Unsere Beziehung
Noch immer zerbricht er sich den Kopf über das rätselhafte Mädchen, kommt jedoch nie zu einer zufriedenstellenden Lösung. Alle seine Theorien haben einen Fehler. Jede Antwort, welche er findet, bringt unzählige Fragen auf. Es ist wie ein Puzzle, doch im Moment fehlen ihm noch zu viele Teile, um zu erkennen, was es darstellen soll.
Erst als die Morgendämmerung anbricht steht er auf und verlässt den Park, um sich auf den Weg nach Hause zu machen. Dort angekommen, läuft er geradezu in den Postboten, welcher ihm ohne zu Zögern reihenweise Rechnungen, Karten und Briefe in die Hände drückt.
Doch Rubys Brief fand sich nicht in dem Stapel, obwohl er heute bei ihm sein sollte. Wer diese Briefe also schickt, kommt persönlich vorbei und schickt sie keinesfalls mit der Post.
Schließt das Alice also aus? Woher sollte sie wissen, dass er wieder hier wohnt? Er könnte inzwischen in Dublin wohnen oder noch immer in Mullingar, ohne dass sie es wüsste. Somit kann sie die Briefe nicht schicken oder?
Kurzzeitig spielt er mit dem Gedanken am Fenster wache zu halten, um endlich eines der anscheinend hundert Geheimnisse, die Ruby zu bieten hat, zu lüften. Allerdings verwirft er seine Idee schon bald wieder, als er vor lauter Müdigkeit und Trägheit kaum noch die Tür aufschließen kann ohne alles fallen zu lassen.
Sobald er es geschafft hat, tritt er ein und stolpert sogleich, was ihn fast vorne über auf den Boden stürzen lässt. Schon damals blieb er immer an der Türschwelle hängen. Als er sich die Schuhe ausziehen wollte, erkannte er, dass seine Gleichgewichtsstörung von etwas ganz anderem verursacht wurde. Nämlich einem vertrauten, dicken Briefumschlag, welcher durch eine bekannte geschwungene Schrift verziert ist.
Jemand hat ihm Rubys Brief also schon in den frühen Morgenstunden unter der Tür hindurchgeschoben. Ein Wunder, dass er überhaupt durch den schmalen Schlitz passte, so voll mit Blättern er jedes Mal ist.
Seine Müdigkeit schwindet mit einem Mal und er fühlt sich, als hätte er soeben eine ganze Kanne schwarzen Kaffee getrunken. Aufgedreht stürzt er in das Wohnzimmer und lässt sich auf die Couch fallen, während er bereits dabei ist, das Briefpapier aus dem Umschlag zu ziehen.
Hi Niall.
Wie geht es dir diese Woche? Nach all dem Grübeln und Nachdenken über deine Zukunft?
Weißt du, ich hoffe wirklich, dass du dir Zeit für dich genommen und einfach darüber nachgedacht hast wer du bist und was du willst. Denn du warst schon immer ein sehr gutmütiger Mensch, welcher das Wohlbefinden seiner Familie und Freunde vor sein eigenes gestellt hat und so löblich dies auch war und wie sehr es auch dein großes Herz immer wieder aufs Neue zum Vorschein gebracht hat, so hast du dich dennoch stets selbst vergessen.
Und egal wie sehr du Anderen helfen willst, du kannst nicht mehr tun als ihnen Ratschläge geben, denn entscheiden und handeln müssen sie selbst. Das kannst nicht du für sie machen, deshalb denke ich auch, es ist wichtig für dich, dir im Klaren darüber zu sein, wo deine Grenzen sind. Denn jeder Mensch hat seine Grenzen, ob er sie nun gut findet oder nicht, doch deine eigene Gesundheit sollte noch immer oberste Priorität haben, Niall. Denn du bist gesund, du hast es in der Hand, ich nicht mehr und deshalb solltest du es wertschätzen.
Natürlich hoffe ich ebenso sehr, dass du inzwischen wieder etwas mehr der alte bist. Damit meine ich die Beziehung zu deiner Familie und deinen Freunden wieder aufbaust und nicht sofort in Tränen ausbrichst wenn du nach Howth, in den Park oder unser Pub kommst. Immerhin gibt es keinen Grund Tränen zu vergießen. An all diesen Orten sind wunderschöne Erinnerungen entstanden, also hör auf darüber zu weinen, dass sie vorbei sind, sondern sei dankbar, dass sie überhaupt geschahen.
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Last Letters || N. H.
Fanfiction•¥• momentan keine Updates aufgrund mentaler Gesundheit •¥• 》 Wir alle sind nicht mehr als Soldaten in einem kalten Krieg. Überall wo es Gewinner gibt, sind auch Verlierer. Und nur weil ich es nicht geschafft habe, darfst du nicht aufgeben. Nicht so...