Er fuhr sich über seine Hände. Immer wieder. Zeichnete die Narben und unverheilten Wunden nach. Knetete seine Finger. Zupfte an seiner Kleidung und tippte mit dem Fuß auf den Boden.
Sein Blick schweifte umher. Von rechts nach links und links nach rechts. Mit einem Satz war er auf den Beinen. Der Wind pfiff durch seine dünne Jacke. Kiesel bohrten sich durch seine dünnen Sohlen.
Er ging. Wusste nicht wohin. Kannte sich in dem fremden Land nicht aus. Wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Wollte nur in der Masse untergehen. Wollte noch lieber zu seiner Familie. Wollte seine kleine Tochter im Arm halten. Wollte seine Frau küssen. Wollte seinem Sohn das Leben zeigen.
Er bog ab. Spürte die Blicke der Menschen. Er senkte seinen Kopf. Spürte trotzdem das Misstrauen, die Verachtung, die Angst.
Er versuchte seine Ärmel über seine Hände zu ziehen. Versuchte so viel wie möglich von seiner milchkaffeebraunen Haut zu verdecken und stülpte sich seine Kapuze über den Kopf.
Die Leute machte ihm Platz. Weil er ihnen nun noch mehr Angst machte.
Ihre Blicke wanderten zu seinen kholschwarzen Augen. Zu seiner hakenförmigen Nase. Zu seinen Narben. Zu dem Plastikbeutel in seiner Hand. Und sie wichen weiter zurück.
Eltern nahmen ihre Kinder auf den Arm und gingen. Er hörte Leute über die Anschläge in Paris sprechen und hörte sie verstummen, als er in ihr Sichtfeld trat.
Er fühlte sich elendig. Hatte er in der Tüte doch nur ein Stück Weißbrot. Er ging schneller. Fühlte den Scham. Und das schlechte Gewissen.
„Verzeihen Sie", murmelte er unhörbar. Er wollte nie jemanden Angst machen. Er wollte bloß überleben.
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Verzeihung
Short StoryGleichheit Gleichberechtigung Menschenwürde existieren nicht einmal auf dem Papier. - eine Stimme für die Menschen, die selbst nicht für sich einstehen können - TW: Depression, Essstörungen