Der Geruch von Rauch

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Ich warf mich auf mein Bett, nachdem ich Emily ihr Mittagessen gebracht hatte. Ihr Zimmer machte mich unsicher, ich fühlte mich nicht mehr wohl. Irgendetwas war da, dass fühlte ich. Aber ich hatte keine Worte für das Gefühl, welches ich bekam, wenn ich den Raum meiner kleinen Schwester betrat. Ich schob es auf das Gespräch von heute Morgen. Ich bildete mir garantiert etwas ein. Morgen würde wieder alles okay sein und wenn nicht dann spätestens in einer Woche. Mutter hatte ja gemeint, dass sich Kinder manchmal komisch verhalten. Aber ich konnte mich wirklich nicht an damals erinnern. Nicht an die Situation mit dem Fliegen noch an die Stunden beim Psychologen..
"Mooooona!", rief Emily nach einiger Zeit, welche ich mit Musik verbracht hatte. Mir wurde wieder unwohl, bei dem Gedanken in ihr Zimmer zu gehen.
"Ja?", fragte ich sie dann, als ich mich überwunden hatte in ihr Zimmer zu treten. Der Weg von meinem Bett bis zu ihrer Tür hatte erstaunlich viel Kraft gekostet. Dennoch wagte ich nicht einen Fuß über die Türschwelle ins Zimmer zu machen.
"Kannst du dich zu mir legen? Ich kann nicht schlafen.", murmelte Emily und sah mich mit ihren großen Augen flehend an. Ich seufzte kurz auf und strich jeden Gedanken aus meinem Kopf, der mir Angst machen wollte. Sie war immer noch meine kleine Schwester und ich hatte für sie da zu sein, wenn sich mich brauchte. Schatten hin oder her. Also nickte ich ihr zu und meinte nur: "Na klar, rutsch rüber."
Ich legte mich unter die leicht angewärmte Decke zu Emily, welche sofort ihren Kopf auf meinen Bauch legte und mich glücklich anlächelte. Das Lächeln gab mir Mut. Ich nahm sie leicht in den Arm und wartete, dass sie einschlief. Als ich sie so betrachtete, wurde ich auch müde und gab dem Gefühl nach. Zaghaft schloss ich meine Augen und spürte wie sich mein Körper entspannte, ehe ich langsam wegdämmerte.

"Mona!", quickte Emilys Stimme und ich öffnete meine Augen. Ich lag in einem Raum, welcher langsam durch meine müden Augen scharf wurde. Emily lag neben mir und sah mich grinsend an. Der Raum war nicht Emilys Zimmer.
"Mona, du bist auch hier!", sagte Emily voller Freude und sprang vom Bett.
"Wo sind wir?", fragte ich und hielt mir den Kopf, die Gegend kam mir irgendwie bekannt vor, obwohl ich mir sicher war, dass ich hier noch nie war. Zumindest erinnere ich mich nicht daran, in einer Hütte geschlafen zu haben. Die Luft war frisch und es roch nach Essen.
"Na auf Neverland!", meinte Emily und sprang auf und ab. Die Kleine schien außer Rand und Band zu sein.
"Neverland?", fragte ich, ehe ich mich an den Namen erinnerte. "Der Schatten." Ich schluckte. Emily nickte.
"Du musst unbedingt die Anderen kennenlernen!", sagte meine kleine Schwester und zog mich an der Hand, um mir zu verstehen zu geben, dass ich mitkommen soll, doch ich blieb unbewegt auf dem Bett liegen. Ich war in Neverland? Wie?
"Welche anderen?", fragte ich Emily, welche ungeduldig von einem Fuß auf den anderen wippte. War sie nicht krank?
"Na die anderen Kinder!", meinte Emily und ich ließ mich von ihr auf die Füße ziehen. Das war alles ein Traum. Ich war auf Emily Bett eingeschlafen. Das war nicht real. Also was sollte schief laufen?

