Die nächsten Tage zogen wie im Flug an mir vorbei. Ich bekam mein eigenes Zelt, Lykke half mir es einzuräumen und im Gegenzug passte ich auf ihre Drillinge auf. Sie waren so goldig...
Die Abendessen wurden immer gemeinsam eingenommen. Den Rest der Zeit verbrachte ich entweder allein oder bei Lykke. Sie musste im Gegensatz zu den anderen nicht arbeiten, da sie in ihrer Trauer genug Freiraum bekommen sollte. Ihr Mann war vor kurzem verstorben. Sie schien es ganz gut zu bewältigen, aber Nachts, wenn sie dachte, alle würden schlafen, hatte ich sie mehrfach wimmern hören.
Mein Zelt unterschied sich nicht wirklich von den anderen. Alle waren im Grunde gleich aufgebaut. Weiß. Geräumig. Spartanisch. Es gab nicht wirklich viel zu beschreiben.
Heute war der Tag an dem ich meine Arbeitszuteilung bekam. Nach drei Tagen Eingewöhnungszeit war meine Schonfrist jetzt aufgebraucht.
Der Morgen begann wie auch die Vergangenen an die ich mich erinnerte. Nur mit dem Unterschied, dass ich alleine und ohne das Gekreische von den Winzlingen aufwachte. Sie begannen schon morgens in der Früh mit ihren Schwertkämpfen. Und jedes einzelne Mal gewann Freya. Sie hatte viel Potential und war ihren Brüdern Fynn und Eric weit überlegen.
Ich quälte mich notgedrungen aus dem Bett. Ich liebte es und hasste jeden verdammten Morgen an dem ich es verlassen musste. Spätestens wenn ich die Decke beiseite schlug, verließ ich endgültig das Land der Träume und musste, ohne dass mir eine Wahl blieb, die wohlige Wärme meines geliebten Schlafplatzes verlassen.
An diesem Tag fiel es mir besonders schwer, da ich zum ersten Mal von dem Hahn und nicht von drei süßen Kindern mit Locken und weißen Nachthemden geweckt wurde. Nicht dass das so berauschend gewesen wäre, aber dieser verdammte Gockel war um einiges lauter und unangenehmer im Ohr.
Ich lief auf nackten Füßen und schlaff wie ein nasser Sack in die Kochecke, dort setzte ich den Kessel auf und ließ ihn pfeifen. Während das Wasser warm wurde, zog ich mich an, stellte mich vor den Spiegel und sah mich an. Schrecklich. Mein Gegenüber sah schreckhaft schrecklich aus.
Mal ganz abgesehen von den dunklen Ringen unter meinen müden Augen, die ihre türkisblaue Farbe hervorhoben, sahen meine Haare aus, als hätte eine ganze Vogelfamilie darin genistet. Meine großen Locken standen unregelmäßig in alle Richtungen ab. Sowohl dicke, als auch dünne Strähnen zogen sich in komischen Formen nach oben, die definitiv keine Locken waren. Es sah grauenvoll aus. Aber ich hatte keine Zeit mich neu zu frisieren, daher band ich sie einfach auf meinem Hinterkopf zusammen und wandte mich meinem Kesselchen zu, welches munter vor sich hin pfiff.
Ich goss mir die dampfende Flüssigkeit in einen Becher und warf noch ein paar Kräuter und Ingwer hinein. Es schmeckte widerwärtig, aber trotzdem trank ich es immer wieder um meine Wunden schneller heilen zu lassen. Ich setzte mich an den kleinen Tisch auf die dünnen Kissen, die den kargen Boden verzierten und würgte die heiße Brühe hinunter.
Als ich gerade den letzten Schluck hinunter bekommen hatte, platzte Mormor ausgelassen und munter wie immer in mein Heim.
„Morgen! Schön hast du es hier. Aber ein bisschen leer, findest du nicht? Vielleicht solltest du dir einen Mann suchen. Dann wäre es hier schon viel schöner. Hab ich Recht?"
Ihre Stimme wirkte heute noch sehr viel lauter und enthusiastischer als jemals zuvor. Aber noch bevor ich wieder etwas erwidern konnte, fuhr sie mit ihrem Monolog fort.
„Also Nova. Ich habe lange, sehr lange darüber gegrübelt wo du arbeiten solltest." Sie begann im Raum herumzuwandern. „Ich habe sogar Hilfe hinzugezogen. Lykke. Du kennst sie ja." Sie blieb vor dem Spiegel stehen und fuhr sich durch die Haare. „Und sie kennt dich auch." Mormor setzte ihren Gang, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, fort. „Jedenfalls sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es am Besten sei, dich in die Kinderstube zu versetzten. Lykke hat erzählt, wie rührend du dich um ihre Kinder gekümmert hast und du schienst dabei Spaß zu haben. Außerdem ist die Kinderstube unterbesetzt." Mormor sah mich direkt an.
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Outside
FantasyDas Leben ist eine Achterbahnfahrt. Nachdem es einmal begonnen hat folgt ein Hoch dem Tief und das Tief einem Hoch. Manchmal steht für einen Moment alles Kopf. Aber kann sich noch jemand an den Beginn erinnern? Wie es war? Wohl kaum. Nova muss nach...