Studieren und Sortieren
Noch immer erscheint ihm der Gedanke absurd, dass Ruby das alles hier auf die Beine stellte nur um ihn glücklich zu machen. Zu begreifen, dass sie genau wusste was passieren würde, fällt ihm schwer. Umso schlechter fühlt er sich nun, da er es nach drei Tagen noch immer nicht über sich gebracht hat nach Dublin zu fahren und sich endlich einen Studienplatz für das nächste Semester zu sichern.
Sein Befinden hat wieder einen seiner Tiefpunkte erreicht, auch wenn ihm der Grund dafür nicht bekannt ist. Zwar ist es nicht so ausgeartet wie vor ihren Briefen, dennoch reicht es um seinen Eltern wieder besorgte Ausdrücke aufs Gesicht und Gedanken in den Kopf zu zaubern.
In diesen Tagen, in welchen es ihm deutlich schlechter ging als zuvor, verbrachte er die meiste Zeit damit, sich den Kopf über den Grund für das plötzliche Stimmungstief zu zerbrechen. Jetzt erst, als er ihren letzten Brief zum schier hundertsten Mal liest, kommt ihm die Antwort.
Es liegt an Ruby. Nicht wirklich an ihr, vielmehr an dem konstanten Wissen, dass er ihr für das alles nie danken können wird. Dass er nicht einmal eine Chance hatte sich richtig von ihr zu verabschieden. Er wusste damals ja nicht einmal, dass es das letzte Mal war, dass er sie sehen würde. Sie ließ ihn in dem Glauben, es sei eine Studienreise und nicht ein endgültige Einweisung in eine Klinik. Zwar hätte er ihren Tod nicht verhindern können, doch er hätte alles getan, um ihr in der verbleibenden Zeit das Paradies auf Erden zu errichten. Sie wollte nicht, dass Niall sie so sieht, doch er hätte es sich gewünscht. Sie nur ein letztes Mal zu sehen, das war es was er wollte.
Und obwohl er keinerlei Schuld an diesem ganzen Drama trug, gibt er sich unerklärlicher Weise die Schuld dafür.
Diese Erkenntnis ist es wahrscheinlich auch Schuld, dass Niall soeben in seinem Auto auf dem Weg nach Dublin sitzt, während das Adrenalin sich allmählich wieder aus seinem Blut verflüchtigt.
Sein erstes Ziel ist die Bank, nur um sicherheitshalber zu überprüfen, ob er auch wirklich die richtige PIN hat und noch genügend Geld für das Studium verfügbar. Zwar hat Ruby es so gesagt und Niall vertraut ihr, doch schon immer war er einer der Menschen gewesen, der lieber selbst noch einmal nachsieht. Das Adrenalin ist inzwischen aus seinem Blutkreislauf verschwunden, schleppend geht er also durch die gläserne Tür des Kreditinstituts und stellt sich vor den Automaten. Nach wenigen Minuten hat er festgestellt, dass er sowohl den Code noch weiß, als auch mehr als genügend Geld auf dem Bankkonto liegt. Sogar mehr als Niall in Erinnerung hat, beinahe das Doppelte, um genau zu sein. Allem Anschein nach hat Ruby beschlossen ihr verbliebenes Geld auf das gemeinsame Konto der beiden einzuzahlen.
Ein unwohles Gefühl beginnt sich in Nialls Körper auszubreiten. Schleichend langsam und unscheinbar, doch trotzdem stark. Er beginnt sich Druck zu machen, Schuldgefühle zu empfinden. Obwohl er nichts dafür kann, fühlt er sich schlecht. Ein Mensch, welcher so viel für ihn gibt, davon hatte er nicht einmal zu träumen gewagt.
Das Gefühl breitet sich in seinem Körper aus, überfällt beinahe seine Glieder und lässt seine Knochen schwer fühlen. Als könnte er nicht mehr atmen, als würde er davon erdrückt werden, stolpert er hustend, unter wenigen kuriosen Blicken, aus dem Gebäude und geht auf sein Auto zu. Zu aufgewühlt, um die Tür richtig zu entriegeln, lässt er den Schlüssel kurz sinken und lehnt sich mit dem Rücken gegen die kühle Karosserie des Wagens. Seinen Blick auf den Boden gerichtet und rapide blinzelnd, um das Gefühl von sich zu schütteln, versucht er sämtliche Gedanken aus seinem Kopf zu verscheuchen.
Nachdem er sich wieder besser unter Kontrolle hat, lässt sich Niall erschöpft auf den Fahrersitz fallen und schließt einen Moment die Augen, wobei er sich an den Nasenrücken fasst. Eine Angewohnheit, welche er seit jungen Jahren besitzt, und immer wieder zum Vorschein kommt, wenn sich seine Müdigkeit nicht sonderlich gut mit seinem überfüllten Kopf verträgt. Zur Ablenkung schaltet er das Radio ein und startet den Wagen, um sich auf den Weg zur RIAM zu machen.
DU LIEST GERADE
Last Letters || N. H.
Fanfiction•¥• momentan keine Updates aufgrund mentaler Gesundheit •¥• 》 Wir alle sind nicht mehr als Soldaten in einem kalten Krieg. Überall wo es Gewinner gibt, sind auch Verlierer. Und nur weil ich es nicht geschafft habe, darfst du nicht aufgeben. Nicht so...