Außerhalb der Hütte erstreckte sich der Wald, die Bäume waren hoch hinauf gewachsen, so dass das kleine unordentliche Lager vor uns im Schatten lag. Von einer kleinen Feuerstelle zog eine dunkle Qualm-Fahne hinauf gen Himmel, wo sie immer durchsichtiger wurde. Auf dem Boden lagen vereinzelt Stöcke und ich erblickte sogar ein paar Dinge, die man als Spielsachen definieren könnte. Es wirkte alles sehr schlicht und chaotisch.
"Wo sind die denn alle?", fragte Emily und sah etwas hilflos hin und her. Das Lager wirkte verlassen, aber die Rauchfahne zeigte, dass wir die Kinder scheinbar verpasst hatten.
"Emily!", rief plötzlich eine Stimme und ich zuckte zusammen. Wo zur Hölle waren wir hier?!
Der Kopf meiner kleinen Schwester schnellte zur Seite und sofort bildete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
"Felix!", rief sie und rannte auf einen großgewachsenen Jungen zu, welcher ein Gewand aus verschiedenen, zusammengenähten Stoffen trug. Sein Erscheinungsbild passte zu diesem Ort. Er sah aus wie ein Wilder. Unzivilisiert und weit weg von anderen Menschen. Emily warf sich in die Arme des Fremden, welcher sie hoch hob und ihr ebenfalls ein Grinsen schenkte, ehe er sich zu mir drehte.
"Wen hast du denn da mitgebracht?", fragte Felix meine kleine Schwester und nickte kurz zu mir. Nun schien auch Emily sich wieder daran zu erinnern, dass ich ebenfalls hier war. Wo auch immer wir genau waren.

"Felix, das ist Mona. Meine Schwester.", erklärte sie und ich sah aus der Ferne, wie Felix Augen sich für eine Sekunde weiteten, ehe er sagte: "Willkommen auf Neverland, Mona."
Seine blauen Augen schauten mich noch einige Momente an, bevor er Emily auf den Boden absetzte und meinte, dass die anderen gerade im Wald waren. Wie viele hier wohl wohnten? Ich betrachtete das Lager, welches aus ein paar Zelten und einigen kleinen Hütten bestand. Kaum zu fassen, dass hier Kinder wohnen sollen. Wo sind ihre Eltern?
"Wo ist Peter?", fragte Emily und hüpfte freudig umher.
"Bei der Schädelinsel.", meinte Felix und Emily nickte nur.
"Kommt er heute noch? Er wollte doch unbedingt Mona kennenlernen!", sagte Emily und sah nun hinauf zu dem großen Blonden, welcher nur den Kopf schüttelte.
"Peter will sie sehen, wenn sie wirklich da ist.", sagte Felix.
"Was meinst du damit? Was meinst du mit wirklich da?", fragte ich nun den Jungen, welcher nun wieder mich mit seinen blauen Augen betrachtete.
"Du musst hier sein. Mit Körper und Geist.", sagte er und lächelte.
"Aber ich bin doch hier?", sagte ich verwirrt. Ich war doch gerade auf Neverland. Zumindest träumte ich doch davon.
"Nicht ganz. Dein Bewusst sein ist hier, aber nicht dein Körper.", meinte er und zeigte auf mich.
"Aber...", fing ich an, wurde aber von ihm unterbrochen.
"Bald Mona, Bald sehen wir uns wieder. Mit deinem Körper.", meinte Felix lächelnd, dann verschwamm das Bild von ihm und Emily.
Ich verstand nicht genau was er meinte, ...

"MONA! EMILY! Ich bin wieder da.", riss mich eine Stimme aus dem Schlaf. Verwirrt sah ich mich um und fand mich in Emilys Zimmer wieder. Ich blickte direkt in den Spiegel und sah mich. Neben mir murmelte Emily, ehe sie sich aufsetzte.
"Mona, da seid ihr ja.", lachte Mutter, als sie durch die Tür ins Zimmer trat. Auf ihren Lippen lag ein Lächeln, ein so schönes, welches ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Sie schien es zu freuen, dass ich bei Emily war.
"Machst du uns was zu essen?", fragte Emily und ich schaute währenddessen auf die Uhr. Es war schon 17 Uhr...der Traum kam mir kürzer vor...und was hatte dieser Fremde gemeint, dass wir uns bald wieder sehen würden. Das war doch nur ein Traum.
"Klar Liebling.", meinte Mutter und verschwand.
"Du warst da.", meinte Emily und verwirrt sah ich sie an. Dass kann nicht sein. Ich schüttelte den Kopf, ehe ich aus ihrem Bett aufsprang und in mein Zimmer huschte. Das kann nicht wahr sein. Wir hatten nicht denselben Traum, das war unmöglich. Wie sollte so etwas funktionieren?!
Ich stellte mich vor meinen Zimmerspiegel und sah mich an. Meine Haare standen von meinem Kopf ab und meine Wangen waren leicht gerötet und dann roch ich es. Rauch. Ich zog mein Oberteil nach oben und vergrub meine Nase darin. Tatsächlich...es roch nach Rauch, genau wie in dem Wald.

7 Devils [Robbie Kay FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt