Ich bin eine Mörderin

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November

Milos Lippen streiften meine und ein Schauer rann über meinen Rücken.
Ich wollte das nicht. Ich durfte nicht, dennoch war ich haltlos verloren in diesem Kuss.
Wie von allein strich mit einer Hand durch sein Haar und zog ihn mit der anderen noch näher an mich.
Ich hatte schon viele geküsst, doch nie hatte sich dieses Gefühl nach Geborgenheit, Zuneigung und vertrauen in meinem Körper ausgebreitet.
Es war wie eine Droge, es berauschte mich und ich wollte, dass er nie mehr aufhört mich zu küssen.

Langsam löste sich Milo von mir, er war nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt und ich spürte seinen Atem über meine Wange streichen.
Er lächelte mich an, "wow".
"Ja", unsicher schaue ich ihm in die Augen und versinke. Ich ertrinke in ihnen, doch es fühlt sich gut an.
Gleichzeitig macht es mir Angst, liebe ist etwas für normale Menschen.
Ich bin in keinster Weise normal, ich bin ein Albtraum, ich bin jemand, der alles zerstört, was er berührt.

"November?", Milo legt die Finger unter mein Kinn und hebt es vorsichtig an, "alles gut?".
"J-ja, natürlich."
Kurz stehen wir schweigend voreinander.
Ich fühle mich, als müsste ich was sagen, doch ich weiß nicht was.
"Es kam nur so...überraschend."
Versuche ich etwas halbwegs geistreiches rauszubringen.
Milo lächelt und hebt die Augenbrauen leicht, "ach, wirklich?"
"Ja, ich meine, wir kennen uns kaum, ich weiß nichts von dir und du nichts von mir."
Die Röte schießt in mein Gesicht. Gelogen. Ich habe gelogen.
Erneut hebt Milo die Augenbrauen, "dann lass uns eine Stunde der Wahrheit machen."
Er meint das lustig, doch das Lachen bleibt mir im Halse stecken.
Das fehlte noch, dass er erfuhr, was für ein Monster ich war.
"Okay." Ich versuchte unbekümmert zu klingen.
"Okay. Wollen wir dabei vielleicht was essen? Ich stehe kurz vor dem Hungertod."
Ich lachte, "ja, natürlich, was hättest du denn gerne?"
"Was hältst du von Pizza?"
"Klar."
Pizza war schließlich immer gut.

Keine halbe Stunde später saßen wir mit den Pizzakartons in meine weichen Bodenkissen gekuschelt, auf dem Boden.
"Also", Milo klatschte in die Hände, "Ladys first."
Ich stöhnte.
"Was soll ich denn erzählen?"
"Keine Ahnung, irgendwas."
"Ich male gerne."
"Ach, sag bloß", spöttisch lachte Milo mich an.
Ich rollte die Augen, "dann frag mich was, das dich interessiert."
Er schürzte die Lippen und fragte dann "bist du hier in der Stadt geboren?"
"Nein, ich komme eigentlich aus einem kleinen Kaff aus Bayern."
"Naaa gut, und warum bist du jetzt hier?"
"Das sind zwei fragen", ich biss in meine Pizza.
"Ich stelle dir die gleiche Frage."
Er räusperte sich und antworte: " ja, ich komme von hier. Aber aus einem ganz anderen Stadtteil, ich bin wieder."

So ging es eine ganze Weile hin und her. Ich erfuhr, dass er sein Abitur gemacht hatte und dann von zuhause ausgerissen war, er hatte sich immer knapp durchgeschlagen und ein Pädagogikstudium begonnen, dies jedoch abgebrochen.
Danach war er ziemlich abgerutscht.
Im Gegenzug erfuhr er von mir, dass meine Mutter auch unter Albinismus gelitten hat, ich eine Ausbildung zur Grafikdesignerin gemacht habe und nun mehr oder weniger frei für verschiedene Firmen und verdiente nebenbei noch was mit meinen Bildern.
Am liebsten wäre mir nur letzteres, doch das würde niemals reichen.

Als unsere Pizza leer war und wir eine Flasche Wein öffneten, kam eine Frage, die mic komplett aus der Bahn warf.
"Woran sind deine Eltern gestorben?"

