Kapitel 1

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Alice:

„Alice, wir öffnen in einer halben Stunde. Beeil dich!", die Stimme meiner Mutter hallte durch das gesamte Haus.

Schnell riss ich den Reißverschluss meiner Strickjacke zu, schlüpfte in ein paar Turnschuhe und flitze die Treppe runter. "Wo ist Papa?", fragte ich außer Atem. "Der ist schon längst da, wir wollten dich ein wenig ausschlafen lassen."

Ausschlafen? Es ist verdammt nochmal kurz vor acht Uhr morgens!

Nach einer schweigenden, zehnminütigen Fahrt in dem knallroten Opel Corsa meiner Mutter, waren wir an unserem Zielpunkt angekommen: Unser Familiengeschäft. Der Buchladen.

Gerade wollte ich diesen mit einer aufgesetzten: "Nur der frühe Vogel fängt den Wurm" - Einstellung betreten, doch ehe ich mich an dieser Aussage verschlucken konnte, griff meine Mutter nach dem Saum meiner Jacke: „Sei bloß nett zu ihm"

"Jahaaaa", stöhnte ich genervt und betrat den Laden.

"I am walking an sunshine whoaah! Guten Morgen, Prinzessin!", mein Vater wippte fröhlich singend hinter der Kasse, sein Englisch war nicht das Beste.

Wie kann man so früh am Morgen, eine so gute Laune haben? Eine, die real ist? Blöde Frühaufsteher.

"Der frühe Vogel fängt den Wurm", mag ja sein, aber: "Die zweite Maus bekommt den Käse!"

„Morgen", grummelte ich und verschwand schlurfend hinter der Tür, die mit einem „nur für das Personal"-Schild ausgestattet war.

Dort tauschte ich mein zerknittertes T-Shirt, auf dem sich unbemerkt ein "Spaghetti fantastico" - Soßenfleck eingeschlichen hatte, in ein sauberes, hellbraunes mit der weißen Aufschrift: „Bücherwelt" und wechselte meine Hose in eine helle Jeans. Zum Schluss heftete ich noch mein "Alice A. Schwarz" - Namensschild an und war bereit für meine Schicht.

Nichts und Niemand konnte meinen plötzlich aufkeimenden morgendlichen Elan stoppen, dachte ich, als ich nach der Klinke griff. Bemerkte aber nicht, dass die Tür zeitgleich von außen geöffnet wurde. Ziemlich schwungvoll.

Erbarmungslos prallte die Holztür gegen meinen Kopf, ein dumpfer Laut erklang.

Schach! Voll auf die zwölf!

"Alles in Ordnung?", fragte eine männliche Stimme. Mir wurde eine Hand, als Aufsteh-Hilfe angeboten. Leider war das Licht hier zu dämmrig, um den Fremden näher zu identifizieren.

Eigentlich, ist es nicht ratsam Unbekannten aus dunklen, engen Kammern die Hand zu reichen, aber heute mal eine Ausnahme!

Dankend nahm ich das Angebot an, ließ mich hochziehen. Mit einem festen Griff umschloss er meine Finger, seine Hand war rau und viel zu heiß. Nicht schwitzig, einfach überhitzt.

"Die Umkleide ist nur für das Personal", wies ich ihn scharf an und rieb mir vorsichtig über die Stirn. Meine Finger verweilten über einer pulsierenden Erhebung.

Oh bitte lieber Gott, mach dass ich nicht zu einem Einhorn mutiere!

Ich stockte in meiner Bewegung, er stand genau vor mir und grinste mir breit ins Gesicht.

Was zur Hölle macht der hier?

„Richtig, also was suchst du hier?", fuhr er mich ebenso forsch an.

Bitte?!

„Was ich hier suche?!", abrupt riss ich mich von seiner Hand los und wandte mich an meinen Vater.

Fahr zur Hölle, LieblingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt