Letter Five

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Unser erster Kuss

Alice ist also ihr Name. Dieses Wort war immer häufiger in den Mittelpunkt seiner Gedanken gerutscht, wenn er auch noch nicht genau weiß, weshalb.

Momentan fühlt er sich wie ein kleines Kind an den Tagen kurz vor Weihnachten. Ein Kind, welches sein Geschenk bereits verpackt im Schlafzimmer der Eltern erspäht hat, das Geheimnis über dessen Innenleben allerdings noch nicht gelüftet hat. Ohne es vermeiden zu können kreisen die Gedanken des Kindes um das Geschenk, rund um die Uhr und unausweichlich.

In diesem Fall ist sie das Geschenk. Ein Geheimnis, auf dessen Enthüllung er brennend wartet.

Doch in diesem Moment sind seine Gedanken von diesem Mysterium zu einem anderen gewandert, welches mit jedem Monat beginnt sich zu lichten. Wieder blickt er auf den bekannten elfenbeinfarbenen Umschlag in seinen Händen herab, welcher den fünften von Rubys Briefen in sich trägt.

Inzwischen beginnen seine Eltern zu hinterfragen, was es mit diesen Briefen auf sich hat, wer sie jeden Monat schickt und worum es in ihnen geht. Doch Niall ist fest entschlossen es als sein Geheimnis zu hüten, bis er sich dazu im Stande sieht diese vertraulichen Dinge jemandem zu verraten.

Er lässt sich nahe der Kante auf seinem wie üblich ungemachten Bett nieder und beginnt den Umschlag zu öffnen, um anschließend das reichlich beschriebene Briefpapier daraus zu entnehmen.

Hallo Niall.

Herzlichen Glückwunsch! Du hast den ersten Schritt hinter dir, um dir deinen Traum zu erfüllen! Ich zweifle gar nicht daran, dass es das Richtige für dich ist und ebenso sicher weiß ich, dass du diese zwei Jahre erfolgreich überstehen und ihn dir erfüllen wirst.

Zu Teil zwei gibt es zu sagen, dass ich nicht mehr als hoffen kann, dass du ihn erledigt und das Chaos in deinem Kopf zumindest ansatzweise beseitigt hast. Denn glaub mir, wenn du das erst mal geschafft hast, ist der Rest nur noch halb so schwer.

Was ich dir zu Anfang sagen möchte, ist, dass ich so unglaublich stolz bin, Niall. Denn allein die Tatsache, dass dies bereits der fünfte Brief und somit die fünfte Woche deiner improvisierten Therapie ist, sollte dich ebenso stolz machen wie mich. Vielleicht sind noch keine großen Fortschritte zu sehen, vielleicht ja doch, ich weiß es nicht, aber das Wissen, dass du es bereits so weit geschafft hast, sollte dich besser fühlen lassen. Doch so stur und dickköpfig wie du nun einmal bist, denke ich, bis du dir das eingestehst, dauert es noch ein wenig. Du wirst erst zufrieden sein, wenn du dein Ziel erreicht hast. Bezieht man ein bekanntes Sprichwort auf dich, so kann ich mit Gewissheit sagen, dass der Weg definitiv nicht dein Ziel ist, Niall.

Meiner Meinung nach kann es nur noch aufwärts gehen, denn soweit ich mich entsinne sind deine weiteren Aufgaben nicht mehr schwer. Außer natürlich ich habe eine geniale Idee und das Bedürfnis dir noch einmal eins reinwürgen zu wollen, aber davon gehe ich nicht aus.

Okay, genug Gerede. Mit meiner heutigen Geschichte möchte ich deine Erinnerung an einen ganz bestimmten Abend auf ein Neues auffrischen. Welchen, werde ich dir allerdings noch nicht verraten. Du wirst es wissen, sobald ich mit dem Erzählen beginne.

Wir waren letztes Mal bei unserem ersten Date stehen geblieben, nach welchem ich definitiv der glücklichste Mensch auf Erden war, glaub mir. Es war unfassbar, wie sehr du meine Stimmung beeinflussen konntest. Egal wie schlecht mein Tag war, sobald ich dir davon erzählt hatte, klingelte mein Handy und du hast mir solange unsinniges Zeug erzählt bis alles vergessen war. Jede Nachricht, jeder Anruf und jedes Treffen gaben mir ein unglaublich gutes Gefühl und ich wollte nicht, dass diese Momente enden.

Last Letters || N. H.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt