Vergiss das alles nicht...Bitte...

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Mein Herz klopfte, als ich auf meinem Heimweg die Jahnstraße überquerte und in die Goethe-Straße einbog. Es war schon ziemlich spät und da es Winter war, war mir trotz der Handschuhe, des dicken Schals und des langen Mantels kalt.

Als ich immer näher dem Ende der langen Straße kam, hörte ich Sirenen, wie von Polizeiautos oder Rettungswagen. Neugierig, wie ich nun mal bin, beschleunigte ich meine Schritte. Nur etwa 10 Meter von mir entfernt war eine Absperrung, an der eine Gruppe Schaulustige standen. Einige tuschelten miteinander, andere starrten auf den Boden vor Entsetzen.

Ich schluckte. Was ist hier nur passiert? Plötzlich ein Schrei.

"Nein! Das darf nicht wahr sein!", schrie eine Frauenstimme. Ich sah sie auf der anderen Seite, mir gegenüber. Ein Sanitäter hielt sie am Arm fest. "Lasst mich los! Mein Bruder! Ethan!", kreischte sie weiter, bevor sie weinend auf dem Boden zusammenbrach.

Erst jetzt fiel mein Blick auf das abgesperrte Haus.

Es war umgeben von einem Vorgarten, der vielleicht schön ausgesehen hätte, wäre er nicht so verdörrt. Das Haus selbst war ziemlich alt, alle Fensterläden waren geschlossen, nur an einem der unteren Fenster des zweistöckigen Haus waren sie abgebrochen und hingen herunter. Die Fassade hatte Löcher und Risse... Alles in allem, es sah ziemlich herunter gekommen aus.

Ich ging ein paar Schritte näher zu der Menschengruppe und fragte einen Mann, der noch ziemlich gefasst aussah:

"Entschuldigung, aber... Was ist hier passiert?"

Der Mann sah mich mit hellblauen Augen an. "Ein junger Mann hat Selbstmord begangen."

Auf einmal traten aus dem Haus zwei Polizisten, direkt hinter ihnen Sanitäter, die eine mit einer Decke abgedeckte Person - der junge Mann- auf ihrer Trage davontrugen. Man hörte ein lautes Schluchzen von der Frau.

Ich drehte mich um und wollte das Szenario verlassen, als ich spürte, wie jemand mich am Arm festhielt. Schauer lief mir eiskalt den Rücken hinunter, denn die Hand war eiskalt, kälter als die eines Toten.

Ich wendete mich langsam der Person zu, die mich festhielt, und erkannte den Mann, den ich vorhin angesprochen hatte.

"Nimm das hier", flüsterte er und drückte mir ein notdürftig in Paketpapier eingewickeltes, viereckiges Etwas in die Hand. Ich nickte, war in dem Moment zu verwirrt, um anderes zu reagieren.

"Nimm das hier, geh nach Hause und... Vergiss das alles nicht... Bitte...", keuchte er.

Ich sah ihn aus großen Augen an, öffnete meinen Mund und schloss ihn wieder. Dann rannte ich einfach los, in Richtung meines Zuhauses. Immer noch spürte ich seine kalte Hand an meinem Arm und ich fing an zu zittern. Was war nur los mit mir? Sonst würde mich doch soetwas nicht so einfach aus der Ruhe bringen!

Vielleicht war es dieser traurige Ausdruck in seinen Augen oder die seltsame Aura, die den Mann umgeben hatte. Vielleicht war es auch beides zusammen.

Als ich mein Haus erreicht hatte, steckte ich den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn so hastig um, dass ich fast Angst hatte, er würde brechen. Nachdem ich eingetreten war, schlug ich die Tür hinter mir zu und setzte mich einfach, mit dem Rücken an der Tür anlehnend, auf den Boden.

Mein Herz raste, als ich das kleine "Paket" aus meiner Jackentasche nahm und es mit zitternden Händen auspackte.

Und es war... Es ist... eine Pokemon Rote Edition.

Ich sog scharf die Luft ein. Was zum Teufel!? Ich seufzte, stand auf und zog meine Jacke aus.

Naja, ich wollte ja schon immer mal die Rote Edition haben... Wahrscheinlich war der Mann einfach nicht ganz richtig im Kopf und ist herumgelaufen und hat seine Sachen verschenkt... Ja, wahrscheinlich! Und ich hatte so eine Angst... Ich sollte mich schämen, als 22-jähriger so eine Angst zu haben.

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