Kapitel 2

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Ich wollte gerade auf „drucken" klicken, als er mich stoppte: "Darf ich noch einmal?"
Sey wartete bis ich von alleine ein paar Schritte zur Seite gegangen war.

Sehr nett, damit ich mich nicht ein drittes Mal erschrecke, oder wie?

Er machte aus dem "Sey (Dreizack Symbol)" ein "Sey O. Akito (Dreizack Symbol)". Dann drückte er auf ausdrucken.

Wofür denn das O?

Der Drucker war auf meiner Seite, also entnahm ich die minimal bedruckte Din A 4 Seite und begann mit dem ausschneiden des Namens.

Sey beobachtete jeder meiner Bewegungen haargenau. Ich ließ mich dadurch nicht beirren.

Ich zog aus einer Schublade ein hauchdünnes Plastikgefäß, in das ich das Kärtchen reinschob, es dann umdrehte, um die Sicherheitsnadel zu öffnen. "Soll ich es dir dran machen, oder willst-"

"Das schaffst du schon.", er zwinkerte spöttisch.

"Dein Vater braucht aber- autsch!", stöhnte er, „Du hast mich gestochen!"

Memme!

„Upps."

Ich hatte versucht, nicht auf seine durchtrainierte Brust zu achten, die konnte ich sehr gut fühlen, als ich das Schildchen genau dort befestigt hatte.

Das lenkte mich schließlich auch ab.

Selber schuld ... irgendwie!

-

„So, Kinder, hier bin ich!", mein Vater drückte jedem von uns einen Karton voller Bücher in die Arme. "Uff", seufzte ich.

Die waren verdammt schwer!

Im selben Moment ertönte die Klingel, die durch das Öffnen der Ladentür betätigt wurde und meine Mutter kam mit noch mehr Kartons herein.

Wie soll ich die bitte alle hochtragen?

„Die wurden gerade geliefert- oh Gott, das ist viel zu schwer für Alice!", tadelte meine Mutter Dad, "Herr Akito? Sind Sie so nett und nehmen meiner Tochter die Kartons ab?", fragte meine Mutter rhetorisch. "Aber natürlich Mám."

Ich drückte ihm den schweren Karton erleichtert in die Arme. "Du folgst mir", wies ich Sey an. Ich steuerte die Bücherregale an und drehte mich mit einem schadenfrohen Grinsen um.

Mein triumphierendes Lächeln gefror. Die Kartons schienen Sey nicht mal im Geringsten anzustrengen.

Menno!

Sey zwinkerte mir zu, als er meinen enttäuschten Blick sah: "Es braucht deutlich mehr, um mich ins Schwitzen zu bringen"

Pff! Was denkt der eigentlich von sich!

Ich lief in den oberen Teil unseres Ladens, wohlwissend, dass Treppen steigen anstrengender für ihn war.

Ich öffnete den Karten und nahm mir das oberste Buch heraus: einen Harry Potter Teil, ein Klassiker in Fantasy.

"Dort drüben ist der Fantasy Abteil, es muss dorthin."

Sey nahm es aus meiner Hand, langsam, damit er mich nicht berühren musste, und wollte gehen. "Warte!", rief ich zu laut und sprach leiser, "Ich staple die Bücher nach Genre und du sortierst sie alphabetisch nach dem Autorennamen ein, okay?"
Er zog die Nase kraus, ihm gefiel es offensichtlich nicht, herumkommandiert zu werden. Ein selbstgefälliges Lächeln umschlich meine Mundpartie, als er nörgelnd seinen Auftrag ausführte.

-

Nach zehn Minuten war der erste Karton ausgeräumt. Sey holte die nächsten Lieferungen hoch.

Eine kurze Zeit später half auch mein Vater bei dem Einräumen. "Wie macht er sich?", mein Vater kniff die Augen zusammen und verfolgte Sey mit seinem Blick.

Sey wollte gerade ein Buch von Kerstin Gier in ein höher gelegenes Regal stellen. Das Regal war für alle zu hoch, deswegen stand ein Treppchen auf der anderen Rückseite des Regals. Das konnte er aber noch nicht wissen und empfand zu viel Genugtuung, als das ich ihn aufklären wollte. Diese kleinen, verzweifelten Sprünge waren aber auch zu amüsant.

„Möchtest du ihm nicht sagen, dass es auch einfacher geht, Schatz?"

"Nö."

Mein Vater stöhnte und rieb sich erneut die Augen: "Könntest du meine Brille holen? Sie müsste unten auf der Theke liegen."

Ich nickte.

Meine Mutter stand an der Kasse und hielt Small Talk mit einem Kunden, der sich gerade ein Buch bestellen wollte.

"Guten Tag", begrüßte ich den Mann, ohne ihn wirklich zu beachten.

Er schien Ende zwanzig und sah ziemlich fertig aus. Seine Haare waren fettig und verknotet, sein T-Shirt zerknittert. Es zog an einem Ärmel ein dutzend Fäden.

Mir stellten sich alle Härchen auf, es schien fünf Grad kälter geworden zu sein. Irgendetwas an ihn erinnerte mich an Jemanden.

„N'Abend, die Lady.", er würdigte mich ebenfalls keines Blickes, seine Stimme war rau und gezeichnet.

„Dann rufen wir Sie an, wenn ihre Bestellung eingetroffen ist.", grätschte meine Mutter mit einem falschen Lächeln ein. Der Mann griff in seine Jackentasche und bezahlte. Schweren Schrittes und mit gesenktem Kopf verließ er das Geschäft.

Ich blies die Wangen auf, so einen Kunden hatte ich noch nie gesehen. Komischer Kauz.

„Alice, starr ihm nicht so hinterher. Das gehört sich nicht.", meine Mutter tadelte mich vorwurfsvoll.

"Das bekommt der nicht mit."

Und darüber war ich froh, wenn er mir schon so eine Gänsehaut und ein mulmiges Gefühl eingebracht hatte, wollte ich nicht erst wissen, was passiert wäre, wenn er mir direkt in die Augen gesehen hätte.

„Sag Sey, das er jetzt gehen kann."

Fahr zur Hölle, LieblingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt