Mit einem fröhlichen Blick bedachte die junge Frau den Garten unter ihr. Stolz musterte sie die bunten Blumen, die in der Finsternis der Nacht fast schwarz erschienen und von jeher ihr liebster Anblick gewesen waren. Die Frau, die man fast noch als Mädchen bezeichnen konnte, brauchte keine Kunstwerke von großen Malern zu betrachten, um Schönheit zu erkennen. Ihr genügte der Anblick des blühenden Lebens, wie sie es in so mancher Diskussion bezüglich dieses Themas treffend beschrieb.
Ihre Familie hatte nie verstanden, was Magdalena an diesen Blumen so anziehend fand, doch hatten sie ihr den größten Traum erfüllt und einen Gärtner angestellt, der sich um die sonst verwildernde Grünfläche kümmern sollte. Dafür liebte die Blumenfanatikerin ihre Familie von ganzem Herzen. Bloß mit einem kleinen Teil des Vermögens einen Angestellten anzuwerben, damit die Tochter den Eltern dann aufs Wort gehorchte, war eigentlich ein guter Plan, um seine Kinder zu zähmen. Wie es aussah, schien diese Taktik sogar zu funktionieren.
Magdalena lächelte und besann sich wieder darauf, aus dem Fenster zu starren und dort ihren Traumprinzen zu erwarten. Doch weil sie wusste, wie die Welt in dieser Hinsicht funktionierte, machte die Frau sich erst keine Hoffnungen darauf, die Liebe zu finden. Dabei war dies nicht einmal der schwierigste Teil dieses Plans, denn dann würde sie ihre Eltern davon überzeugen müssen, ihren Geliebten auch heiraten zu dürfen. Deshalb beschränkte das Mädchen sich darauf, einmal mit einem alten, vermögenden hohen Tier der Gesellschaft als Ehegatte vorliebnehmen zu müssen.
Es war immerhin noch besser denn als Grabennymphe auf der Straße zu enden. Womöglich hatte Magdalena mit ihrer Familie kein schlechtes Los gezogen, doch diese Heiratspolitik brachte sie schlichtweg zur Weißglut. Ihre Eltern waren fast schlimmer als die Habsburger, die mit ihrem Verkauf des Traums eines jeden kleinen Mädchens schließlich fast ganz Europa erobert hatten. Nun waren sie Geschichte. Zwar ein bedeutender Teil der nationalen und internationalen Vergangenheit, jedoch nicht mehr existent. Magdalena erstaunte es, wie solch eine Monarchie, die in Mitteleuropa jahrhundertelang Bedeutung gehabt hatte, einfach so innerhalb relativ kurzer Zeit komplett zerfallen konnte. Tatsächlich hatte der private Geschichtsunterricht seine Wirkung auf die junge Frau gezeigt. Sie hing nun viel öfter ihren Gedanken nach, denn nun musste sie auch das überdenken, was die Generationen vor ihr schon beschäftigt hatte.
Das wiederum führte zurück zum gepflegten Garten der Rosenliebenden. Es war ihr fast zum Ritual geworden, sich zu den bunten Blumen zu gesellen, sollte das Mädchen einmal nachdenken wollen. Sie atmete dann den beruhigenden Duft des Flieders ein und ließ sich von der Pracht ihrer Schützlinge betören. Oftmals saß Magdalena stundenlang dort unten und betrachtete die Bienen, die ihre Arbeit verrichteten. Hin und wieder nahm sie eine der schöneren Pflanzen mit ins Haus und legte sie behutsam in ihrer gläsernen Vase ab, einem Erbstück der verstorbenen Großmutter.
Gelegentlich ließ sie ihre Blumen auch in alten, schweren Büchern trocknen und verwahrte sie sicher in einem Schmuckkästchen. So sagte Magdalena einst, könne sie ihren Garten auch betrachten, wenn draußen Schnee vom Himmel fiel und ihr die Sicht auf die Beete versperrte. Das war dann natürlich ärgerlich für die Freundin des Blühens, aber immerhin konnte sie sich an den getrockneten Blumen ergötzen.Elegant erhob sich das Fräulein und stolzierte zu ihrer hölzernen Kommode. Als sie eine der Schubladen öffnen wollte, ächzte diese fürchterlich laut, sodass es dem Mädchen fast in den Ohren schmerzte. Geschickt fuhr sie mit ihrem zarten Arm durch den engen Spalt, der sich so gebildet hatte. Vorsichtig tastete die schmale Hand durch die Dunkelheit, bis Magdalena die Umrisse spürte, nach denen ihre Finger geforscht hatten. Langsam strichen die Finger des Mädchens über das gemaserte Holz. Seit einer Ewigkeit stand die Schmuckschatulle in der Kommode, vom Mädchen vollkommen vergessen.
Nun hatte sich der Gedanke an die vertrockneten Blumen wieder in den Vordergrund gedrängt. Magdalena hob die kleine Kiste aus der Finsternis der Schublade und betrachtete jene eindringlich. Sie war von edlem Material, in welches aufwändige Verzierungen geschnitzt waren. Man konnte verschiedene Blumen und Schmetterlinge erkennen. Vor allem aber, war die Mühe des Künstlers sichtbar. Magdalena hatte die Kiste an ihrem zehnten Geburtstag geschenkt bekommen und ihre Schönheit seitdem stets bewundert. Doch mit den Jahren war die kleine Kassette aus den Augen des Mädchens verschwunden und somit auch aus ihrem Geist.
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Die Liebe der Rose
Historical Fiction~Magdalenas Hand hielt immer noch die zarte Rose. "Weißt du, dass das nicht die schönste Rose ist, die ich je gesehen habe?", fragte Florian plötzlich. Magdalena antwortete mit einer Gegenfrage: "Wann hast du denn die schönste Rose gesehen?" Nervös...