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Annika P.O.V

Ich renne in das Zimmer von mir und meinen Zimmergenossinnen und knalle die Türe hinter mir zu. Wütent und traurig zugleich, lasse ich mich auf dem Bett fallen. Die anderen drei Mädchen aus dem Zimmer sind noch unten im Garten beim fröhlichen Spielenachmittag und somit bin ich jetzt alleine im Zimmer. Endlich mal. In einem Waisenhaus hat man nie besonders viel Privatsphäre.

Doch da geht auch schon die Türe auf und eine schnaufende Betreuerin betritt den Raum. Ehrlich gesagt bin ich gerade vor ihr weggerannt, aber habe mir wohl zu früh Hoffnungen gemacht, dass sie mir nicht folgen würde.

"Annika, du kannst nicht einfach wegrennen, wenn man gerade mit dir spricht. Das gehört sich nicht..."

Ich verdrehe meine Augen und verschränke automatisch die Arme vor der Brust.

"Ich bin eben kein gefühlloses Frack, das man nach Lust und Laune gerade abschieben kann!'

Mir entgeht es nicht, wie die Betreuerin genervt seufzt.

"Wir schieben dich nicht ab...Es bleibt eben keine andere Möglichkeit, als dass du in das andere Waisenhaus verlegt wirst. Das ist...besser für dich geeignet. Du kannst mir glauben, dass wir nur das beste für dich wollen."

'..nur das beste für dich wollen', äffe ich sie in Gedanken nach. Ja klar, wer's glaubt wird selig.

"Und wann komme ich in das Waisenhaus, wo ja nur das beste für mich gewollt wird...?"

Kurz blinzelt die Betreuerin verdattert, bevor sie ihren Kopf kaum merklich schüttelt.

"Du wirst Montag Mittag abgeholt. Deshalb bitte ich dich auch, schon heute anfangen zu packen."

"Schon morgen?". Warum zum Teufel so auf einmal?!

Die Betreuerin nickt nur und beeilt sich dann, das Zimmer wieder zu verlassen. Wahrscheinlich möchte sie sich nicht länger mit einer wütenden 15 Jährigen ausgeben, sondern lieber den fröhlichen Spielenachmittag genießen.

Seufzend stehe ich wieder von meinem Bett auf und sehe im vorbei laufen kurz in den Spiegel in unserem Zimmer. Meine glatten, dunkelblonden Haare fallen über meine Schultern und sind ein guter Kontrast zu meinen hellblauen Augen. Eigentlich sehe ich also aus, wie ein ganz normales Mädchen, aber trotzdem wurde ich nie adoptiert. Vielleicht wollen die Betreuer ja deswegen, dass ich das Waisenhaus wechsele, weil mich hier eh niemand zu sich aufnehmen möchte.

Zwischen den Gedanken fange ich schließlich tatsächlich damit an, meine Sachen in einen Koffer zu packen.

Auf diesen doofen Spieltag, habe ich ohnehin keine Lust mehr.

Die Klamotten, die ich morgen anziehen würde, ließ aber noch draußen. Genauso wie Dinge wie Haarbürste, Zahnbürste und ähnliches.

Am späten Abend, wo wir auch schon Abend gegessen hatten, sitze ich mal wieder auf meinem Bett. Nur diesmal fix und fertig. Das ganze Zusammenpacken war auch nicht entspannter gewesen, als der Spielenachmittag.

Ich sehe aus dem Fenster, was rechts neben meinem Bett ist und bewundere den hellen Mond. In Momenten, wo ich mich alleine und missverstanden fühle, ist er irgendwie tröstend für mich.

Im nächsten Moment kommt ein anderes Mädchen, Nina, herein. Sie wohnt auch in diesem Zimmer und wir verstehen uns sogar ganz gut.

"Hey, ich hab's schon gehört. Es ist schade dass du uns verlassen musst"

"Hallo Nina. Ja das finde ich auch...Ich bin nicht gerade glücklich darüber. Und die Betreuer behandeln mich, als sei ich ein Objekt!"

Sie nickt verständnisvoll und setzt sich neben mich.

"Ich werde dich vermissen. Weißt du denn schon, wo das dein neues Heim liegt? Vielleicht kannst du uns ja mal besuchen kommen"

Bei ihrer Frage schlage ich mir in Gedanken mit der Hand gegen die Stirn. Wie konnte ich das nur vergessen? Jetzt weiß ich tatsächlich nicht einmal, wo sie mich morgen hinfahren! Toll gemacht, Annika!

"Mist, das habe ich ganz vergessen", gab ich es jetzt auch laut zu. "Ich hoffe nur, es ist nicht zu weit weg."

Nina stimmt mir zu und wechselt nach kurzer Zeit das Thema. Wahrscheinlich um mich abzulenken, wobei ich ihr echt dankbar bin.

Nun erzählt sie einige Sachen von sich. Zum Beispiel, wie toll sie es finden würde, Geschwister und vor allem eine Schwester zu haben.

Ja, es muss schon schön sein eine Schwester zu haben, der man alles anvertrauen kann. Vor allem fühlt man sich dann auch nicht so alleine gelassen, wie ich zum Beispiel.

Jetzt holt mich Nina wieder aus meinen Gedanken.

"Aber nochmal zu dir. Denk positiv, vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm. Ich meine es kann ja auch sein, dass es dort einmal ein viel schöneres Heim gibt und dass du zweitens möglicherweise auch adoptiert wirst!"

"Das wäre schön..."

Wir umarmen uns kurz, bevor wir uns beide in unsere Betten legen.

Dort ahne ich noch nicht, dass Nina gar nicht so unrecht damit hat, dass es möglicherweise besser als gedacht und vor allem als meine einsame Vergangenheit wird. Die nächsten Tage werden es zeigen...

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Diesmal schon ein bisschen länger, mit ca. 800 Wörtern ;)
Ich versuche aber auch die nächsten Kapitel länger zu machen :)

Oben auf dem Bild könnt ihr Annika sehen !

Lost TwinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt