7. Alles auf Anfang

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Er war immer noch sauer auf seine Klassenkameraden. Wie konnte man nur so beschränkt und engstirnig sein? Oder sollte man besser fragen, warum Noah nicht so war wie die Anderen? Wie kommt es zu Menschen wie Noah, die in so krassem Kontrast zu Leuten seines Alters stehen?

Sein Handy klingelte und riss in aus seinen Gedanken. „Jaa?“ meldete er sich und eine, ihm nur allzu bekannte, Stimme rief „Mensch, warum gehst du denn nie ans Haustelefon?!“ . Die schon wieder, dachte er sich „Hallo Mama.“ Entgegnete er ihr, konnte sich einen genervten Unterton allerdings nicht verkneifen. „Stör ich?“, fragte sie, aber nicht aus Höflichkeit, sondern in einem Tonfall, der verriet, dass sie vermutlich die Augen verdrehte. „Ja, du störst. Du störst mich jeden Tag und jede Sekunde, die ich mit dir telefonieren muss, ist für mich die reinste Zeitverschwendung. Mir geht’s super, danke der Nachfrage, Papa ist nicht da, also man sieht sich. Tschüss.“, gab Noah zurück und legte, ohne eine Antwort abzuwarten, einfach auf. Was wohl Rina denken würde, wenn sie dieses Telefonat zwischen ihm und seiner Mutter mitbekommen hätte?

…“Wieso bist du nur so stur?“, rief er in den Telefonhörer und konnte seine Wut nicht unterdrücken. Sie offenbar auch nicht „Du bist selber stur!“ – wie im Kindergarten, dachte Noah und sie vermutlich auch. Beide atmeten tief ein und ließen die eingeatmete Luft mit einem seufzer heraus undzwar synchron. „Gut, wir sind beide stur“, räumte sie mit einer nun wesentlich ruhigeren Stimme ein. Sie war so kompromissbereit. Er fand es toll. „Rina, was ist, wenn deine Berechnungen nicht stimmen? Der Plan nicht aufgeht? Ich nicht drüber wegkomm? Was mach ich denn dann?“ fragte Noah mit heiserer Stimme, denn er war sowohl nervös, als auch verzweifelt. Er konnte sie nicht überreden, sie blieb bei ihrer Version der Zukunft. „Hör mal, du wirst mich bald vergessen haben, ganz sicher. Da brauchen wir auch nicht zu diskutieren, das wirst du dann schon selber sehen, glaub’s mir“. Autsch. Das tat weh. „Was, wenn nicht?“, beharrte er. „Woher willst du das denn wissen? Ich mein, du bist 15, ich bin weg von der Schule.“, hielt sie dagegen. „Glaub mir doch, ich hab das im Gefühl, das wird nicht weggehen!“, versuchte er es erneut, doch damit stieß er bei Rina auf taube Ohren. „Ich bin ja auch schon n bisschen älter als du, ich weiß, dass es nur eine Phase ist. Ich bin jetzt auch schon wieder viel zu spät dran, ich wollte vor unserem Telefonat schon los und war da schon knapp in der Zeit. Mach’s gut und halt die Ohren steif!“ und beim letzten Satz, konnte er deutlich ihr entwaffnendes Lächeln hören und sah es praktisch vor sich. „Hm…okay…ja, du auch“, entgegnete er und legte auf…

Noah hatte keine Zeit dafür sich über Vergangenes so viele Gedanken zu machen, es war Freitag und er wollte einfach nur noch feiern. Da fiel ihm ein, bald würde er ja 18 werden! Dann hieß es „Hallo, Volljährigkeit!“ . Er hatte zwar noch gute 2 Monate, aber dennoch verspürte er den Drang schon einmal zu planen. Das war immerhin besser als den ganzen Tag ständig an Rina zu denken. Er überlegt, wen er alles einladen würde, wo er feiern könnte und was er an seinem großen Tag denn alles trinken wollte. An diesem Tag war es eigentlich schon Pflicht, komplett besoffen zu sein. Sein Handy klingelte erneut. Wieder seine Mutter. „WAS IST?!“ – jetzt war er wütend. Was wollte sie eigentlich die ganze Zeit von ihm? Als hätte er es geahnt, lallte sie in den Hörer „Was sollisch schon wolln von dir? Du bis doch s Allerledsde wasses gibt! Genaaau so wie dein Vadder!“ – da legte er einfach auf. Das musste er sich nicht geben. Er zitterte vor Wut und musste sich mit ganzer Willenskraft zusammenreißen, um nicht einfach sein Handy gegen die von Rauputz bedeckte weiße Wand zu schmettern. Wie konnte sie nur so dreist sein und IHN als den Bösen hinstellen?! Dabei hat sie, SIE GANZ ALLEIN alles kaputt gemacht!!!

…Noahs 2 Jahre älterer Halbbruder Michael lebte nicht, wie Noah, bei ihrer gemeinsamen Mutter, sondern bei seinen Großeltern mütterlicherseits und obwohl die beiden nicht einmal in der gleichen Stadt wohnten, waren sie ein Herz und eine Seele. Meistens besuchte Noah seinen Bruder am Wochenende, wenn aber Michael einmal zu Noah sollte, war das schon ein besonderes Ereignis. Noah war gerade 5 geworden und Michi, wie er ihn auch nannte, demnach 7. Noah hatte sich schon seit einer ganzen Woche auf den Besuch gefreut, vor allem, da Michi sogar ausnahmsweise übernachten durfte. Die beiden Jungs spielten den ganzen Nachmittag und als sie vom wilden Rumgeheize und Toben erschöpft waren, wollten sie etwas zu essen. Beide gingen gut gelaunt lächelnd ins Wohnzimmer zu ihrer Mutter, doch als sie die bereits leeren Weinflaschen und eine Angefangene auf dem Tisch stehen sahen und hörten wie ihre Mutter dümmlich vor sich hinlachte, verging ihnen ihr Lächeln so schnell, dass sie augenblicklich die vergangenen Stunden vergaßen. „Was glotzt n ihr so blöd?!“. fuhr die Frau mit den zerzausten schwarzen Haaren, den halbgeschlossenen, blutunterlaufenen Augen und einem insgesamt viel zu sehr geschminkten Gesicht ihre beiden Söhne an. „Ich darf auch mal meinen Spaß haben! Auch wenn ihr mir meinen Spaß verderben wollt. Ich hab euch beide schon durchschaut, mir braucht ihr nichts vormachen HAHAHA! Ihr kleinen Vollidioten dachtet, ihr könntet mir meinen Spaß nehmen!“. Weder Noah, noch Michi verstanden was ihre Mutter von ihnen wollte. „Mama, wir haben Hunger!“, rief Noah, doch seine Mutter zuckte nur mit den Schultern „Ich kann jetzt nix herzaubern, habter Pech gehabt HAHAHA!“.

Sie fing an sich umzuziehen, während Noah und Michi betreten im Wohnzimmer auf der Couch saßen, der Hintergrund unterlegt mit Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“, zu dem deren Mutter laut und vor allem falsch mitgrölte. Nach gefühlten Stunden, stoppte sie den CD-Player , packte ihren Hausschlüssel in die Seitentasche ihres langen weinroten Mantels „Also Ciao!“, sagte sie und lief zur Haustür. „Gehst du Essen holen?“, fragte der kleine Noah hoffnungsvoll. „Achsomoment“, antwortete seine Mutter nuschelnd, griff erst in ihren Geldbeutel, anschließend in die unterste Schublade der Holzkommode, im Durchgang zwischen der Küche und dem Wohnzimmer. Sie packte das schnurlose Telefon von der Ladestation und klatschte es, zusammen mit einer Pizzaservicebroschüre und einem 20 Euroschein auf den Esstisch im Wohnzimmer. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ sie die Wohnung und schloss ihre Kinder ein. „Wann kommt Mama wieder?“, fragte Noah seinen Bruder, der nur ein gepresstes „Gar nicht.“,  über die Lippen brachte und mit zusammengekniffenen Augenbrauen und geballten Fäustchen wütend auf den Boden starrte. …

Diese Frau war furchtbar. Ihn machte sie für alles verantwortlich und beschwerte sich auch noch, er würde sich nie melden, das mache sie traurig. Achso. Genau. Noah atmete tief durch als das Haustelefon klingelte. Er stand auf und lief mit schleppendem Gang aus seinem Zimmer in die Diele und schaute auf den Telefondisplay „Externanruf“ – Wenn das jetzt schon wieder…“Hallo?“, hob er ab. „Warum legs du denn einfach auf? Was habisch dir getan? Du bis doch mein Kind!!“, lallte seine Mutter heulend ins Telefon. „Was du mir getan hast?! Das fragst du noch?!“, gab er wütend zurück. „Ich weiß nisch, wassisch dir getan hab!“, kam von ihr verständnislos zurück. Noah war außer sich und konnte sich nicht mehr beherrschen. „WAS IST EIGENTLICH BEI DIR FALSCH GELAUFEN?!?! DU HAST MICH PSYCHISCH DEMOLIERT, VERDAMMT NOCHMAL!!!“, schrie er. „Was habisch?!“,antwortete seine Mutter entsetzt. „JA, DU HAST MICH SCHON VERSTANDEN! FRAG DOCH MAL MICHI! ODER PAPA! ODER DAS JUGENDAMT! JEDER WEISS ES AUSSER DIR?!...“, Noah unterbrach sich selbst, er musste sich beruhigen bevor er fortfuhr, „Ruf mich nicht mehr an.“ Und auflegte. Er schaute sich um und stellte fest, dass er wohl wutentbrannt in die Küche gelaufen war. Er legte das Telefon auf den Herd gegenüber und stütze sich an der Arbeitsplatte mit beiden Händen ab. Er ließ seinen Kopf sinken und schloss die Augen, während er innerlich langsam bis zehn zählte und atmete bei jeder Zahl einmal ein und aus. Was sie ihm angetan hat?...3….Die ist doch nicht mehr zurechnungsfähig….4…Die sollt ihm bloß fernbleiben…5…….6…..was hat die eigentlich für ein scheiß Problem?....7….Was dachte die sich eigentlich?!...8…9…wahrscheinlich nichts, so wie immer…10…

…Nachdem sich die Jungs schließlich eine Pizza und etwas zu trinken bestellt hatten, verloren beide komplett das Zeitgefühl, denn es wurde dunkel und wieder hell und wieder dunkel..., aber von deren Mutter war keine Spur. Erst als es an der Haustür klingelte und die Großeltern kamen, um Michael wieder abzuholen, war beiden klar, dass es bereits Sonntag sein musste. „Oma!Opa!“, riefen beide im Chor und freuten sich. „Na los, macht auf!“, hörten sie ihre Oma auf der anderen Seite der Tür lachen. „Geht nicht, Mama hat uns eingeschlossen und ist noch nicht da!“, rief Michael. „Wo ist sie denn?“, fragte dann ihr Opa. „Keine Ahnung, aber die ist schon länger weg…“, antwortete Noah. „Hm…Michael, dann komm du hinten raus, durch die Terassentür, ich warte am Gartentor!“, rief deren Oma und man hörte wie ihre Schritte im Treppenhaus hallten. Die Beiden Brüder packten ihre Sachen und folgten den Anweisungen „Meinst du, Oma nimmt mich mit?“, fragte Noah seinen großen Bruder, der antwortete „Klar!“ und hastig seine Klamotten in einen kleinen Turnbeutel packte. Aber als Noah Michael nicht sofort nach draußen folgte, da er beim Packen etwas langsamer war als sein Bruder, sah er, dass seine Großeltern sich mit Michael bereits wieder vom Garten entfernten. „Oma!! Omaaa! Wartet auf mich!!“, rief der Kleine als er mit tapsigen Schritten sockig über den, vom Tau nassen, Rasen rannte. „Nein, Noah, du musst dableiben, falls deine Mama wiederkommt! Die macht sich sonst Sorgen, wo du bleibst!“, rief ihm seine Oma über die Schulter hinweg zu. Er stand so lange am Gartentor, bis er niemanden mehr sehen konnte. Er hoffte so sehr, dass seine Oma wieder zurückkommen würde, um ihn zu holen, doch es kam nie dazu. …

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Es tut mir Leid, dass ihr so lange auf eine Fortsetzung warten musstet, aber ich hatte privat einiges zu klären und bin bisher einfach nicht dazu gekommen weiter zu schreiben! Ich werde in Zukunft wieder mehr schreiben und versuche mindestens jede Woche ein neues Kapitel zu schreiben! Danke für die Votes, positiven Feedbacks und natürlich ein fettes DANKE an alle Leser!:)

- fehlende Bilder werd' ich erneuern!

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