Lächelnd besah Magdalena die junge Frau vor sich. Man konnte sie schlichtweg nur als wunderschön bezeichnen. Die fließenden, blonden Haare schmiegten sich wild gelockt an ihre geraden Schultern. Der herzförmige Mund war mit dunkelrotem Lippenstift perfektioniert worden und die dichten Wimpern umrahmten ihre blauen Augen. Dieses Gesamtwerk verlieh seiner Trägerin ein fast königliches Aussehen, doch als Magdalena auf das Kleid blickte, meinte sie, ihr Herz müsse eine kurze Pause einlegen.
Ein mitternachtsblauer Traum erstreckte sich über den wohlgeformten Körper der Schönheit. Der nahezu brave Ausschnitt wich einer schmal geschnittenen Taille, die eine Ebene tiefer Platz für einen ausladenden Rock machte. Das wadenlange Kleid brachte die Vorzüge der Frau wunderbar zum Vorschein, musste Magdalena erstaunt feststellen. Der Schneider hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Ein letztes Mal glitt der Blick des Mädchens über die schöne, weibliche Silhouette, bis sie sich zufrieden vom Spiegel abwandte. Elegant schwebte die Elfe in Blau durch den Raum und konzentrierte sich auf das nervtötende Geräusch, das ihre Absätze erzeugten. Der Klang hallte in dem menschenleeren Saal wider.
Noch waren die erwarteten Gäste nicht eingetroffen, doch in den Kreisen der höheren Gesellschaft galt es fast schon als Pflicht, sich zu verspäten. Denn je später die Stunde war, desto mehr Menschen konnten den eigenen Auftritt verfolgen. Dann sollten nur noch die Brust herausgereckt und die Schultern gestrafft sein, um das Bild mit Würde zu schmücken.
Magdalena könnte einen Roman über die Pflichten und Benimmregeln der edlen Kreise verfassen. Schon in der Kindeswiege hatte sie lernen müssen, sich stets vornehm zu benehmen. In den 1920ern war diese ganze Tortur noch ein wenig abgeschwächt gewesen. Man wollte nur als modern und jugendlich gelten. Doch nun, da man versuchte, alte Verhaltensweisen wiederzubeleben, fühlte die junge Frau sich fast, als wäre sie geistig in ein enges Korsett gedrängt worden, das ihr die Luft zum Atmen stahl. Eines Tages würde sie ersticken, wenn sie weiterhin gezwungen war, dasselbe aufgesetzte Lächeln tragen, wie ihr Gesprächspartner. Diese geheuchelte Freundlichkeit, die nur den Neid und die unbändige Gier zu verstecken versuchte, würde das Mädchen in nicht allzu ferner Zukunft noch heimtückisch ermorden.
So sah die Blume mit zwei verschiedenen Ansichten auf den Maskenball, der sich schon seit Tagen in Magdalenas Gedanken verfestigt hatte. Einerseits scheute sie sich, auch nur ein einziges Gespräch mit einem dieser einfältigen Angeber zu führen, aber auf der anderen Seite lockte die Redoute mit der Möglichkeit, die Liebe zu finden. Doch ganz ungeachtet des Zwiespalts, ob die Frau sich an dem Ball erfreuen sollte, würden bei beiden Möglichkeiten Probleme auftauchen. Sie würde sich entweder mit Langeweile, oder mit Ignoranz beim Überzeugen der Menschheit von der Liebe, abfinden müssen. Keine der beiden Möglichkeiten schien verlockend zu sein.
Jedoch wurde diese Waage aus dem Gleichgewicht gebracht, wenn sie sich die Küsse eines jungen, attraktiven Mannes vorstellte. Intuitiv drängte sich das Bild des lächelnden Polizisten in ihren Geist. Er hatte Magdalena fasziniert und wenn sie ihren Gedanken nachhing, kam sie schlussendlich zum Bild des freundlichen, uniformierten Mannes.
Das Mädchen fragte sich inbrünstig, ob man sich in nur einem Moment in einen Menschen verlieben konnte, mit dem Wissen, diesen nie wieder zu sehen. Sie glaubte, es geschafft zu haben, denn dieses wärmende Gefühl, das sie bei jedem Gedanken an ihn verspürte, wies sehr darauf hin. Die Blume hatte nicht ein einziges Wort mit ihm wechseln können, da er plötzlich verschwunden war.An den ersten beiden Tagen hatte sie versucht, ihn zu finden, doch keine einzige Spur führte zum blonden Mann. Die abenteuerliche Frau hatte sich sogar in ein Gespräch mit einem der Ordnungshüter gewagt. Der alte Mann hatte das Mädchen nur wüst beschimpft und ihr befohlen, sie solle weiter die Wäsche ihres Gatten waschen gehen. Verärgert und verzweifelt schüttelte die Blume ihren Kopf. Sie würde ihn nie wieder sehen, den unbeschwerten Polizisten, der nur mit seinem Anblick ihr Herz verzaubert hatte. Doch vielleicht lag es auch nur in seiner Natur, die Frauen zum Erliegen seines Charmes zu bringen.
DU LIEST GERADE
Die Liebe der Rose
Ficción histórica~Magdalenas Hand hielt immer noch die zarte Rose. "Weißt du, dass das nicht die schönste Rose ist, die ich je gesehen habe?", fragte Florian plötzlich. Magdalena antwortete mit einer Gegenfrage: "Wann hast du denn die schönste Rose gesehen?" Nervös...