Devas
Wie in den letzten Tagen oft, stand er auch heute wieder auf dem Balkon. Von hier oben konnte er problemlos das rege Treiben unter ihm beobachten. Es gefiel ihm nicht, aber er hatte erkennen müssen, dass die Leute ihr Leben lebten, als wäre nie etwas gewesen. Des Öfteren hatte er sich bereits gefragt, wie die Leute teilweise so kaltherzig sein konnten, doch er wusste, dass es immer so gewesen war und auch in Zukunft so bleiben würde. Die Welt drehte sich weiter, egal was passierte und die Lebenden akzeptierten es, während sie versuchten mit dem Schmerz zu leben und die Erinnerungen und Gedanken an die Toten nicht zu vergessen.
Er stand nach vorne gebeugt da und stütze sich mit den Unterarmen am Geländer vor ihm ab. Am Himmel waren Wolken aufgezogen und ein leichter Windhauch fuhr durch seine kurzen, weißen Haare und brachte seine Frisur durcheinander, indem er ein paar Strähnen in sein Gesicht blies. Mit den Gedanken bei den Geschehnissen von vor ein paar Tagen, ließ er sich davon nicht stören. Er konnte das alles einfach nicht vergessen, egal wie sehr er es auch versuchte, die Bilder der Hinrichtung wollten nicht verschwinden, sie schlichen sich immer wieder zurück in seinen Kopf. Dennoch bereute er seine Entscheidung nicht, denn sie hatte sein müssen. Es war richtig gewesen das zu tun, damit das Volk ihn als König akzeptierte. Damit das Volk eine Zukunft hatte.
Kurz schüttelte er seinen Kopf, um diese Erinnerungen los zu werden und sorgte dadurch ungewollt dafür, dass die Strähnen nicht länger in sein Gesicht hingen. Anstatt nun die Aussicht genießen zu können und an nichts zu denken, drehten seine Gedanken sich nun darum, dass er sich heute noch für seine Ehefrauen entscheiden musste und diese Vorstellung ließ in seinem Magen ein unbehagliches Gefühl entstehen. Er erlaubte sich noch zwei Minuten die Menschen zu beobachten und die warme Luft zu genießen, genauso wie den Duft nach aufkommendem Regen, ehe er sich seufzend umdrehte und in sein Zimmer zurück ging.
Jetzt war die Zeit gekommen, sich die Frauen, die hergebracht wurden, anzusehen und sich für drei zu entscheiden. Dabei lagen seine Sorgen jedoch weniger darin, ob sie alle hübsch sein würden, sondern mehr darin, ob er mit einer von ihnen vielleicht wider Erwartens glücklich sein könnte, denn für ersteres würde Siamun mit Sicherheit gesorgt haben. Ein wenig kraftlos ließ er sich auf die weiche Polsterung der Couch fallen.
Sein Gesicht drehte sich fast automatisch in Richtung der Tür, als diese aufschwang und Siamun mit einem einfachen „Hallo Bruder" eintrat. Das hieß dann wohl, dass die Auswahl offiziell beginnen würde. Er begrüßte ihn seinerseits und schenkte ihm ein leichtes Lächeln, bevor er sich dem Diener, der im Zimmer umherschwirrte und ununterbrochen an etwas arbeitete, zuwandte und ihm sagte, dass er nun eine Frau nach der anderen herein bringen solle.
Durch die offene Balkontüre kamen in kurzen Abständen abwechselnd warme und kalte Windstöße. Die Luft roch nach wie vor nach Regen, was Devas weniger gefiel, denn er genoss das warme Wetter viel mehr als das kalte. Jedoch wusste er, dass sein Bruder sehnsüchtig auf den Regen und die damit verbundene Kälte warten würde. Ein leichtes Klopfen an der Tür ließ seine Aufmerksamkeit wieder ins Zimmer zurückkehren und seine Augen Richtung Tür wenden.
„Herein."Das Mädchen, welches eintrat, hätte er nicht auf mehr als 20 geschätzt und ihre Haltung strahlte Selbstbewusstsein und Stärke aus. Seine Lippen umspielte noch immer ein leichtes Lächeln und die junge Frau vor ihm lächelte offen zurück. Er ließ seine Augen über sie wandern. Ein Windhauch streichelte ein paar der schwarzen Strähnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten und ließ sie ihr ins Gesicht fallen. Das dunkelblaue Kleid schmiegte sich an ihren zierlichen, dünnen Körper und passte ausgezeichnet zu ihren tiefblauen Augen, die ihn frech musterten. Devas konnte nicht umhin, dieses Mädchen schön zu finden, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sie noch Ärger bedeuten könnte, denn sie schien niemand zu sein, der sich alles gefallen lassen würde, aber gerade das machte sie auch faszinierend.
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Gefangen im ewigen Eis
МистикаDrei Königreiche, eine Legende, ein machtgieriger König.... Siamun, der Prinz des Eisreiches, ist gewillt über Leichen zu gehen, um an sein Ziel zu gelangen. Freunde sind für ihn überflüssig und sein Bruder, der König, nur dazu da, ausgenutzt zu wer...