Morgen

272 36 1
                                    

Milo

Langsam entglitt mir der Schlaf und die Geräusche des Morgens drangen in mein Bewusstsein.
Draußen regnete es, die Tropfen klatschten gegen das Fenster, über uns schienen sich zwei Leute zu streiten und neben mir atmete jemand leise.

Erschrocken öffnete ich meine Augen und setzte mich auf. Sofort schloß ich sie wieder, als ein stechender Schmerz in meinen Kopf schoss. Verdammter Alkohol.
Langsam verflog der Schmerz und ich öffnete langsam meine Augen, ich war in einem fremden Zimmer, die Wände waren Lila und beklebt mit Zeichnungen, über all lagen Bücher und Blöcke herum, vor den Fenstern hingen dünne, weiße Vorhänge.
Das Bett nahm einen Großteil des Zimmers ein, es war ein Himmelbett, umgeben von weißen Schleiern, auf ihm saß ich, die Decke um die Hüfte geschlungen und neben mir lag November.
Sie lag mit dem Gesicht zu mir gewandt, sie wirkte völlig entspannt und schien noch tief zu schlafen.
Die Sonne glänzte auf ihrem hellen Haar und sie schien wie ein Engel zu strahlen.
Vorsichtig strich ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zog die Decke über ihre schmalen Schultern. Sie trug nichts als Unterwäsche und der Gedanke, warum die anderen Kleidungsstücke im Zimmer verteilt lagen, trieb mir die Röte ins Gesicht.
Unsicher überlegte ich, was ich tun sollte. Ich wollte sie nicht wecken, ich wollte aber auch nicht gehen. Was sollte ich sagen, wenn sie wach wird? Ich wusste nicht mal mehr, was genau überhaupt passiert ist.
November bewegte sich im Schlaf, ihr Gesicht verzog sich und sie griff nach ihrem Kissen.
Vorsichtig legte ich ihr meine Hand auf die Schulter "shsh alles ist gut".
November rutschte ein Stück näher, vorsichtig legte ich einen Arm um ihre Taille und hielt sie fest, bis ich sie sich beruhigte.
Sie fühlte sich so gut in meinem Arm an, vorsichtig vergrub ich mein Gesicht in ihrem Haar. Es roch nach Alkohol, Rauch und, am aller wichtigsten, nach ihr.
Es war ein kostbarer Moment, noch nie habe ich mich so wohlgefühlt, eine Wärme breitete sich in mir aus, die ich so nicht kannte.
Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn sie erwachen würde, aber das zählte in diesem Moment nicht.
Langsam würde ich wieder in den Schlaf gezogen und eingehüllt in ihren Geruch versank ich im Schlaf.

-

Als ich erneut erwachte, war ich alleine. Ich griff neben mich, doch die Bettseite war kalt.
Mein Herz zog sich zusammen. Ich hatte gehofft, dass sie bei mir ist, wenn ich aufwache.
Leise stand ich auf und schlüpfte in meine Sachen. Ich verließ das Zimmer und blickte mich um, die Küche schien leer zu sein, doch aus dem Wohnzimmer drang leise Musik.
Ich öffnete die Tür ein Spalt und blickte hinein, November saß auf der Fensterbank, auf ihren Beinen lag ein Block und ihr Stift huschte über das Papier.
Ich räusperte mich und sie blickte auf.
Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, auf ihren Lippen lag ein Lächeln, doch es wollte ihre Augen nicht richtig erreichen.
"Guten Morgen."
Sagte sie schließlich.
"Morgen."
Sie klopfte vor sich auf die Fensterbank und ich setzte mich zu ihr.
Sie reichte mir eines ihrer Blätter.
"Für dich."
Ich betrachtete die Zeichnung, sie hatte mich gemalt, in ihrem Bett.
"Das ist echt gut."
"Es geht so, aber danke."
Etwas zwischen uns hatte sich verändert, noch immer herrschte eine seelische Distanz zwischen uns, doch wir waren vertrauter, wir begannen eine Bindung aufzubauen, das Band war noch schwach, doch ich würde alles dafür tun es zu festigen.

"Milo?", riss sie mich aus meinen Gedanken.
"Ja?"
"Du hast doch kein Problem mit dem, was letzte Nacht passiert ist, oder?"
"Nein, alles gut."
"Okay", sie lächelte, "ich mag dich nämlich, deswegen solltest du auch wissen, dass ich mir aus Sex nichts mache. Dazu war es etwas einmaliges. Das solltest du einfach wissen."
Ihre Worte bohrten sich bittersüß in mein Herz, November war undurchschaubar und in ihrer Art einzigartig, vermutlich würde ich sie nie verstehen.
"Milo?"
"Ja?"
"Warum bist du eigentlich nicht zuhause? Ich hab dich gern hier, aber macht sich keiner Sorgen, wenn du einfach so verschwindest?"
"Ich habe kein Zuhause, es gibt einen Ort, an dem ich groß geworden bin, aber das Wort "zuhause" hat dieser Ort nicht verdient."
Sie hörte auf zu zeichnen und sah mich an. "Das tut mir leid."
"Es ist okay, es ist vorbei."
Sie nickte.
"Wie bist du hier gelandet?"
"Meine Eltern sind früh gestorben. Ich habe gelernt mich selbst über Wasser zu halten."
"Das tut mir leid."
"Ich komme klar. Das zeichnen bringt mir ein bisschen was ein, neben bei Designe ich Webseiten und bekomme halt Wohngeld. Es ist okay."
Ich bekam ein schlechtes Gewissen, ich dachte an das ganze Geld auf meinem Konto.
"Was hältst du davon, wenn wir unser Geld zusammen werfen?"
"Du hast welches?"
"Klar."
"Na dann, wenn du möchtest."
Erneut lachte sie mich an.

Schweigen legte sich über uns. Ich wollte sie gerne so viel fragen, doch ich hielt mich zurück.
"Kannst du es mir zeigen?"
"Hm?"
Erstaunt sah sie zu mir.
"Das zeichnen."
"Achso, klar."
Sie breitete Papier auf dem Boden aus, setzte sich im Schneidersitz davor und klopfte neben sich.
"Komm her."

So verbrachten wir den Tag. Meine Bilder sahen nicht mal so schlecht aus und ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus.
Und dann brachte November mein Herz mit einem Satz zum glühen,
"Milo, willst du bei mir schlafen?"

Anmerkung:
Ja, nach einer Ewigkeit kommt wieder ein Kapitel, es tut mir echt mega leid, aber mir ging es echt schlecht und ich kam mit dem Schreiben nicht weiter.
Naja, ich hoffe euch geht es gut. Über Feedback würde ich mich sehr freuen.
Wollt ihr auch mal aus Novembers Sicht lesen?
💜

NovemberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt