2. Der Allwissende

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…Noah stand in seinem Zimmer und hatte sein altes Handy vor sich auf seinem Bett liegen. Der Bildschirm leuchtete auf und auf dem Bildschirm sah er das Bild von ihr und ihren Namen darüber. Sie rief an. Sie rief ihn gerade an! Tatsächlich! SIE rief IHN an und nicht andersherum! In ihm stieg ein Gefühl der Freude auf, doch es war nicht allein Freude. Es waren Freude UND Vorfreude zugleich. Er freute sich über die aufkommende Erleichterung, denn sie meldete sich, was hieß, sie hatte ihre Meinung geändert. Gleichzeitig packte ihn die Vorfreude über das was gleich passieren würde. Er würde ihre engelsgleiche Stimme wieder hören. Ihre Stimme, die schönste ungeschriebene Melodie, hören, wie sie ihm sagte, dass sie ihre Meinung geändert hätte und sie jetzt wüsste, dass sie falsch lag. Schon fast zitternd hielt er sich das Handy an sein rechtes Ohr, drückte mit dem Daumen auf die Annahmetaste „Ja?“ und wartete gespannt auf die Stimme am anderen Ende der Leitung. Er hörte sie einatmen, gefolgt von ihrer Stimme, die ihm so vertraut war „Hey Noah, ich bin’s“. Er spürte wie sich sein ganzer Körper anspannte „Hey…freut mich, dass du anrufst…“ hauchte er in den Hörer, denn er hatte, jetzt da er ihre Stimme wieder gehört hatte, Schwierigkeiten zu atmen. „Ja, mich freut’s auch“ und das meinte sie auch so, bis sie nach einer kurzen Pause hinzufügte „ ist ja schon ne Weile her“. Man konnte das Bedauern in ihrer Stimme deutlich hören. Er versuchte tief durchzuatmen, um das Gefühl loszuwerden, das ihm seine Kehle beinahe vollkommen zuschnürte, doch sein Körper wollte sich einfach nicht entspannen. Dazu hing von dieser, eher mehr als weniger stockenden, Konversation einfach zu viel ab „Ja, stimmt…du hast dich nie gemeldet…und ich…ich wollte dich zu nichts drängen…und naja…eigentlich hab ich nur auf deinen Anruf gewartet...oder zumindest auf irgendwas von dir“. Er presste diese Worte teils mühevoll, teils zögernd hervor und hoffte das Gespräch am Laufen zu halten oder sie dazu zu bewegen, ihm den Grund ihres Anrufs endlich zu verraten. Ihm endlich zu verraten, warum sie ihre Meinung geändert hatte, aber vor allem, DASS sie ihre Meinung geändert hatte. Noah hörte sie tief ein- und ausatmen „Okay…Noah, ich hab‘ eigentlich angerufen…, weil ich dir sagen wollte, dass….“…

…BIEP-BIEP-BIEP---BIEP-BIEP-BIEP---BIEP-BIEP-BIEP… „So ne verdammte Scheiße….aaach fuck, geh doch aus, du Scheißteil….“ Murmelte Noah mit belegter Stimme, während er blind versuchte seinen Funkwecker auf dem Nachttisch auszuschalten. Er tastete den Nachttisch ab, aber fand den Wecker nicht…BIEP-BIEP-BIEP---BIEP-BIEP- „Oh Gott, halt’s Maul, verdammt! Ich bin ja schon wach!“ grummelte Noah, allerdings ein bisschen lauter als zuvor. Er schaffte es immer noch nicht seinen Wecker zu ertasten und fuhr nun mit seinem rechten Arm einfach über den gesamten Nachttisch BIEP-BIEP-BIEP---BIE-RUUUUUUUMMS!!! „So ne Scheiße, Mann!“ fluchte er jetzt lautstark und drehte seinen Kopf in Richtung Nachttisch. Er lag auf dem Bauch, die Arme von sich gestreckt. Immerhin war der Wecker jetzt aus. Diesen nervtötenden Weckton musste er irgendwie ändern, soviel stand fest. Die Tür wurde aufgerissen „Was ist da denn gerade runtergefallen?? Bist du etwa hingefallen?!“ rief sein Vater lautstark. „Nein, Dad…,geh weg, der Wecker ist runtergefallen, geh weg…, ich steh gleich auf, geh weg.“ War das einzige, was Noah sagen konnte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte sein Vater am Absatz kehrt und ließ die Zimmertür einen Spalt offen, so wie er es jeden Morgen tat, wenn er sichergehen wollte, dass Noah auch wirklich aufstand. Noah dachte an den Traum von vergangener Nacht und fragte sich, was das schon wieder zu bedeuten hatte. Sie würde ihn sicher nicht anrufen, aber was, wenn sie es doch tat? Er hatte sein altes Handy bereits seit knapp eineinhalb Jahren nicht mehr in Betrieb genommen. Wie sollte sie ihm denn so mitteilen, wenn sie ihre Meinung geändert hatte? Er geriet für einen kurzen Augenblick in Panik, aber dann fiel ihm ein, dass sie sich ebenso über Facebook melden könnte, wenn sie ihre Meinung erst einmal geändert hatte. Sie wusste schließlich, dass er dort angemeldet sei, da er ihr jedes Jahr per Facebook zum Geburtstag gratulierte und obwohl sie niemals antwortete und es vermutlich auch in nächster Zeit nicht tun würde, wusste er, dass sie sich bestimmt darüber freute. Immerhin tat er nichts Böses. Er wollte lediglich zeigen, dass er noch an sie dachte und das es nichts Schlechtes war – ungeachtet dessen, was zwischen ihnen im Laufe der Jahre vorgefallen war. Manchmal wünschte er sich auch, sie würde ihm an seinem Geburtstag ebenfalls gratulieren, womit er wissen würde, dass sie weiß wann er Geburtstag hat. Aber das würde sie nicht tun. Sie wollte schließlich nicht, dass er wusste, dass sie an ihn dachte. Sie dachte aber zweifellos an ihn, denn das was ihn und sie verband, vergaß man nicht einfach so und erst recht nicht nach nur einem Jahr. So etwas bleibt für immer, vor allem, wenn es eine so besondere Verbindung war, wie bei ihnen.

Bitter Sweet SymphonyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt