"Es war nicht menschlich."

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"Steig jetzt aus", bat Sey mich. Leise, aber bedrohlich. Ich sah ihn entsetzt an: "Und was ist, wenn Es wiederkommt?"
"Das ist bestimmt ein billiges Karnevalskostüm", Sey verzog seinen Mund. Er hatte den Rest vom Weg kein Wort mehr gesprochen. Dafür war er zu enttäuscht von mir, dass ich ihm seine ganzen Märchen nicht glaubte. "Das kannst du nicht machen!", verzweifelt krallte ich mich in den Sichherheitsgurt. "Alice.", seine Stimme wurde fordernder, "Du verlässt jetzt sofort meinem Wagen. Mach dir keine Sorgen, um den 'Hund' kümmere ich mich."

Seine Augen hatten wieder eine normale Farbe angenommen, blau. Er war noch immer sauer auf mich, seine Körperhaltung angespannt. "Du kannst nicht erwarten, dass ich dir so ein Schwachsinn  glaube!", brüllte ich und drückte mich aus dem Sitz. Meine Füße berührten den Boden, die Kieselsteine unter meinen Schuhsohlen knirschten. Ich schluckte, er würde mich ganz alleine mit diesem tollwütigen Köter lassen. Ich wollte die Tür zu knallen, harrte aber noch einen Moment aus, wartete auf seine Abschiedsworte: 'Bitte sei vorsichtig, Alice A. '. Nichts dergleichen kam. Ich presste die Lippen fest aufeinander, um nicht aufzuschreien. Wieso verlangt er so etwas von mir?! Er sah mich emotionslos an: "Heute noch. "
Trotzig reckte ich mein Kinn hoch und schmetterte die Autotür mit aller Kraft zu. Sey zuckte zusammen. Plötzlich überkam mich Panik, was wenn der Hund hier irgendwo lauert? Hektisch drehte ich mich einmal herum. Ich konnte nur noch einen Blick auf das Heck von Seys Wagen erhaschen, bevor er um die Kurve bog. Vielleicht hatte ich mir den Hund nur eingebildet? Oder Sey hatte sich das alles ausgedacht! Auf einmal raschelten die Blätter des Baumes über mir, ich zuckte zusammen. Ehe ich mich versehen konnte, legte ich einen Endspurt in das Schulgebäude zurück.

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"Hast du ein Gespenst geshen, oder wieso bist du so weiß?", empfing mich Fiona grinsend. "Mh.", mehr brachte ich nicht heraus. Am liebsten wäre ich in Tränen ausgebrochen, hätte ihr von allen Problemen der letzten vierundzwanzig Stunden erzählt, aber dafür müsste ich es zuerst einmal selber verstehen. Somit ließ ich mich wortlos meinen Stuhl fallen, versuchte dem Lehrer so gut wie möglich zu folgen.

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Am Ende der Stunde sprang Fiona schlagartig auf und packte ihre Sachen zusammen. Sie war schon längst fertig, als ich gerade mal mein Etui verstaut hatte. "Boah hab' ich Hunger!", verkündete Fiona und rieb sich den Bauch, "Kommst du mit zum Kiosk?"
Nickend trotte ich hinter ihr her.

Während sie sich in die Warteschlange stellte, lehnte ich gelangweilt gegen eine Wand und starrte aus der großen Fensterfront. Das Wetter hatte sich wieder beruhigt, draußen herrschte eine ruhige Kühle. Die Jungs der Unterstufe sprangen freudig quiekend umher. Die Mädchen hatten sich ein wenig abseits gestellt und tuschelten euphorisch über ihre Klassenkameraden.

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"Riech mal! Da lohnt sich jede einzelne verdammte Kalorie!", Fiona wedelte mit ihrer heißgeliebten Pizzastange vor meiner Nase, "Du bist dir sicher, dass du nichts willst?"
Ich schüttelte den Kopf. "Sollen wir uns hinsetzen?", sie wies auf einen freien Tisch. "So Alli ... wieso wandelst du hier wie ein begossener Pudel herum. Was'n los mit dir?", sie biss von ihrer Stange ab, ohne ihre Augen von mir zu nehmen. "Heute morgen war einfach -"
"Mathe? Hast du das auch nicht verstanden!", sie holte tief Luft, um ihre Stimme tiefer gestalten zu können, "Mathe, dabei sein ist alles."
Sie wackelte abwartend mit ihren Brauen und fing an zu lachen. Unter normalen Umständen wäre ich jetzt ebenfalls in schallendem Gelächter ausgebrochen, heute zog ich ein schmallippiges Lächeln vor. Langsam dämmerte Fiona, dass es um etwas Ernstes ging und sie das nicht mit ihren mittelklassigen Witzen wett machen konnte.
Um mir ihre volle Aufmerksamkeit zu vermitteln, legte sie ihr Essen aus den Händen und strich sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren. Betroffen betrachtete ich die dunkelbraunen Krümmel, die sich auf dem Tisch verteilt hatten. "Heute morgen hatte ich das Gefühl ... verfolgt zu werden und", ich schloss die Augen, "ich denke nicht-"
"Ja? Erzähl ruhig, mir kannst du's sagen. Ehrlich. ", sie spreizte Zeige- und Mittelfinger von ihrer Hand ab. Ich atmete langsam aus, jetzt oder nie: "Es war nicht menschlich. "

Es war raus. Soll sie mich doch für eine Spinnerin halten, mir egal. Nervös biss ich auf die Unterlippe. "Whoah! Whoah! Whoah!", sie wedelte wild mit ihren Händen um sich, "Wie jetzt? Du wurdest von etwas verfolgt? Heute morgen? Und es war kein Mensch?"
"Richtig. "
Sie legte zwei Finger an ihre Schläfe, setzte einen angestrengten Gesichtsausdruck auf. Plötzlich schnippste sie und grinste mich an: "Ein Tier! Hm ... ", Fiona strich über ihre Haare, "Ein Hund? Ein Bär? Wolf, Fuchs?"
Ich seufzte: "Du bist eine großartige Hilfe. "

Ich konnte Fiona alles erzählen, wirklich alles. Aber wenn es um Sey ging, war sie sehr dünnhäutig. Fiona ist noch immer der Meinung, ich hätte ihr Sey ausgespannt.

Mein Handy piepste. Neugierig las ich die Nachricht: "Dir wird nichts passieren. Nicht solange ich da bin und es verhindern werde. Bitte sei Vorsichtig, Alice A."

Fahr zur Hölle, LieblingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt