Wir

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„Verzeihen Sie", flüsterte der Alte. Seine Stimme war schwach. Sprechen tat ihm weh, seine Kehle brannte.
„Verzeihen Sie", wiederholte er, als der Mann wortlos weiterging. Kraftlos ließ er seinen durchweichten Pappbecher sinken. Seine knorrige Hand umschloss das gusseiserne Schild des überteuerten Geschäfts.


Er senkte seinen Kopf, wandte sich beschämt von den Menschen ab.
Er war müde. So müde.


Er wollte schlafen. In einem gepolsterten Bett, auf einer echten Matratze. Doch das Träumen hatte er schon lange aufgegeben. Träume waren für Menschen mit Geld, für andere waren es Enttäuschungen.

Gepeinigt stöhnte er auf, seine Hand fuhr zu seinem ausgemergelten Magen. Er würde alles für eine Scheibe Brot geben.
Sein trüber Blick wanderte zu seinem Kaffeebecher. Dreiundzwanzig Cent. Ihm war nach Weinen zumute. Mit leeren Augen sah er in die Gesichter der Menschen. Viele trugen Einkaufstaschen in den Händen und sahen doch nicht glücklich aus. Wussten sie nicht, wie privilegiert sie waren?


Mit zittrigen Händen hob er den Becher und versuchte mit einer jungen Mutter Blickkontakt aufzunehmen. Schnell griff sie nach der Hand ihres Sohns und beschleunigte demonstrativ ihre Schritte.
„Verzeihen Sie", murmelte der Alte erneut. „Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen."

VerzeihungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt