Kapitel 3: Gesellschaft

42 5 0
                                    

Eigentlich hätte ich es mir ja denken können.
Shane hatte irgendetwas geplant, etwas vor, von Anfang an. Deswegen hatte er sich mit mir treffen wollen.

Zugegeben, ich war naiv in dieses Treffen gegangen. Von seinem besten Kumpel sollte man schließlich auch mal erwarten können, dass er einem einfach nur mal so ein Bier ausgeben wollte, oder nicht?

Weit gefehlt.
Das hier war Shane.

Sein seltsam unschuldiger Blick, bittend und lächerlich flehend... oh, er stand ihm nicht. Nicht ihm.

Und so schnaubte ich nur, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor meiner Brust, ließ meinen Blick zu Daryl wandern, der mit seinem Zeigefinger an das Bierglas tippte.
Abwartend.

Ich kannte ihn nicht – aber er würde wohl wissen, dass ich Cop war und keinen Scheiß bei mir abziehen. Wäre auch schön blöd und so schürzte ich grübelnd die Lippen.

„Ah, deine Stirnfalten sind zurück... ein Zeichen, dass du Ja sagst!", zwinkerte Shane.
„Ein Zeichen, dass ich darüber nachdenke.", erwiderte ich und rieb mir über die Stelle zwischen den Augenbrauen, bevor ich dann kurz nickte.
Wir würden uns weitestgehend aus dem Weg gehen tagsüber. Er hatte seinen Job, ich meinen. Das Sofa war in der Tat frei und konnte zur Schlafcouch umfunktioniert werden – das wäre alles kein Problem.

Ich kannte ihn kaum. Er war ein Freund Shanes, schien soweit in Ordnung zu sein und dennoch war da leichtes Misstrauen.
Anders betrachtet: Würde mein alter Kumpel mir irgendeinen Vollidioten ins Haus lassen? Jemand, dem er nicht vertraute?
Ich traute Shane einiges zu, aber das nicht.

Und so oft ich das Für und Wider auch abwog, ich kam immer auf das gleiche Ergebnis: Ich hätte ein schlechtes Gewissen, nicht nur Shane gegenüber, auch Daryl, würde ich es ablehnen.

Und seltsamerweise war ich neugierig auf Shanes alten Biker-Kumpel...
„Also schön, ist in Ordnung.", war meine Antwort und Shane gab einen erleichterten Laut von sich, bevor er mir auf die Schulter klopfte.
„Die nächste Runde geht auch noch auf mich. Hast es dir verdient." , verkündete er erfreut und ich grinste kurz.
„Gut, aber nur eine Cola. Ich muss schließlich noch fahren.", zwinkerte ich und Shane verdrehte die Augen.
Ich wusste, dass er das alles nicht so eng sah, aber Shane hatte auch keine Familie, die er zurücklassen würde, wenn er sein Auto besoffen gegen einen Baum fuhr...

Mein Blick traf den Daryls und er hob sein Glas Bier, um mir zuzuprosten und ich tat es ihm gleich, als er ein „Danke, man." brummelte.

Unsere Blicke verhakten sich kurz über den Glasrand, als wir beide gleichzeitig einen großen Schluck nahmen.

Neugier.
Das war wohl das, was ich verspürte, wenn ich ihn reden hörte und ihn ansah.
Vielleicht einfach nur deswegen, weil Shane ihn mir so lange verschwiegen hatte? Immerhin kannte ich sonst jeden aus seinem Freundeskreis... und Daryl kannte er bereits relativ lange.

Und wer wusste es schon, vielleicht war dieser Daryl eine ganz nette Gesellschaft, mit der man sich abends noch gut unterhalten konnte. Mit dem ich abends zusammen etwas essen konnte. Wenn ich auch hoffte, dass er sich etwas gesprächiger gab... meistens gab er nicht mehr als ein paar Worte von sich. Zwei Sätze waren schon verdammt viel.

Er gab sich wohl gern geheimnisvoll.

Es war um acht Uhr herum, als wir schließlich bezahlten und uns erhoben.
„Uhm, soll ich dich direkt mitnehmen? Bei dir zu Hause vorbeifahren, damit du deine Sachen holen kannst?", fragte ich an Daryl gerichtet.

Wieder hing ein Zigarettenstummel aus seinem linken Mundwinkel, als er seine Jacke schloss und er macht mit seinem Kopf eine kurze, schwungvolle Bewegung, um die Strähnen aus seiner Stirn zu bekommen.

„Nein, ich bin mit meinem Bike hier. Ich hol' eben meine Sachen und komm' dann zu dir. Du wohnst....?"
Ich nannte ihm meine Adresse und er nickte, merkte an, dass es ein schönes Viertel sei und ich grinste.
„Schöner als Shanes auf jeden Fall."

Der ausgestreckte Mittelfinger meines Kumpels war die Antwort, als wir den Pub verließen und die kühle Abendluft unsere vom Alkohol erhitzten Gesichter erfrischte.

„Also dann, Jungs. Einen schönen ersten, gemeinsamen Abend euch.", grinste Shane uns entgegen, zwinkerte und joggte zu seinem Auto.
„Idiot.", murmelte ich vor mich hin, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie Daryl zu seinem Bike ging.

Eine edle Maschine. Top gepflegt, kaum ein Kratzer oder Staubkorn das den Lack verschmutzte.
Der verchromte Auspuff glitzerte edel im Licht der Straßenlaternen und ich gab einen anerkennenden Laut von mir.

„Schönes Bike. Ich wusste gar nicht, dass Shane so etwas Mal besaß.", meinte ich, als ich meinen Wagen aufschloss.

Der Biker schwang ein Bein über die Maschine und setzte sich lässig darauf, legte den Kopf leicht schief und sah mich eindringlich an.
„Er scheint dir vieles nicht erzählt zu haben.", war seine Antwort und tja, damit hatte er wohl oder übel Recht.

„Nein, in der Tat. Weder von dir,... noch von dem Bike... seltsam.", sagte ich und lehnte mich kurz an den Wagen, betrachtete neugierig und interessiert das schöne Motorrad und dessen Besitzer, der seine Maschine einfach startete und das Motorengeräusch grollend ertönte.

Es hörte sich an, als würde es direkt aus der Hölle kommen und bewundernd beobachtete ich ihn dabei, wie er rückwärts aus seiner Parkposition herausfuhr.

Er nickte mir kurz zu, was ich erwiderte und dann fuhr er schon die Straße hinunter.

Ohne Helm.
Das war das erste, was mir als Polizist auffiel.
Aber er schien sich eh wenig darum zu kümmern, wer oder was ich war. Immerhin hatte er auch schon viel zu viel getrunken, um überhaupt noch fahren zu dürfen – aber selbst das schien ihm egal zu sein.

Kaum selbst zu Hause angekommen, versuchte ich, das Wohnzimmer einigermaßen in Schuss zu bringen.
Immer noch lag Spielzeug von Carl kreuz und quer verteilt herum, da er ein erfolgreicher Verweigerer des Aufräumens war und wieder einmal war ich es, der ihm hinterher räumen musste.

Keine zehn Minuten später klingelte es schon an der Tür und ich öffnete eben diese, um wieder in dunkle, eindringliche Augen zu blicken, die mich jedes Mal aufs Neue musterten, als würde er etwas suchen.

„Ging ja schnell.", grinste ich und trat zur Seite, um ihn reinzulassen.
„So viel Zeug habe ich nicht, was ich mitbringen könnte.", murrte er nur und ließ seine Tasche im Flur auf den Boden sinken.

Er ließ seinen Blick durch den Flur schweifen, blieb mit ihm an einigen Bildern hängen und betrachtete sie neugierig.
„Dein Sohn, nehme ich an.", meinte er mit einem Nicken auf ein Bild, als er seine Jacke auszog.

„Uhm ja, das ist... Carl."
Er sah mich mit einem verständnislosen Blick an, als wolle er mich fragen, wie man einem Kind solch einen Namen geben konnte und ich lehnte mich mit der Schulter an die Wand, ihm gegenüber.

Für einen Moment sahen wir uns herausfordernd an und würde ich es nicht anders wissen, würde ich behaupten, er versuchte gerade, mich zu lesen.

„Benannt nach meinem Schwiegervater."
Er nickte verstehend, nahm die Tasche und schulterte sie, ehe er weiter ins Wohnzimmer ging.

„Dein zukünftiger Schlafplatz. Die Schlafcouch ist wirklich bequem und naja, du kannst so viel Fernsehen, wie du willst... also...", sagte ich einladend und lehnte mich über das Sofa, um mir die großen Kissen zu angeln, und sie an die Seite zu legen.

Ein stechender Blick in meinem Rücken und ich drehte mich zu ihm um.

„Läuft doch eh nur Scheiße.", grummelte er und grinste schief.

Ich lachte auf.
„Naja, so kann man es auch sehen."

Mit schnellen Handgriffen hatte ich das Sofa in eine Schlafcouch verwandelt und stolz deutete ich darauf.
„Viola! Oh..."

Schnell griff ich nach einem Kleidungsstück, was wohl wie Unterwäsche von Lori aussah – ein roter BH – der wohl in die Ritze der Rückenlehne gerutscht war, und jetzt zum Vorschein kam.

War lange her, dass wir auf der Couch...

„Ähm,... willst du noch was essen?"

Kill Me If You CanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt