Kapitel 7: Dr. Phil und die Schmerzen

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„Müll... Müll.... Müll.....", kommentierte ich träge jeden Sender, während ich durch die verschiedenen Kanäle zappte. So eine SAT Schüssel war ja etwas Feines, aber man fand trotzdem nichts zum Ansehen.

Jedenfalls nichts Vernünftiges. Und um diese Zeit sowieso nicht.
Die roten Birnchen des Receivers zeigten eine 23:47 und ich saß in einer halb liegenden, halb sitzenden Position auf dem Sofa, in die Rückenlehne gedrückt und hörte Daryl neben mir entnervt durchatmen.

Er saß ähnlich wie ich da, mit etwas Abstand und rieb sich die Stirn.
„Kannst du auch etwas dranlassen?", fragte er genervt und knirschte mit den Zähnen, sein Knie wippte leicht auf und ab und er verschränkte die Arme.
„Aber es läuft ja nichts."

Er grummelte etwas vor sich hin, was ich nicht verstand und ich verdrehte die Augen, ließ einfach etwas dran und warf die Fernbedienung zwischen uns auf das Sofa.

Dr. Phil... na herzlichen Glückwunsch.
„Sag bloß, du guckst so einen Scheiß!", meinte Daryl und sah entgeistert zu mir.
„Lori guckt das meistens. Ich habe es mir noch nie wirklich angetan." Ich verzog die Lippen und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist es ja ganz gut."
„Ja, und in der Hölle gibt es Slushies."

Unsere Blicke trafen sich und ich musste leise lachen, woraufhin er nur träge grinste und es sich bequemer machte.
„Wenn du zu müde bist, musst du mich rausschmeißen..."
„Wenn du noch einmal nachfragst, schmeiße ich dich wirklich raus.", war seine Antwort und während dieser Möchtegern-TV-Arzt (oder was auch immer er angeblich war) irgendeine weinende Frau tröstete, die von ihrem Mann betrogen wurde, spürte ich wieder dieses seltsame Brennen im Magen.

Es waren keine gewöhnlichen Bauchschmerzen, auch keine Krämpfe. Es war einfach nur ein sehr seltsames, unangenehmes Gefühl und dabei fühlte ich mich auch noch etwas schwummrig. Ich gab einen missmutigen Laut von mir und rutschte tiefer.

„Wenn du hier einschläfst, haben wir ein Problem. Ich brauche nämlich etwas Platz."
„Ich setz' mich nur bequemer hin, entspann dich!", konterte ich und legte die Beine auf den Tisch ab.
Diese Lage entspannte mich etwas und ich atmete erleichtert durch. Der Schmerz wurde leicht besser und vielleicht waren die zwei Portionen Nudeln doch etwas zu viel gewesen.

Für einige Minuten herrschte Schweigen und ich drehte meinen Kopf zu ihm, sah, wie er auf den Bildschirm starrte, er sich auf der Unterlippe herumkaute.

„Warum hast du noch nicht geschlafen?", wollte ich wissen und ich bekam ein unbeteiligtes Schulterzucken als Antwort.
„Ich brauche manchmal halt etwas zum Einschlafen... fremde Umgebung... außerdem bin ich niemand, der viel Schlaf braucht."
„Mhm.", gab ich nur von mir und strich mir über den Bauch.
„Dann bin ich wohl das komplette Gegenteil. Ich brauche viel Schlaf, finde ihn aber oft nicht. Zum Verrückt werden."

Wieder Schweigen und meine Augen wurden träge.

Es stimmte.
Wie oft hatte ich hier nachts gesessen, stundenlang und versucht, endlich etwas Schlaf zu finden. Einen schlechten Film nach dem Anderen gesehen, massenweise Talkshows runtergerattert, bis ich glaubte, dass mir das Hirn aus den Ohren lief.

