Prolog

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Sey:

Die Daumen in die Gürtelschlaufen meiner Hose gehakt, schlenderte ich zu meinem spärlich beleuchteten Haus. Von außen schien es schäbig und marode, aber von Innen war es genial. Genau das gefiel mir an dem Haus, keiner wusste, wenn er hier gedankenlos an der Gasse meiner Wohnung vorbei lief, was für ein Prachtstück es war. Niemand außer mir konnte von dieser herrlichen Aura profitieren.

Nur für das Mädchen hatte ich mich hier niedergelassen. Zu einem geringen Teil auch, weil meine Familie hier in der Gegend haust. Viele Jahre hatte ich sie nicht mehr gesehen. Tausende Nächte konnte ich nicht einschlafen, weil ich mich fragte, wie es meiner Schwester und meiner Mutter ergangen war. Dank dem Mädchen würde ich sie wiedersehen, wenn auch nur kurz.
Zu groß war die Gefahr, dass er es mitbekommt. Ich wollte das Leben meiner menschlich gebrechlichen Familie nicht gefährden.

Den Söhnen Lucifers ist es untersagt, Kontakt mit ihrer menschlichen Blutslinie zu haben. Das gilt traditionell ab dem siebten Lebensjahr.

Dem Mädchen verdankte ich meinen kurzen Oberflächen-Aufenthalt.

Trotz des großen Geschenks, das sie mir alleine durch ihre pure Existenz versah, wusste ich nichts von ihr.

Grobe Fakten, wie ihren Wohnort oder ihr Alter waren mir bereits bekannt. Aber ich sah es auf ihre Denkmuster ab, ihre Verhaltensmuster. Wann reagiert sie wie? Wie kann ich sie am besten an mich reißen?

Es wird mir ein leichtes sein, Alice A auszuhorchen, denn ich werde in dem Laden ihrer Eltern arbeiten und sie dort oft antreffen.

Das Mädchen war mein Auftrag. Nicht mein Erster, aber definitiv einer der Entscheidendsten.

Sie wird ihm gehören und ich weiß rein gar nichts über sie. Das musste sich schleunigst ändern. Ich musste ihr Vertrauen gewinnen und zuschnappen, wenn sie sich fallen lassen wird.

Mit einem zufriedenen Grinsen drehte ich den Schlüssel im Türschloss, ich trete die Tür auf. Ein vertrauter Geruch umströmte mich. Ich schloss die Augen und stellte mir die Menschen vor, die zuvor in diesem Haus lebten. Menschen, die bereits starben. Ich brummte genüsslich.

In meinem Wohnzimmer verbrachte ich die meist Zeit. Der mattgrüne Ohrensessel bat mir zu jeder Zeit einen bequemen Komfort, der dunkelrote Teppich erinnerte mich an zäh fließendes Blut und die Portraits von gestorben Adeligen hauchten dem Raum eine gemütliche Atmosphäre ein.

Ich setzte mich in den Sessel, einen Notizblock auf meinem Knie und schrieb alles über Alice A Schwarz auf, das ich heute in Erfahrung bringen konnte.

Ich berichtete über ihre Neugier, wie sie mich und ihre Freundin - Wie war der Name? Fabiane? - beobachte hatte und von ihrer nicht vorhandenen Fähigkeit, ihre Emotionen zu verstecken. Mir war immer wieder aufgefallen, wie sie große Mühe hatte, ihrer Freundin nicht allzu offensichtlich Morddrohungen an den Hals zu werfen.

Zwischendurch sah ich zu dem Abbild der Elisabeth Luise von Winterstein. Ich schenkte ihr ein sanftes Lächeln.

Elisabeths blasse Haut, die knochigen Wangen und die blutleeren Lippen schrien ein Wort: Tod. Zu Lebzeiten war Elisabeth Luise sterbenskrank. Dieses Bild wurde wenige Stunden vor ihrem Ableben gemalt.

Was soll ich sagen? Dämonen lieben den Tod.

Ein paar Stunden eher, hatte ich mein Ziel-Objekt, Alice A Schwarz, am Strand gesichtet. Während ich versucht hatte, mich mit menschlichen Exemplaren anzufreunden, hatte ich sie keine Sekunde aus den Augen gelassen. Integration und Tarnung ist alles.

In Erinnerung dessen breitete sich in mir eine wohlige Wärme aus, der Kugelschreiber scharrt knirschend über das Papier.

Das Mädchen wird sich ganz nett in seiner Sammlung machen.

Zufrieden schlage ich den Notizblock zu.

Fahr zur Hölle, LieblingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt