0.9

2K 188 54
                                    

Wieder verlor Kim Seokjin langsam seine Geduld. Die drei Jungen kamen erst Stunden später wieder, jedoch ohne Kim Namjoon.

Wo war er?

Sie hatten gesagt, dass sie überall nach ihm gesucht hätten. Doch Kim Seokjin hatte ihnen nicht geglaubt. So wie sie vor ihm standen, konnte er ihnen kein einziges Wort glauben.

Wieder vergingen Tage, in denen es sehr schwer für ihn war, sich zu beherrschen. Wieder wurde er schnell gereizt und wieder schmiss er wahllos Gegenstände gegen die Wände und auf den Boden. Die Wände waren schon mittlerweile überall mit Dellen und teilweise sogar mit Löchern überseht.

Waren seine Helfer so inkompetent gewesen, seine Puppe wiederzufinden und zurück zu bringen?

----

Kim Namjoon war abgehauen. In der Nacht, als das ganze Haus zu schlafen schien. Niemand weit und breit, der ihn hätte aufhalten können. Er rannte raus, so leise wie er nur konnte, und versteckte sich danach in irgendwelchen Containern am alten Bahnhof, wo er einige Tage blieb, ohne Nahrung und warmer Kleidung für die Nächte. Er müsse sich bald woanders verstecken, aber nur.. wo?
Wo konnte er hin, wo die Helfer ihn nicht suchen würden?

Kim Namjoon konnte es mit den erniedrigen "Arbeiten" von Kim Seokjin an sich nicht mehr aushalten. Ständig wehrte er sich, er wollte keine Haarspangen von Kim Seokjin in seinen Haaren tragen. Er wollte einfach keine Schminke wie eine Puppe tragen, er war doch ganz offensichtlich keine Frau. Kim Seokjin schien es aber zu gefallen, nur Kim Namjoon gefiel es ganz und gar nicht.

Dass er aber kein Kleid tragen musste, war eine Art Befreiung. Es war für ihn schon schlimm genug, dass er Schminke tragen musste, ein Kleid hätte alles noch schlimmer gemacht. Diese ganzen Messer in diesem Raum, wo er eingesperrt war, machten ihm Angst. Wie sie da rum lagen, ihn förmlich anstarrten.
Er hatte jedesmal Angst, dass Kim Seokjin ihn damit verletzten würde, aber Kim Seokjin tat es nie. Stattdessen formte er ihn zu seiner eigenen, persönlichen Puppe, indem er ihn wie eine uralte Puppe, wie sie bei alten Menschen in der Wohnung zu finden waren, gekleidet und geschminkt hatte.
Kim Namjoon hielt ihn eindeutig für einen Geistesgestörten, der dringend Hilfe benötigte.

Irgendwann entschied er sich dann, zu einem alten Freund zu gehen. Dort würden die Helfer ihn bestimmt nicht suchen. Er hatte vor langer Zeit den Kontakt zu ihm verloren, aber er wusste tief im Herzen, dass wenn er Hilfe benötigte, er zu ihm gehen könnte. Der Freund lebte zwar in einer WG, soweit er wusste, aber.. Platz wäre für ihn bestimmt da. In dieser WG lebten mit dem Freund einberechnet sechs Personen, alle waren wie diese YingYang-Geschwister, von denen Kim Seokjin mal gesprochen hatte. Sie waren alle so dicke miteinander.. wie auch Kim Namjoon mit seinen Freunden.

Was wohl mit ihnen war? Immerhin war Kim Namjoon seit gut zwei Monaten nicht mehr zur Schule gegangen. Das Handy wurde ihm von diesem griesgrämigen Mil Yoom oder wie er hieß, eingesammelt und vor seinen Augen zerstört. Er konnte nach seiner Flucht auch nicht zu ihnen zurück, denn dort würden sie ihn als erstes aufsuchen; dabei war er sich sicher.
Er vermisste sein Freunde, er vermisste es in den Pausen mit ihnen an einem Tisch zu sitzen und dort zu reden.

Ob seine Eltern sich Sorgen machten?
Ob sie ihn als vermisst gemeldet hatten?
Ob sie überhaupt bemerkt hatten, dass er nicht mehr nach Hause kam?
Sie waren schließlich fast nur auf Geschäftsreisen und so gut wie nie daheim.

Ob seine Freunde ihn bei der Polizei als vermisst gemeldet hatten?
Ob Wang Jackson wieder Panik schob, weil er ihm nicht antwortete?
Aber wie auch, sein Handy war ja von diesem Typ mit den Minthaaren kaputt gemacht worden.
Oder ob Im Jaebum wieder tausendmal an seiner Haustür geklingelt hatte?
Wie damals als er dachte, er sei abgehauen, aber Kim Namjoon dabei nur den ganzen Tag verschlafen hatte?
Oder ob Kim Yugyeom über den Verlust von Amber hinüber gekommen war?
Ob er überhaupt wusste, dass dieser Kim Seokjin sie umgebracht hatte und ein anderer sie danach wie Müll im Wald entsorgt hatte?
Ob sie dachten, dass Kim Namjoon überhaupt noch lebt?
Ob sie dachten, dass er einfach nur still und heimlich umgezogen war?