Ich verschluckte mich an dem Wein.
Bitte nicht.
Ich bekam wieder Luft und sah Milo an.
Wie würde er über mich denken?
"Ich, ich, ich...", versuchte ich einen Satz zu formen.
"Wenn du nicht drüber reden möchtest, ist das auch okay."
Milo blickte mich mitfühlend an und stellte vorsichtig mein Glas auf den Boden.
"Nein, vielleicht ist es an der Zeit, darüber zu reden."
Ich leerte mein Glas und atmete tief durch, trotz des Weines war mein Mund Staub trocken.
"Milo ich bin krank. Sehr krank. Seelisch."
Ich stoppte und sah ihn an, doch in seinem Gesicht war nichts zu lesen.
"Als ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, verlor ich den Faden in meinem Leben."
Die Tränen stiegen mir in die Augen und verschleierten die Sicht auf Milo.
"Ich wusste nicht wohin mit mir, vorher war ich auch schon krank, doch irgendwie ging es immer weiter.
Doch ab da nicht mehr. Die Diagnose Bipolare Störung bekam ich mit 17, also viel zu spät.
Also...", die Tränen liefen immer stärker und ich spüre, wie Milo zu mir rutschte und mich in den Arm nahm, seine Nähe tat mir gut und nach einer kurzen Pause sprach ich weiter.
"An einem Abend war ich allein, Gott ich war so allein. Nicht nur, dass niemand da war, nein, in meinem
Leben gab es niemanden mehr, außer meinen Eltern und selbst von denen hatte ich mich distanziert.
So saß ich da, ganz allein und malte, ich war betrunken und total in meinem Wahn, ich malte über die Leinwand, auf meine Arme, an die Wände...
Ich malte Feuer, Flammen, die mein ganzes Zimmer verschlagen und mich dazu, alles bestand aus Hitze und leuchtenden Flammen.
Doch es war nicht nur Farbe. Die Kerzen, die in meinem Zimmer standen sind umgefallen, wahrscheinlich habe ich selbst sie umgeworfen, doch ich habe es nicht wahrgenommen.
Ab da weiß ich selbst nichts mehr, ich erinnere mich nur noch an den verbrannten Geruch und an Dunkelheit. "
Erneut stockte ich, ich konnte nicht mehr reden, zu sehr stürzten die Gefühle auf mich ein, der Geruch nach Rauch, das piepen im Krankenhaus und die Tränen meiner Mutter.
Doch ich zwang mich weiter zu sprechen, ich konnte diese Last nicht mehr tragen, konnte mich nicht Nacht für Nacht erneut von den Flammen verschlingen lassen.
"Mein Vater hat mich rausgeholt, er hat mich in seinen Mantel gewickelt und mir sein T-Shirt schützend über das Gesicht gelegt und hat mich raus getragen, oh Gott Milo, er hat mich gerettet."
Mein ganzer Körper zitterte und meine Zähne schlugen hart aufeinander.
Milo hielt mich noch immer im Arm, seine Hand strich über meinen Rücken und er drückte mich fest an sich.
"Er ist gestorben, wegen mir. Es war meine Schuld. Ich kam mit einer schweren Rauchvergiftung ins Krankenhaus, aber er ist an den Verbrennungen und dem Rauch in seiner Lunge gestorben. Wegen mir. Ich bin eine Mörderin.
Meine Mama hat das nicht ausgehalten, sie haben sich so geliebt und ich habe sie getrennt. Ein Jahr später hat sie Schlaftabletten geschluckt, sie konnte nicht mehr."
Ich war am Ende meiner Kräfte, ich konnte kaum noch die Worte formen, doch ich musste.
"Ich habe versucht es auszubluten, die Flammen aus meiner Haut zu befreien, doch ich hatte keine Chance, das Feuer brennt in meinen Adern und ich kann es nicht löschen. Ich habe alles versucht, alles."
Ich zog meinen Ärmel hoch und entblößte die Einstiche in meine Adern.
"Alles, alles Milo."
Meine Worte wurden immer unverständlicher.
"Und jetzt bin ich verloren, ich habe keinen Boden mehr unter meinen Füßen und falle. Ich falle und falle und falle. Ich will nicht Aufschlagen, Milo, ich will nicht Aufschlagen."
"Das wirst du nicht."
Milos stimme unterbrach mich, "ich verspreche es dir, du wirst nicht aufschlagen."
Ich klammerte mich an ihn und begann mich langsam zu beruhigen.
Der Schmerz in meiner Brust war zwar noch stark, doch nicht mehr so brennend und lodernd wie zuvor.

Ich hasse das Kapitel.
Aber wahrscheinlich werde ich es auch nochmal überarbeiten.
~
Feedback wäre echt schön, war es zu viel Geheule?
~
Und danke Leute, danke, dass ihr meine Story lest und für sie Votet, ich schreibe sie zwar, aber ohne euch wäre sie tot.

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