8- Lebe wohl

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Die Grenzkontrollen wurden immer weiter verschärft und ließen mich daran zweifeln, dass ich Ares noch Lebewohl sagen konnte. Bevor ich das mit ihm beendete, wollte ich mich wenigstens von ihm verabschieden. Es brach mein Herz und es brach auch Mich. Seit Tagen lief ich mit ausdruckslosem Gesicht durch die Gegend, was auch schon Mutter auffiel.
"Liebes, was hast du denn?", fragte sie mich fürsorglich, als ich dabei war, den Kessel zu spülen. In ihren Augen spiegelte sich Sorge, wollte sie ihre Kinder schließlich nicht traurig sehen.
"Alles gut, mir ist wohl der Eintopf nicht ganz bekommen. Lag wahrscheinlich am Thymian. Brauchst dir keine Gedanken um mich machen, Mutter", versuchte ich sie davon zu überzeugen, dass es mir gut ging. Mutter wirkte zwar nicht ganz zufrieden mit meiner Antwort, jedoch beließ sie es dabei.

Der nächste Morgen war reine Tortur für mich. Eigentlich sollte ich mich freuen, dass ich Ares wiedersehen würde, doch ich wachte schon mit einem festen Knoten im Magen auf. Zum einen hoffte ich, dass er auftauchen würde, zum anderen, wurde ich von der ständigen Angst, erwischt zu werden, gejagt. Der Flug bis zu unserem Treffpunkt war mühsam und auf dem moosbedeckten Stein wartete Ares auf mich. Als er mich ansah, bemerkte ich, dass auch ihn etwas bedrückte.

"Schön das du da bist, ich hatte schon Sorge, dass du nach der Entscheidung meines Vater nicht kommen würdest", teilte ich ihm meine Bedenken mit, denn mit Ares konnte ich immer ehrlich sprechen. Egal um welches Thema es sich handelte. Jedoch graute es mir vor dem einen Thema jetzt schon.

"Dein Vater hat eine falsche Entscheidung getroffen, Gaia. Ich weiß nicht, ob ich diese Tat so einfach aus meinem Gedächtnis löschen kann. Die Unruhen gegen euch nehmen immer weiter zu, und mein Volk versucht alles, um in euer Reich zu dringen. Sie wollen Rache nehmen, ich kann und werde nichts dagegen tun können."

Seine Worte fühlten sich wie Messerstiche in meiner Brust an. Es klang, als würde er mich für die Tat meines Vaters mitschuldig machen, dabei hatte ich doch nichts damit zu tun. Auch ich hielt dies für unfair, aber was sollte ich als junges Feenmädchen dagegen tun können? Es gab Gesetzte und an die musste sich gehalten werden. Eine Herrschertochter auch.

"Ares, ich bedaure euren Verlust sehr, doch hätte ich es nicht aufhalten können. Ich bin machtlos gegen all das. Gerade du solltest wissen müssen, wie sehr ich die Streitigkeiten zwischen unseren Vätern verabscheue", stieß ich empört aus.

"Es ist alles die Schuld deiner Mutter, hätte sie damals bloß nicht die Köpfe unserer beider Väter verdreht", murmelte er verächtlich. Was bildete sich Ares dabei ein? Sein Vater hätte nicht anders gehandelt als meiner, wäre ein Eindringling bei ihm entdeckt worden. Denn beide waren sich ähnlicher als sie zugeben wollten.

"Es langt! Lass meine Mutter aus dem Spiel, denn sie hat nichts damit zu tun. Es war ihre freie Entscheidung damals zu meinem Vater zu gehen und wenn dein Vater mit dieser Niederlage nicht leben konnte, dann siehe dich um und überlege genauestens, wer nun gut oder böse ist." Meine Geduld war zu Ende und meine Wut wuchs mit jedem weiteren Atemzug. Ich beobachtete, wie Ares aufsprang und vor mir hin und her flog. Er überlegte seine nächsten Worte genauestens, denn sie sollten mich zutiefst verletzen.

"Die Tat deines Vaters hat mir die Augen geöffnet, Rhea wird meine zukünftige Frau. Niemals könnte ich mir vorstellen, mit ihm an einem Tisch sitzen zu müssen und ihn als meinen Schwiegervater zu betiteln. Eher lasse ich mich verbannen", spie er mir die Worte ins Gesicht. Sein wütender Ausdruck in seinen blauen Augen ließ mir heiße Tränen über meine Wange fließen. Ich wollte meine Fassung wahren, doch er trat unsere Beziehung mit Füßen. Und ich war ihm auch nicht mehr wichtig genug, so wie er mich behandelte.

"Jor war wie ein Bruder für mich und jetzt ist er weg. Für immer."

"Na und? Auch wir haben jemanden aus dem Volk verloren, also erleidet sowohl Louloúdi als auch Dásos einen Verlust. Doch dies scheint dich nicht zu interessieren, Ares. Du hast recht, jeder sollte die Person heiraten, die für einen bestimmt ist. Du wirst Rhea heiraten und ich Eros. Ich wünsche dir noch ein glückliches Leben, denn unsere Beziehung hätte sowieso nicht lange halten können. Lebe wohl, Ares."
Das ich solche Worte mal gegen ihn aussprechen musste, damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Auch wenn mir die Tat gestern verdeutlichte, dass eine Beziehung zwischen Ares und mir hoffnungslos war, so dachte ich nicht, dass unser Gespräch so ausarten würde. Es bestand nur noch aus wüsten Beschuldigungen, denn wir waren beide verletzt und verzweifelt. Mit einer erwachsenen Unterhaltung hatte das hier nichts mehr zu tun.

Er raufte sich verzweifelt sein blondes Haar, als ich mich ohne weiteres von ihm abwand und unter Tränen nach Hause flog. Zu meiner großen Liebe wagte ich es nicht zurück zu schauen, sonst hätte ich mein letztes Stück stolz auch noch verloren, indem ich zu ihm zurückgeflogen wäre.

Kristallklarer MorgentauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt