief die frische Luft einatmete und sich gegen die Wand lehnte.
Erst dann sah ich zu ihm und musste schwer schlucken.

Er sah übel aus.
Richtig fertig.

Er war blass wie eine Leiche, seine Augen wirkten müde und verklärt, als hätte er Alkohol getrunken, dicke Augenringe umrahmten sie und immer noch hielt er sich den Bauch.

Rizin wirkte schnell und heftig.
Allerdings war meine Dosis so gering, dass ich nicht gedacht hätte, dass er so darauf anschlug.

Denn eigentlich dauerte das schon etwas länger, bis man von der Wirkung etwas spürte.
Und wie gesagt, mehr als Übelkeit sollte er nicht bekommen, aber er sah aus, als würde er jetzt schon mit dem Tot kämpfen.

Das hier zu machen fiel mir schwerer, als gedacht.
Vielleicht, weil ich den Menschen hinter meinem Auftrag kennen lernte.
Sonst war es immer nur irgendein Opfer.
Ich kannte sie nicht, sie mich nicht, das machte es einfach.

„Du siehst beschissen aus", stellte ich fest und er sah mich mürrisch an, murrte, dass ich mich mal könnte und verschwand wieder nach drinnen.

Erneut hörte ich das Zischen von Kohlensäure, wollte ihn noch aufhalten, doch da hatte er sich die Flasche schon an den Hals gesetzt und trank sie fast in einem Zug leer.

„Habe ich einen Brand...Ich fühle mich, als hätte ich getrunken. Vielleicht werde ich krank."

Er stöhnte und lehnte sich gegen die Anrichte, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und ich sah, wie ein Beben durch seinen Körper ging.

So schnell konnte ich nicht schauen, da rannte er plötzlich ins Badezimmer und ich folgte ihm schweigend.
Das war abartig.
Nicht das Kotzen von ihm.

Nein, diese Art und Weise, ihn zu töten.

Ich musste zugeben, dass meine Moral sehr niedrig war, aber das hier...Gott verdammt, dass hatte keiner verdient!
Elendig zu krepieren, während man sich die Seele aus dem Hals kotzte.

„Solltest dich besser hinlegen, ich mach dir einen Tee und hau dann ab", meinte ich und half ihm auf.

Er war kaum noch bei Bewusstsein, kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und alleine stehen konnte er nicht mehr.

Fuck, ich hatte wirklich verdammt wenig rein getan!
Warum reagierte er so stark darauf? War er Allergiker?

Das wäre ja gut für mich.
Nein, das war gut für mich! Immerhin wäre es dann schnell vorbei, so wie ich es wollte, aber ich musste es doch nicht mit ansehen oder?

Ich trug ihn fast zum Sofa, sein Kopf fiel gegen meine Brust und der leichte Geruch nach Aftershave streifte meine Nase, ließ meine Nackenhärchen sich aufstellen.
Vorsichtig legte ich ihn ab und unsere Gesichter kamen sich nahe, als er mich müde ansah und schwach ein „Danke" murmelte.

Ich sollte gehen...
Wirklich, das sollte ich aber...wie?

Ich konnte ihn doch auch nicht einfach hier alleine verenden lassen oder?
Scheiße, ich wollte nicht, dass er so...verreckte.

Also ging ich doch in die Küche, stellte Wasser auf und suchte alles nach Tee durch. Martinez hatte mir ebenfalls ein Gegenmittel mitgegeben, falls ich es schaffen sollte, wie auch immer, mich selbst zu vergiften.

Davon gab ich etwas in das Wasser und tat dann den Beutel hinein, während ich das Sprudelwasser auf dem Tisch in den Abfluss kippte.

Ja, ich war ein Mörder.

Und ja, ich hatte schon viele Menschen auf dem Gewissen.

Vielleicht waren es gute oder schlechte Menschen gewesen.
Vielleicht hatten sie eine Familie gehabt.
Frau, Männer, Kinder, Eltern.

Aber so skrupellos ich geworden war über die vielen Jahre...das hier...ging nicht.

Es war das eine, jemanden aus der Ferne in den Kopf zu schießen.
Etwas anderes, ihm ein Messer in die Brust zu rammen.

Doch vergiften...es war die Hölle...

Rick lag auf der Seite, er zitterte und bebte, als sein Körper versuchte das Gift zu verarbeiten.
Er brauchte das Gegenmittel, denn als nächstes würde er sonst nur noch Blut spucken.
Etwas, was ich bei ihm nicht sehen wollte.

„Trink, es hilft", meinte ich und gab ihm die Tasse mit dem Gegenmittel und Tee.

Ich fühlte mich gerade zerrissen.

Einerseits wünschte ich mir, dass er starb, dass es vorbei war und ich mein Geld bekam, auf der anderen Seite und diese war stärker, hoffte ich, dass das Gegenmittel noch nicht zu spät kam und es ihm in wenigen Stunden wieder besser ging.

Solche Gewissensbisse hatte ich nur zu Anfang meiner Karriere gehabt.
Ich dachte, ich wäre sie los und hätte diese Schwäche verloren, aber gerade wurde mir das Gegenteil bewiesen.

Ich würde meinen Auftrag ausführen.
Ohne Spuren, ohne Zeugen. Aber nicht so.

Ich würde mir etwas anderes überlegen.
Etwas, dass ich auch mit mir selbst vereinbaren konnte.

Ja, das wäre das Beste...

Somit setzte ich mich zu ihm, sah besorgt zu Rick und wie von selbst legte ich meine Hand auf seinen Oberarm, wie ich es auch bei Mingus immer tat, wenn er Fieber hatte und sich schlecht fühlte...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 28, 2016 ⏰

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