Fragen über Fragen plagten ihm, bis er an der Tür des alten Freundes ankam.
Ob er hier noch lebte?
Dem Vorgarten nachzufolge schon, denn dieser war wie früher ein einziger Müllhaufen. Überall lagen Pappbecher von Partys, die abgefallenen Blüten des Kirschbaumes, die schon anfingen zu verwelken. Das alles lag dort rum, Aufräumen war für seinen Freund schon immer ein Fremdwort gewesen.

Langsam erreichte sein zittender Finger die Klingel und drückte den Knopf.
Würde er ihn überhaupt wieder erkennen?
Würden die anderen ihn auch erkennen?
Würde er sie wiedererkennen?

Im Haus wurde wie in dem Haus von Kim Seokjin laut herumgetrampelt und rumgeschrien. Kim Namjoon war sich sicher ein "Irgendwer von euch Pissern macht jetzt mal die Tür auf!" und ein darauffolgendes "Geh doch selber, man!" gehört zu haben. Er stand noch immer dort, den Blick auf seine Fußspitzen gerichtet. Die Tür wurde dann plötzlich förmlich aufgerissen und er schaute hoch. Kim Namjoon sah direkt in die Augen seines alten Kumpels Cha Hakyeon.

"Namjoon?", fragte dieser sofort als er ihn erkannte. Ohne weitere Worte umarmte Cha Hakyeon seinen Freund und zog ihn danach direkt ins Haus und knallte hinter ihnen die Tür zu.
"Jungs! Wir haben Besuch!", schrie er freudig durch das Haus und es wurde erneut unruhig.
"Was führt dich zu uns?", fragte Cha Hakyeon erfreut.
"Erklär' ich dir später, okay?"
Die anderen Jungs, bis auf einer, kamen zu Cha Hakyeon und Kim Namjoon rüber.
Kim Wonshik war der erste, der ihn erfreut wie ein kleines Kind in die Arme schloss.
"Lange nichts voneinander gehört", plapperte der Jüngste, Han Sanghyuk, direkt drauf los.

Sie alle standen um ihn rum.
Kim Wonshik,
Lee Hongbin,
Lee Jaehwan,
Cha Hakyeon und
Han Sanghyuk.
Nur einer fehlte; Jung Taekwoon.

"Wo ist Taekwoonie?", fragte Kim Namjoon verwirrt, denn normalerweise waren sie alle nur zu sechst anzutreffen.
"Ich glaube er ist einkaufen oder so", zuckte Kim Wonshik mit den Schultern.
"Aber ist doch egal, jetzt setzt dich erstmal und erzähl uns was dich zu uns führt, Namjoon!", sagte Lee Hongbin und zog ihn in das große Wohnzimmer. Dort saß er dann, umringt von den anderen die gespannt ihm zuhörten. Währenddessen traf auch Jung Taekwoon nach seinem Einkauf dazu und gesellte sich still zu der Gruppe.

"... und jetzt muss ich irgendwo untertauchen", beendete Kim Namjoon seine Geschichte. Kein einziges Detail hatte er ausgelassen, auch seine Sorgen um seinen besten Freund, Wang Jackson, hatte er erzählt.
"Ich kann dich verstehen.. irgendwer hat doch bestimmt noch Platz in seinem Zimmer, oder?", fragte Cha Hakyeon in die Runde. Sofort schoss der Finger von Kim Wonshik in die Höhe.
"Aber ich schnarche", warnte er ihn noch, bevor beide daraufhin anfingen zu lachen.

"Ich werde mit Jackson Kontakt aufnehmen und ihm alles erzählen. Und auch mit den anderen aus dem Haus, wo du warst.. da werden wir alle aufpassen und nicht auffallen", sagte Lee Jaehwan.
"Willkommen in der Familie, ich hoffe du fühlst dich hier wohl", flüsterte Jung Taekwoon die ersten Worte zu Kim Namjoon.
"Wow, Hyung. Soviele Worte hast du noch nie hintereinander gesagt", staunte der Jüngste und kassierte dafür von dem ältesten, Cha Hakyeon, einen Schlag auf den Hinterkopf.

"Ich gehe kochen, beschäftigt euch ruhig. Und Namjoon; fühl dich wie zuhause!", sagte Cha Hakyeon und klopfte ihm auf die Schulter.
"Danke.."
"Dafür sind wir doch da."

Nun hatte Kim Namjoon das Gefühl in Sicherheit zu sein.
Doch wie lange das anhalten würde, wusste niemand.

------

Wordcounter: 1263

be my doll || knj × ksjWo Geschichten leben. Entdecke jetzt