Dabei war ich jemand, der viel und ausgiebig schlief. Jedenfalls am Wochenende. Ich nutzte es aus, wenn Carl nicht da war, der auch am Samstag zu uns ins Bett gesprungen kam... um halb sieben Uhr morgens.

Jetzt hatte ich für zwei Wochen immerhin davon Ruhe.
Wenn wir das Baby hatten, wäre es das erstmal auch damit vorbei...

Ich seufzte, als ich daran dachte. Aber das zweite Kind war alles andere als geplant gewesen. Es hörte sich vielleicht lächerlich an, aber ich fühlte mich beinahe sogar zu alt für ein kleines Baby.

All das Windelwechseln, die Terminrennerei, Kindergärten, Schulen, hier ein Elternabend, da ein Schulausflug – wir hatten es uns erneut eingebrockt und mussten wohl oder übel dadurch.

Ob das Baby allerdings irgendetwas retten konnte, was sowieso schon länger im Argen lag. Ich wusste es nicht und hatte auch gerade keine Lust, keine Kraft, weiter darüber nach zu denken.

Die Stimmen aus dem Fernseher war nur noch ein weit entferntes Echo und mir fielen die Augen zu, als ich in einen traumlosen Schlaf fiel.

Ich wurde erst wach, als ich einen unangenehmen Druck auf den Magen spürte.

Aufstöhnend öffnete ich die Augen einen Spalt, blinzelte und erkannte, dass ich immer noch im Wohnzimmer lag. Ziemlich verdreht, auf dem Sofa... und nicht nur mein Magen schmerzte, nein, auch mein Nacken...
„Scheiße...", fluchte ich leise, als ich mich aufsetzen wollte.

Ich war anscheinend tatsächlich unten auf dem Schlafsofa eingeschlafen und Daryls Schlafplatz eingenommen. Dieser lag an der gegenüberliegenden Armlehne, ineinander gekauert, während ich das halbe Sofa in Beschlag nahm.

Müde strich ich mir durchs Gesicht, als die Übelkeit plötzlich brennend meine Speiseröhre hinaufraste.
Mir wurde übel...

Nur noch ganz knapp schaffte ich es, das Badezimmer zu erreichen und mich in die Toilettenschüssel zu übergeben.

Kalter Schweiß stand auf meiner Stirn und ich fühlte mich gerädert, als hätte man mich halb tot geschlagen und mir jegliches Wasser aus dem Körper entzogen.

Mein Körper zitterte, als ich mich am Waschbecken hochzog und meinen Mund auswusch. Das fahle Licht der Badezimmerlampe zeigte mir deutlich, wie blass ich war und ich erschrak.

Wurde ich krank? Hatte ich mir den Magen verdorben? Irgendetwas nicht vertragen?
Was es auch war – ich fühlte mich hundeelend.

Für einen Moment setzte ich mich auf den Badewannenrand, vergrub mein Gesicht in den Händen und schloss die Augen, versuchte den seltsamen Schwindel irgendwie zu verarbeiten, doch es wurde nicht wirklich besser.

Als wäre ich betrunken...

Schlapp schleppte ich mich hoch in das Schlafzimmer, wo ich einfach nur noch auf das Bett fiel, quer über die Matratze und es dauerte nicht lange, bis ich wieder einschlief.

Dieses Mal wurde ich von dem schrillen Piepen meines Weckers aus den Schlaf gerissen und wütend schlug ich das verdammte Teil vom Nachtschränkchen.

„Halt die Klappe!", murrte ich dem ersterbenden Piepen entgegen und drehte mich schnaubend auf den Rücken.

Was zum Teufel war das gestern Abend gewesen... ich fühlte mich, als hätte ich mich mit Tequila betrunken.
Als hätte ich absolut übertrieben.

Ich blieb einfach für ein paar Minuten liegen, atmete tief durch und fragte mich, wie ich den Tag überstehen sollte, wenn es mir so schlecht ging, als ich Geräusche von unten hörte...

Und da erinnerte ich mich an meinen Gast.

Kill Me If You CanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt