„Das ist nur eine Phase", sagte ihre Mutter.
„In einem halben Jahr sehen die Dinge schon wieder anders aus", sagte ihr Vater.
Sie sagte gar nichts. Starrte nur stumm auf ihre verschränkten Fingernägel, die in den Farben des Regenbogens leuchteten.
„Komm, Schatz, das Essen wird schon kalt." Ihre Mutter strich kurz über ihr Haar und erhob sich. Ihr Vater folgte. Doch sie konnte sich nicht rühren. Etwas in ihr brach.
Denn sie wusste, es war keine Phase, noch würde sich etwas an ihrer Sexualität ändern. Sie hat drei Jahre gebraucht, es sich selbst einzugestehen. Drei Jahre, eintausend fünfundneunzig Tage gehofft, es würde sich ändern. Solange gebraucht, den Mut zu sammeln es ihnen zu sagen. Und es brauchte nur eine Minute, sechzig Sekunden, um ihr zu beweisen, dass Schweigen doch die beste Lösung war.
Sie hasste sich. Sie wollte ihr Herz aus ihrem Körper reißen. Sie wollte nicht sie selbst sein.
Sie war nicht bereit die Liebe ihrer Eltern zu verlieren. Sie war doch noch so jung. Wurde doch gerade erst zur Frau. Sie brauchte ihre Eltern. Doch gleichzeitig ihr fehlte die Kraft ihnen weiter etwas vorzuspielen.
Ihr Herz wog schwer. Sie war nicht einmal sauer auf diese homophobe Gesellschaft.
Es war schließlich ihre Schuld, anders zu sein.
„Verzeiht mir", hauchte sie tonlos, ihren glasigen Blick auf ihre Eltern gerichtet, während sie den Lack von ihren Nägeln kratzte.
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Verzeihung
Short StoryGleichheit Gleichberechtigung Menschenwürde existieren nicht einmal auf dem Papier. - eine Stimme für die Menschen, die selbst nicht für sich einstehen können - TW: Depression, Essstörungen