Niemals hätte Magdalena zu glauben gewagt, dass genau das, was ihr zuvor noch nervig und leer erschienen war, sie retten würde, aus dem fesselnden Blau des Meeres. Einzelne Sonnenstrahlen wurden durch die Wasseroberfläche gespiegelt. Nun wusste sie, in welcher Richtung sie die ersehnte Rettung erwartete. Die Sonne hatte ihr den Pfad gewiesen, den sie zu finden nicht mehr fähig war. Dankbar schwamm die Ertrinkende dem befreienden Licht entgegen. Ein kräftiger Atemzug füllte ihre nach Sauerstoff lechzenden Lungen, als die versinkende Frau die Wasseroberfläche durchbrach.
Es überraschte sie, dass Florians forschender Blick sie aus Max' Bann gezogen hatte. Die hilflose Blume wäre ihm sonst ohne Zögern verfallen. Das gierige Wasser zog immer noch an ihrem treibenden Körper, doch die verschlingenden Wellen waren verschwunden und Magdalena hatte das bergende Licht, an das sie sich klammern konnte, gefunden. Still schenkte sie ihrem Helfer in der unausgesprochenen Bedrängnis ein dankbares Nicken, ehe sie sich wieder ihrem Tanzpartner zuwandte. Jede andere Frau wäre sofort an seinen Zauber gebunden worden, glaubte der Edle. Doch er hatte sich eindeutig an die falsche Frau gewandt, wenn er eine lieblose Affäre suchte.
Hastig stolzierte die Schöne zum zweiten ihrer Verehrer. Flo hatte sich an ihren offiziellen Lieblingsstehtisch bequemt und nippte dort gelangweilt an seinem halbvollen Glas. Wenn man den attraktiven Blonden genauer betrachtete, eine Tätigkeit, die der entzückten Blume sehr gefiel, sah man die Ähnlichkeit zu einem begossenen Pudel. Riesige, blaue Augen blickten ihr entgegen, während sich mit jedem einzelnen Schritt die Reue in das Gewissen der Angebeteten brannte. Der Polizist hatte das Strahlen aufgegeben und traurige Wolken umgaben ihn. Magdalena erwischte sich bei dem verstörenden Gedanken, sie würde dem armen Hund beschwichtigend über den nassen Kopf streicheln. An diesem Punkt endete ihre Empathie eindeutig. Keuchend lehnte die Frau sich gegen den Tisch und spielte mit der weißen Tischdecke.
Bemitleidend fragte sie den jungen Mann, ob er denn nicht mit ihr tanzen wolle. Schließlich war dies zuvor schon sein Wunsch gewesen. Doch zur Überraschung der geübten Tänzerin kam er der Aufforderung nicht nach. Ein gleichgültiges Schulterzucken bildete die Antwort. Flo erschien ihr seltsam. Zuerst bat er noch um einen zweisamen Moment auf dem Tanzparkett, bis er dann plötzlich gestand, dass seine Tanzkünste miserabel waren. Innerlich schlug sich Magdalena die Hand gegen die Stirn. Diese unverbesserliche Dummheit konnte doch nicht dem Ernst einer menschlichen Lebensform entsprechen, die noch annähernd ein Gehirn besaß. Man sollte meinen, der Tanz handle von einem Zeichen der Harmonie und des Einklangs, hing jedoch nicht primär von der Richtigkeit der Tanzschritte ab.
Trotzdem begannen die beiden ein Gespräch, in das schlussendlich auch Max widerwillig einstieg. Freundlich und höflich wie eh und je zog Magdalena über die Kleiderwahl der anderen Gäste Bilanz. Lachend behauptete jene, man könne anhand der getragenen Kleidung die persönliche Zukunft und den Charakter eines Menschen bestimmen. Die Blume rümpfte ihre Nase und tastete gedanklich Flos Anzug ab.
An einer außergewöhnlich verknitterten Stelle blieb ihr Blick schließlich haften. "Du bist ein sehr unordentlicher Mensch. Außerdem stehst du nicht gerne im Vordergrund. Dein Anzug zeigt mir eine glorreiche Zukunft beim Sicherheitswachekorps", erklärte die Gärtnerin prustend.
"Woher weißt du, wo ich arbeite?", fragte der Blondhaarige stockend. Magdalena hatte vergessen, ihm von ihren heimlichen Beobachtungen zu erzählen. Hastig zwang sie sich zu einer beschwichtigenden Geste. Nun musste die Tollpatschige sich bemühen, ein Gesprächsthema zu finden, das nicht in einem Desaster wie dieses enden würde.Während die junge Frau krampfhaft überlegte, breitete sich Stille am Stehtisch in einem der entlegenen Winkel des Saales aus. Das schallende Lachen der anderen Gäste übertönte fast ihre Gedanken. Ungefähr dreißig Menschen hielten sich nun noch im Raum auf, da viele sich ihren Abend spannender vorgestellt hatten. Außerdem war die Aufforderung, sich im Haus dieser ehrenlosen Familie aufzuhalten, nicht gerade erregend für die feindseligen Stimmen der Reichen.
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Die Liebe der Rose
Narrativa Storica~Magdalenas Hand hielt immer noch die zarte Rose. "Weißt du, dass das nicht die schönste Rose ist, die ich je gesehen habe?", fragte Florian plötzlich. Magdalena antwortete mit einer Gegenfrage: "Wann hast du denn die schönste Rose gesehen?" Nervös...